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Hidden Tales - Die unglaubliche Geschichte der Hanna S.

Hidden Tales - Die unglaubliche Geschichte der Hanna S.

Shada Astart, Dr. Karsten Beuchert, Benyamen Cepe, Elisa Bergmann, Bettina Ickelsheimer-Förster, Detlef Schirrow, Lyakon, Jasmin Jülicher, Nadine Roth, Alicia-Veronique Gröning, Eva von Kalm

 

Verlag Shadodex-Verlag der Schatten, 2021

ISBN 9783946381990 , 240 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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3,49 EUR

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Hidden Tales - Die unglaubliche Geschichte der Hanna S.


 

© Detlef Schirrow


 

1

 

Hoogs klingelte pünktlich am Montagmorgen um fünf Uhr an meiner Wohnungstür. »Kommen Sie, Doktor Walken!«, sagte er, winkte und schritt leichtfüßig die Treppe hinab. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«

Shayan Hoogs war Berater der Polizei und wurde immer dann hinzugezogen, wenn nicht sofort ein Lösungsansatz für die Aufklärung eines Verbrechens zu erkennen war. Er wohnte eine Etage über mir. Gestern Abend gegen zehn Uhr rief er an und fragte, ob ich Interesse hätte, mit ihm einen mysteriösen Fall zu untersuchen. Ich war sofort Feuer und Flamme, wenn ich auch das damit verbundene frühe Aufstehen nicht mochte.

Vor dem Haus wartete bereits ein Polizeiwagen auf uns. Regenwolken, die von einem starken Wind getrieben wurden, rasten über den Himmel und kündigten einen ungemütlichen Maitag an.

»Wohin fahren wir?«, fragte ich, als wir im Auto saßen und die Stadt in Richtung Süden verließen.

»Nach Teterow«, sagte Hoogs und holte seine Zeitungen heraus. »Im Umland der Stadt findet eine Ausgrabung statt, und dort werden wir uns umsehen.«

»Eine illegale Ausgrabung?«

»Nein, mein lieber Freund, die Ausgrabung ist nicht illegal. Dort wurde aber eine Leiche gefunden. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Und da wir eine knappe Stunde Autofahrt vor uns haben, können wir uns diese Zeit mit der Zeitungslektüre verkürzen.« Damit reichte er mir zwei seiner recht umfangreichen Printexemplare und begann dann, in den ihm verbliebenen Journalen zu blättern.

Als der Wagen von der Hauptstraße in einen Waldweg bog, wurde die Fahrt holpriger. Der Fahrer verminderte die Geschwindigkeit und hielt nach irgendetwas Ausschau. Schließlich winkte uns eine junge Frau an den Wegrand.

»Guten Morgen!«, sagte sie, nachdem wir ausgestiegen waren. »Ich bin Diana Brenner. Einer von Ihnen muss Shayan Hoogs sein.« Sie blickte uns abwechselnd an.

»Ich bin Hoogs, und das ist mein werter Freund und Kollege Doktor Walken.«

Kollege war wohl etwas übertrieben. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt als Privatdozent, assistiere meinem Freund aber allzu gern bei seinen Einsätzen, weil es immer recht interessant zugeht und sehr lehrreich ist.

»Gut«, sagte sie. »Der Fundort der Leiche liegt etwa zweihundert Meter in dieser Richtung.« Dabei zeigte sie mit dem ausgestreckten Arm in den Wald hinein.

»Ich hatte hier eigentlich Hauptkommissar Laurencz erwartet«, sagte Hoogs.

