Suchen und Finden
Service
Psychologie Heute 02/2020 - Wer bin ich noch
Psychologie Heute Redaktion
Verlag Beltz - Psychologie heute, 2020
ISBN E022003401677 , 108 Seiten
Format PDF, OL
Kopierschutz Wasserzeichen
Geräte
An Silvester war die Liste immer fertig: Mindestens zehn Punkte standen darauf, häufig war „abnehmen“ darunter, aber auch so etwas wie „immer zum Karate“ oder „Zehnfingersystem lernen“. Die Liste wurde mit den Freundinnen diskutiert, abgesegnet und dann stand fest: Diese zehn Dinge werden sich im neuen Jahr in meinem Leben ändern – garantiert.
Sich zu verändern ist schwer, sagt die psychologische Forschung, und das habe ich im Laufe der Jahre des Erwachsenwerdens dann auch bemerkt. Sich hinsetzen, eine Liste erstellen und ganz feste hoffen, dass sich was tut – das ist immer wieder gescheitert.
Wie könnte körperliche Bewegung uns bei Veränderungsprozessen unterstützen, habe ich Astrid E. Heyl gefragt. Sie ist Psychologin und Psychotherapeutin und geht mit ihren Patienten zu Sitzungen in den Wald. Themen werden bei ihr im Gehen besprochen, „psychologisches Wandern“ nennt sie das. „Zunächst stärkt es unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden, wenn wir uns in der Natur bewegen – unser Kortisolspiegel sinkt, unsere Pulsfrequenz, der Blutdruck“, sagt sie. „Und man hat gemessen, dass der präfrontale Kortex – ein Teil unserer Großhirnrinde – wesentlich stärker arbeitet, wenn wir draußen gehen. Das heißt, dass wir neue Informationen leichter aufnehmen oder leichter neu verknüpfen können.“ Astrid E. Heyl weist außerdem darauf hin, dass wir alles, was wir als Kind lernen, über Bewegung lernen – und sei es das Wohlbefinden durch Saugen am Schnuller: „Über die Motorik werden in den frühen Jahren die kognitiven Strukturen und die synaptischen Verbindungen geschaffen. Je mehr ich mich bewege, je besser ich mich bewege, desto mehr Synapsen werden in meinem Gehirn gebildet. Und wenn ich etwas verändern möchte, wenn ich mich etwas traue, einen anderen Anteil meiner selbst entwickeln möchte, dann brauche ich auch andere synaptische Bahnungen, die jenseits meiner bisherigen Muster und Bewertungen liegen.“
Wie kann ich in meinen Alltag Bewegung einbauen, die mich bei Veränderungen unterstützt? „Ich würde tatsächlich vorschlagen, so oft wie möglich rauszugehen und sich ohne Ziel in der Natur zu bewegen. Das heißt nicht: Ich mache zehn Kilometer Nordic Walking. Es ist wichtig, es ziellos zu tun, egal ob das am Fluss, am Meer, im Wald oder auf den Feldern ist. Dann fange ich an, meine Gedanken, die meinen normalen Alltag strukturieren, loszulassen. Und je öfter ich das mache, desto mehr kann es mir gelingen, aus dem Netz ‚Ich kann gar nichts verändern, weil ich gar keine Zeit habe, etwas zu verändern‘ rauszukommen.“ Unsere Titelgeschichte „Wer bin ich noch?“ zeigt, dass es dabei nicht darum geht, uns weiter zu optimieren (ab Seite 16). Sondern darum, Haltungen zu verändern und unabhängiger zu werden von äußeren und inneren Zwängen. Nicht stehenbleiben also, im wahrsten Sinne des Wortes. Gute Erkenntnisse!
Shop