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Psychologie Heute 06/2020 - An Krisen wachsen

Psychologie Heute 06/2020 - An Krisen wachsen

Psychologie Heute Redaktion

 

Verlag Beltz - Psychologie heute, 2020

ISBN E062003401677 , 108 Seiten

Format PDF

Kopierschutz Wasserzeichen

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6,99 EUR

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Psychologie Heute 06/2020 - An Krisen wachsen


 

Vieles, was sich später als heilsam erwies, war einfach dem Alltag an der Universität in Texas geschuldet: Dort wollte der junge Assistenzprofessor James W. Pennebaker im Jahr 1985 untersuchen, wie es sich auswirkt, wenn Menschen über Krisen in ihrem Leben schreiben. Er hatte dafür Collegestudenten akquiriert, die aber nur beschränkt Zeit hatten, und auch die notwendigen Räume in der Universität bekam Pennebaker nur für kurze Phasen. Also bat er die Studierenden, sich an vier Tagen hintereinander einzufinden und jeweils 20 Minuten über traumatische oder schmerzhafte Erlebnisse in ihrem Leben zu schreiben. Das Ergebnis war verblüffend: Alle, die über die Krisen in ihrem Leben geschrieben hatten, brauchten in den folgenden Monaten deutlich weniger medizinische Betreuung als vorher und viele sagten, das Schreiben habe ihr Leben verändert. Es war die Erfindung des expressive writing. Hunderte psychologische Experimente später steht fest: Etwas Belastendes niederzuschreiben ist tatsächlich dann besonders hilfreich, wenn man es an mehreren Tagen hintereinander in kürzeren Episoden tut.

Das alles erzählt mir Professor James W. Pennebaker – mittlerweile ist er 70 Jahre alt – bei einem Skype-Gespräch, das wir mitten in der Coronakrise führen. Können Sie mir erklären, was genau passiert, wenn ein Mensch Worte für ein traumatisches Ereignis findet, bitte ich ihn. „Dabei passieren verschiedene Dinge“, sagt er. „Zum einen erkennen wir an, dass etwas tatsächlich passiert ist. Wir verdrängen es nicht, verschweigen es nicht und verfallen auch nicht dem magischen Denken, dass es nie passiert sei. Das Zweite ist, dass wir, indem wir Worte dafür finden, das Erlebnis labeln. Wir sagen: Das ist passiert und so hat es sich für mich angefühlt. Schließlich geben wir einem Ereignis eine Struktur, wenn wir es in Worte fassen, es wird einfacher und geordneter, als wenn wir nur daran denken.“

Und was ist der Unterschied, ob ich über ein Erlebnis schreibe oder ob ich es mündlich erzähle? „Wenn Sie es einem Aufnahmegerät oder sich selbst im Spiegel erzählen, gibt es eigentlich keinen großen Unterschied. Die Komplexität beginnt, wenn Sie es einem anderen Menschen erzählen“, sagt Pennebaker. „Wir alle kennen das: Du hast etwas erlebt, das du dir von der Seele reden möchtest. Du beginnst, es einem Freund zu erzählen, und du siehst in seinen Augen: Das ist nicht das, was er hören möchte. Und dann drehst du das Gespräch in eine andere Richtung. Das passiert mit Freunden und sogar mit Therapeuten. Wenn man jemanden findet, der wirklich zuhört und nicht verurteilt, dann könnte Sprechen vielleicht sogar besser funktionieren als Schreiben. Aber wie oft ist das der Fall?“

Expressive writing könne auch in kollektiven Krisen wie der Coronapandemie helfen, sagt Pennebaker – der eigens dafür die Website exw.utpsyc.org eingerichtet hat. In unserer Titelgeschichte (ab Seite 16) finden Sie eine kleine Anleitung zum expressiven Schreiben und zahlreiche weitere Fakten zur Kraft des Erzählens. Hilfreiche Anregungen und die besten Wünsche in schwierigen Zeiten!