»Der Chef hat wichtige Termine. Deshalb hat er mich gebeten, Sie einzuweisen. Ich bin seine neue Assistentin.«

»Auch recht.« Hoogs nickte. »Schreiten wir also zur Besichtigung.«

Während wir einem Pfad zwischen den Bäumen hindurch folgten, erklärte Brenner: »Dort, wo wir jetzt hingehen, sollte ein neues Gewerbegebiet erschlossen werden. Während des Vermessens wurden aber in einem Abschnitt alte Mauerreste entdeckt. Deshalb mussten Spezialisten herangezogen werden. Es folgten archäologische Grabungen, um festzustellen, ob eventuell geschichtliche Funde gesichert werden müssten.«

»Wer führt diese Grabungen durch?«

»Studenten und Wissenschaftler von der Humboldt-Universität zu Berlin. Auch Leute aus Teterow beteiligen sich daran. Am Samstag haben sie in einem verschlossenen Kellergewölbe die Leiche entdeckt.«

»Wie haben sie die Leiche entdeckt?«, fragte Hoogs.

»Einer der Wissenschaftler, ein Josha Kaminski, ist vor Ort und kann Ihnen das genau erklären. Sie haben versichert, dass sie alles genauestens dokumentiert und zum Teil auch auf Video aufgenommen haben.«

»Damit sie beweisen können, dass der Fund nicht kontaminiert wurde«, stellte Hoogs fest und nickte.

»Genau. Jedenfalls fanden sie in dem Kellergewölbe drei Kammern, die zugemauert waren. Sie haben die Wände abgetragen, wobei sie jeden Stein einzeln gekennzeichnet und seine genaue Lage in einer Zeichnung festgehalten haben«, erklärte sie, während wir uns einer kleinen Lichtung näherten. »Da wären wir. Der Fundort befindet sich dort unter dem Zelt.« Leichter Nieselregen setzte ein. Brenner blickte zum Himmel, kräuselte die Nase und sagte: »Wir sollten uns beeilen.«

Im Gänsemarsch bewegten wir uns über ausgetretene Pfade und balancierten über einige Bretter bis zum Zelt, das von einem Absperrband der Polizei umgeben war.

Darin saß ein junger Mann an einem Campingtisch und tippte etwas in seinen Laptop. Frau Brenner stellte ihn uns als Josha Kaminski vor.

»Ich zeige Ihnen erst einmal, wo wir den Toten gefunden haben«, sagte Kaminski, öffnete eine in den Boden eingelassene Klappe, die er vorher aufwendig entriegelte, und stieg dann eine Leiter hinab. »Kommen Sie!«, rief er hinauf. »Wir haben überall Strahler aufgestellt, damit alles zu sehen ist und gefilmt werden konnte.«

Unten angelangt fiel mir sofort der muffige Geruch auf. Von oben war das Trommeln eines Schauers auf das Zeltdach zu hören.

»Dort drüben«, sagte Kaminski und wies auf die Wand hinter uns, »sehen Sie drei Kammern, die ursprünglich alle zugemauert waren. Die Steine wurden abgetragen, zuerst von der rechten Kammer, einen Tag später von der mittleren und wieder einen Tag später von der linken.«

»Das hat lange gedauert«, sagte ich.

»Ja.« Kaminski nickte. »Es musste alles genauestens dokumentiert werden, um später beweisen zu können, dass der Fund wirklich bis zu diesem Zeitpunkt unberührt gewesen war. Dann mussten Messungen mit Sonden vorgenommen werden. Erst danach konnten die Steine entfernt werden. Im Inneren jeder Kammer fanden wir einen Steinsarg. Das Öffnen derselben nahm ebenfalls viel Zeit in Anspruch.«

»Aus den genannten Gründen«, sagte ich.

