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Lieblosigkeit macht krank - Was unsere Selbstheilungskräfte stärkt und wie wir endlich gesünder und glücklicher werden

Lieblosigkeit macht krank - Was unsere Selbstheilungskräfte stärkt und wie wir endlich gesünder und glücklicher werden

Gerald Hüther

 

Verlag Verlag Herder GmbH, 2021

ISBN 9783451821202 , 208 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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13,99 EUR

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Lieblosigkeit macht krank - Was unsere Selbstheilungskräfte stärkt und wie wir endlich gesünder und glücklicher werden


 

Einleitung

Irren ist menschlich ...


Wir Menschen sind sonderbare Wesen. Keinem Tier und erst recht keiner Pflanze muss erklärt werden, was sie tun sollten, um gesund zu bleiben. Sie alle, die Sonnenblumen und Kuckuckslichtnelken, die Grashüpfer und Nacktschnecken, die Dachse und Iltisse, ja sogar die Affen wissen von ganz allein, was ihnen guttut und was sie brauchen, um möglichst lange gesund zu bleiben, einen Fortpflanzungspartner zu finden und Nachwuchs zu bekommen. Na ja, dass sie es »wissen« ist vielleicht der falsche Ausdruck, sie tun es einfach, machen alles so, wie es gut für sie ist. Ihre über viele Generationen durch Mutation und Selektion optimierten genetischen Programme steuern die Herausbildung ihrer körperlichen Merkmale, die Regulation ihres Stoffwechsels, auch die Herausbildung ihres Gehirns und damit auch ihr jeweiliges Verhalten ganz von allein. Und das geschieht immer so, dass sie möglichst lange gesund bleiben und möglichst viele, möglichst gesunde Nachkommen haben. Ungünstig ist nur, dass sie mit ihren festgefügten genetisch programmierten Gehirnen dann auch kaum noch etwas Neues dazulernen können. Deshalb werden sie krank und sterben aus, wenn sich die Welt, in der sie leben, zu verändern beginnt. Verantwortlich dafür sind allerdings schon seit langem nicht sie selbst oder ihre genetischen Programme, sondern wir Menschen, weil wir ihre bisherige Lebenswelt zerstören. Und am anfälligsten für alle möglichen Erkrankungen werden all jene Tiere, die wir nach unseren Vorstellungen gezüchtet und aufgezogen haben. Die sind uns in Bezug auf ihre Krankheitsanfälligkeit am ähnlichsten.

Wir stammen zwar von tierischen Vorfahren ab, sind aber doch ganz anders als sie unterwegs. Der Grund dafür ist unser zeitlebens lernfähiges Gehirn. Mit dem können wir so gut wie alles lernen, was uns andere Menschen beibringen, und noch besser all das, was sie uns tagtäglich selbst vorleben. Leider gehört dazu auch vieles, was uns später krank macht. Wir wissen nicht von allein, was gut für uns ist. Wir müssen es erst im Lauf unseres Lebens herausfinden. Jeder und jede Einzelne, aber auch wir alle zusammen.

Und wer nicht aus sich selbst heraus weiß, wo es entlanggeht, kann sich eben auch allzu leicht auf seiner Suche nach einem glücklichen, erfüllten und gesunden Leben verirren. Leider bemerken wir das aber oft erst dann, wenn es zu spät ist und wir bereits krank geworden sind.

Hier liegt also der große Unterschied zwischen uns und den Tieren und Pflanzen. Im Gegensatz zu ihnen lassen wir uns nicht von den aus dem eigenen Körper kommenden Signalen und unseren natürlichen Empfindungen leiten, sondern von irgendwelchen Vorstellungen, die wir von anderen übernommen oder die wir uns selbst zusammengebastelt haben. Wir leben nicht so, wie wir sollten, um gesund zu bleiben, sondern wir leben so, wie wir das aufgrund dieser Vorstellungen für richtig halten. Selbst dann, wenn uns das danach gestaltete Leben krank macht.