»Richtig. Im ersten Sarg fanden wir ein Skelett. Alles wurde dokumentiert, gefilmt, fotografiert. Die Aufregung war groß, wie Sie sich vorstellen können. Doktor Dorfmann, der Leiter unseres Teams, ordnete sofort an, dass nichts von dem, was wir gesehen hatten, bekannt werden dürfte. Dann rief er in Berlin an und forderte zusätzliche Leute mit Ausrüstung an. Der zweite Sarg war leer. Das dämpfte den Enthusiasmus der Beteiligten aber nur wenig. Als wir am dritten Tag die letzte Kammer öffneten …«

»Entschuldigen Sie, wenn ich hier kurz unterbreche«, sagte Hoogs. »Wie wurden die Räumlichkeiten gesichert, wenn sie abends nach Hause fuhren?«

»Nach Beendigung der Arbeiten wurde alles fotografiert, um den Zustand des Fundortes beim Verlassen zu dokumentieren. Die Luke oben wurde geschlossen, verriegelt und versiegelt. Am nächsten Morgen wurde zuerst das Siegel geprüft, dann stieg Doktor Dorfmann mit einem der Assistenten hinab – jeden Tag mit einem anderen – und prüfte anhand der Fotos vom Vorabend, ob alles unverändert geblieben war. Erst nachdem das auch protokolliert war, durften die anderen hinunter und ihre Arbeit fortsetzen.«

»Hm, das Öffnen der Grabkammern, einschließlich der Särge, erfolgte also innerhalb von drei Tagen«, sagte Hoogs. Dann ging er zur dritten Kammer. »Und in diesem Sarg wurde die Leiche gefunden?«

»Richtig. Das Sonderbare daran war, dass die männliche Leiche nicht ausgestreckt in dem Sarg, sondern zusammengerollt auf der Seite lag, in einer Fötus-Haltung sozusagen. Außerdem trug er einen Kittel, einen weißen Kittel.« Kaminski wies auf den leeren Sarg. »Die Leiche zeigte keine Verwesungserscheinungen. Der Gerichtsmediziner sagte, der Mann sei noch keine zwei Tage tot.«

»Hatte er irgendwelche Dokumente bei sich? Weiß man, wer er war?«

»Nein.« Kaminski blickte still vor sich hin und überlegte. »Aber es gab noch andere seltsame Entdeckungen«, sagte er dann.

»Was war das?«, fragte Hoogs, während er in die Kammer ging und die Wände und den Fußboden inspizierte.

Ich folgte ihm neugierig.

»Die Wände sind aus großen Natursteinen«, sagte Kaminski, während er die Kammer ebenfalls betrat und Hoogs beobachtete. »Sie sind etwa einen halben bis einen Meter dick. Es ist nicht möglich, durch die Wände einzudringen und danach alles wieder in den Urzustand zu versetzen, ohne dass etwas bemerkt werden würde, obendrein innerhalb weniger Stunden. Auch unter der Kammer gibt es keine Hohlräume. Das wurde alles bereits geprüft.«

»Was waren die anderen Sonderbarkeiten?«

»Ein Locher.«

»Wie bitte?« Hoogs blieb stehen und sah Kaminski mit hochgezogenen Brauen an.

»Stellen Sie sich die Situation vor!«, sagte Kaminski. »Die Funde in der ersten Grabkammer, zu denen über vierzig Schmuckstücke aus Gold und Bernstein gehörten, deuteten nach erster Schätzung darauf hin, dass wir es mit einer Grabstätte zu tun hatten, die vor tausend bis tausendfünfhundert Jahren angelegt wurde. Als Doktor Dorfmann aber sah, dass die Leiche im dritten Sarg aus der Gegenwart stammen musste, wurde er wütend. Nein, er wurde fuchsteufelswild. Er schlug mit der Faust in die Luft und trat mit dem Fuß einen imaginären Ball und musste sich beherrschen, keinen Schrei auszustoßen. Dabei traf er einen Gegenstand, den wir erst für einen Stein gehalten hatten. Als Doktor Dorfmann erstarrte und unverwandt dieses Ding ansah, erkannten wir, dass es ein Locher war, wie man ihn in jedem Büro vorfindet. Dann schrie er vor Wut und wollte wissen, wer den Fundort kontaminiert hätte, aber niemand meldete sich. Als die Polizei die Kammer kurze Zeit später untersuchte, fanden sie noch einen Tennisball hinter dem Sarg. Und …« Kaminski verstummte und blickte nachdenklich auf die...