Mit all diesen Vorstellungen im Kopf haben wir es weit gebracht. Ihnen sind wir gefolgt und haben uns eine Lebenswelt geschaffen und Lebensmöglichkeiten eröffnet, von denen kein Tier auch nur zu träumen imstande ist. Wir haben die Welt, in der wir leben, ständig nach unseren jeweiligen Vorstellungen verändert. Immer schneller, immer nachhaltiger, immer effektiver. Und auf diese Weise haben wir uns ein Problem eingehandelt, das die Tiere und Pflanzen nicht kennen. Im Gegensatz zu uns brauchen die sich – durch sehr langsame und nur gelegentlich auftretende, vorteilhafte Veränderungen ihres Erbgutes – einfach nur innerhalb der von ihnen bewohnten Lebensräume zu behaupten, müssen also nur möglichst gesund und reproduktiv bleiben. Weil sie diese einmal erschlossene Lebenswelt kaum selbst verändern – außer wenn sie sich zu stark vermehren, aber das machen sie ja nur für kurze Zeitspannen –, können diejenigen Tiere und Pflanzen dann auch besonders gut überleben, die sich am besten an diese jeweilige Lebenswelt, ihre ökologische Nische, angepasst haben.

Das diesem Leben zugrunde liegende Prinzip kennen wir nun schon seit Darwins Theorie vom »Survival of the Fittest« zur Genüge, und die weltweite Verbreitung dieser Vorstellung als »Evolutionstheorie« war enorm erfolgreich. Sie ist als eine grundlegende Vorstellung von dem, worauf es im Leben ankommt, also der Stärkste, der Beste, der Cleverste und der Erfolgreichste zu sein, tief in unseren Gehirnen verankert. Das Problem, das entscheidende Problem ist nur, dass diese Theorie vom »Überleben der am besten Angepassten« eben nur für all jene Lebewesen gilt, die ihren eigenen Lebensraum selbst nicht allzu sehr verändern. Wie die Sonnenblumen also, oder die Grashüpfer, die Dachse und sogar die Affen. Für uns Menschen trifft das allerdings nicht zu. Wir müssen uns ständig verändern und an die von uns selbst verursachten neuen Gegebenheiten anpassen. Die aus Darwins Theorie abgeleitete Vorstellung, im Leben möglichst erfolgreich sein zu müssen, verleitet uns dazu, ein Leben zu führen, das uns mit all dem sich daraus ergebenden Zwang zum Wettbewerb, zum Erfolg, zu Höchstleistungen und allem, was uns irgendwie hilft, »fitter« als alle anderen zu werden, früher oder später krank macht.

In einer sich durch unser eigenes Handeln ständig verändernden Lebenswelt können wir nur dann gesund bleiben, wenn wir als erkenntnisfähige Menschen bereit sind, uns selbst auch ständig mit zu verändern. In der Lage dazu wären wir schon. Jedenfalls haben wir ein Gehirn, das uns dazu befähigt. Und manche tun das ja auch und bleiben gesund. Aber wie viele Menschen sind heutzutage bereit, sich selbst auch ständig weiterzuentwickeln? Wie viele haben den Mut, sich auf die Herausforderungen, die das Leben für sie bereithält, auch immer wieder neu einzulassen? Wie kann jemand lernen, sie zu meistern, solange sie oder er sich ihnen nicht zu stellen wagt und sie anzunehmen bereit ist? Weiterentwicklung ist ja etwas völlig anderes als die bloße fortwährende Anpassung an die jeweiligen von uns selbst geschaffenen Verhältnisse. Ent-Wicklung bedeutet ja genau das Gegenteil: nämlich die Selbstbefreiung aus all den Ver-Wicklungen, in die wir durch unsere bisherigen Vorstellungen geraten sind. Diese Verwicklungen sind es, die uns krank machen.

Das ist der zentrale Ansatz, den ich in diesem Buch vorstellen möchte: Krank werden wir nicht davon, dass uns von außen etwas Krankmachendes überfällt oder ereilt. Krank werden wir deshalb, weil wir das, was uns krank macht, für etwas halten, das uns glücklich machen soll. Und dafür sind wir bereit und haben leider auch allzu gut gelernt, völlig lieblos mit uns selbst und mit anderen umzugehen. Viele Menschen sind auf der Suche nach möglichst viel Anerkennung, Erfolg, Reichtum und Besitz lieblos geworden. Anderen war es besonders wichtig, alles im Leben zu optimieren und zu kontrollieren, oft sogar sich selbst. Auch das hat sie lieblos gemacht. Manche wünschen sich, von anderen gebraucht, von ihnen beschützt und umsorgt zu werden Aber es ist nicht liebevoll, die Verantwortung für sich selbst an andere abzugeben. Auch dann nicht, wenn es sich dabei um Götter, Herrscher oder andere Mächtige handelt.

Gern dürfen Sie dieser Aufstellung noch weitere Vorstellungen davon hinzufügen, worauf es im Leben ankommt. Keine einzige davon trägt dazu bei, dass jemand, indem er ihr konsequent folgt, davon gesund bleibt oder schneller wieder gesund wird. Die meisten dieser Vorstellungen sind bestenfalls dazu geeignet, das krankmachende Leben, das wir führen, noch ein paar Jahre länger auszuhalten.

Ja, ich meine es ernst! Was die Pest im Mittelalter war, sind in den heutigen, hoch entwickelten Industriestaaten die immer häufiger werdenden chronischen körperlichen oder psychischen Erkrankungen. Die bekommt man aber nicht von Rattenflöhen und irgendwelchen von ihnen übertragenen Erregern, sondern weil es zu viele Menschen gibt, die ihre Freude, ihre Lebendigkeit und alle spielerische Leichtigkeit hinreichend nachhaltig und oft über viele Jahre hinweg unterdrückt haben, um so perfekt wie möglich zu funktionieren: als Lebenspartner, als Kind ehrgeiziger, oft auch noch zerstrittener Eltern, beim ständigen Wettbewerb um Bedeutsamkeit, um Macht und Einfluss und die besten Positionen – in der Schule, im Berufsleben, oft auch in allen anderen Bereichen unseres Zusammenlebens. Weil so viele Menschen lieblos mit sich selbst umgehen, werden so viele von ihnen krank.

Auch die Erreger der Pest, die von Rattenflöhen übertragen wurden und die den Bewohnern ganzer Landstriche im Mittelalter den Tod brachten, waren nur vordergründig die Ursache dieser verheerenden Epidemie. Die Pesterkrankungen waren in Wirklichkeit eine zwangsläufige Folge der katastrophal unhygienischen Verhältnisse, unter denen die Menschen in den damaligen Städten lebten. Sie bildeten den idealen Nährboden, auf dem die Ratten sich ungehindert ausbreiten und prächtig gedeihen konnten. Weil die religiösen Anführer damals meinten, Katzen seien Verbündete des Teufels, wurden diese natürlichen Rattenbekämpfer nun auch noch massenhaft umgebracht. Hinzu kam, dass sich die Bewohner dieser Städte einfach nicht darum kümmerten, ihre Behausungen von Ungeziefer freizuhalten – weil ihnen etwas anderes viel wichtiger war: den Reichen all das, wovon sie glaubten, dass es sie glücklich macht, und den Armen die Vorstellung, in diesen mittelalterlichen Städten besser und glücklicher leben zu können als in den Dörfern, aus denen sie kamen. Lieblosigkeit überall.

Ja, atmen Sie jetzt gern tief durch. Das ist eine etwas andere Betrachtungsweise als die, die Sie bisher in den meisten Gesundheitsratgebern...