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Ludwig v.Wissel - Erlebnisse und Betrachtungen in den Jahren 1848-51, besonders in Beziehung auf Schleswig-Holstein - Aus dem Tagebuch des Brigadiers der Schlewsig-Holsteinischen Artillerie

Ludwig v.Wissel - Erlebnisse und Betrachtungen in den Jahren 1848-51, besonders in Beziehung auf Schleswig-Holstein - Aus dem Tagebuch des Brigadiers der Schlewsig-Holsteinischen Artillerie

Thomas Rohwer, Ludwig von Wissel

 

Verlag Die Maritime Bibliothek, 2022

ISBN 9783754632871 , 204 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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2,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Ludwig v.Wissel - Erlebnisse und Betrachtungen in den Jahren 1848-51, besonders in Beziehung auf Schleswig-Holstein - Aus dem Tagebuch des Brigadiers der Schlewsig-Holsteinischen Artillerie


 

Vorwort des Herausgebers


Im Jahr 2023 wird sich der Beginn der »Schleswig-Holsteinischen Erhebung« zum einhundertfünfundsiebzigstenmal jähren. Für die Geschichte des »Landes zwischen den Meeren« hat dieses historische Datum eine ebenso große Bedeutung wie der Deutsch-Dänische Krieg von 1864, der vollendete, was 1848 begonnen wurde, aber letztlich scheiterte.

Für das Verständnis der eigenen Existenz und der eigenen Situation ist es eine Voraussetzung, die eigene Geschichte und die eigene Herkunft zu kennen. Auch deshalb veröffentlicht die Maritime Bibliothek aus Anlaß des bevorstehenden 175. Jahrestages der Schleswig-Holsteinischen Erhebung und des Beginns des schleswig-holsteinischen Freiheitskampfes eine Reihe von zeitgenössischen Berichten als Neuausgabe. Zu diesen gehört auch der Bericht des hannoverschen Artillerieoffiziers Ludwig von Wissel. Eine kurze Biographie Wissels, der heute fast völlig in Vergessenheit geraten ist, findet sich im Personenregister.

Zum 150.Jahrestag des Krieges von 1864 gab es 2014 etliche Zeitungsartikel und Fernsehsendungen, Bücher und andere Veröffentlichungen mehr. Diejenigen, die in Deutschland dazu veröffentlicht wurden, zielten allem anderen voran darauf, daß »so etwas« (ein Krieg mit dem Zweck der nationalen Einigung bzw. der Durchsetzung der Rechte eines deutschsprachigen Bevölkerungsteils) heute glücklicherweise dank der europäischen Einigung nicht nur völlig unnötig sei, sondern auch als vollkommen unmöglich anzusehen, da der Einsatz militärischer Mittel nicht akzeptabel sei.

Den Sturm der preußischen und österreichischen Truppen, die zum zweiten mal binnen 16 Jahren den von Dänemark bedrängten Schleswig-Holsteinern zur Hilfe kamen, auf die Düppeler Schanzen 1864 betrachtet man heute überwiegend als tragisches und grundsätzlich überflüssiges Kriegsereignis, das viele Menschenleben kostete. Daß es sich dabei durchaus um einen Befreiungskrieg gehandelt hat, wird heute fast vollständig ausgeblendet.

Der wichtigste Grund dafür dürfte sein, daß nach den Erfahrungen des Ersten und vor allem des Zweiten Weltkrieges die Vorstellung, preußisches Militär sei für die Bürgerrechte von Menschen ins Feld gezogen, abwegig erscheint. Im deutsch-dänischen Konflikt - der in Wahrheit in erster Linie immer ein schleswig-holsteinisch-dänischer Konflikt war - sind aus heutiger Sicht die »kleinen Dänen« das Opfer, während das »große Deutschland« als Aggressor gesehen wird. Das ist nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf Dänemark 1940 auch nachvollziehbar, blendet aber nichtsdestotrotz wesentliche historische Tatsachen aus.

Das deutsche Kaiserreich, in dem Schleswig-Holstein nach 1866 als preußische Provinz im Jahr 1871 endgültig aufging, war keine Musterdemokratie nach heutiger Vorstellung, es war aber ein moderner mitteleuropäischer Rechtsstaat und musste sich hinter den Verhältnissen im Königreich Dänemark in keiner Hinsicht verstecken. Im Gegenteil: die Verhältnisse im deutschen Kaiserreich von 1871 waren toleranter als die in Dänemark noch bis zur Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. So gab es in Dänemark eine regelrechte protestantische Staatsreligion, die immensen Einfluss auf alle Bereiche des Staates und auf die Gesetzgebung hatte, während im Deutschen Reich traditionell die Religionsfreiheit hochgehalten wurde. Auf dem Gebiet des heutigen Schleswig-Holsteins und insbesondere im nördlichen Landesteil, dem Herzogtum Schleswig, trat Dänemark zwischen 1815 und 1864 als Kolonialmacht auf, die eine rücksichtlose »Danisierung« des Landes betrieb und die mehrheitlich deutsche Bevölkerung unterdrückte. Der Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit wurde in vielen Bereichen verboten, insbesondere auch in den Schulen, wo mit Einsatz der Prügelstrafe Kindern die dänische Sprache aufgezwungen wurde, obwohl sie aus deutschsprachigen Familien kamen, die in einem deutschsprachigen Gebiet lebten. Beamte, die sich zu ihrer deutschen Herkunft bekannten, wurden aus dem Staatsdienst entlassen, und sogar das Singen des Schleswig-Holstein-Liedes bei Strafe verboten.

Die Geschichte Schleswig-Holsteins ist insofern auch eine Geschichte vielfältiger dänischer Übergriffe gegen die einheimische Bevölkerung, wobei es bemerkenswerterweise viel weniger die dänische Monarchie war, die sich derartig imperialistisch verhielt, sondern die Kreise der »Nationalliberalen« in Dänemark. Bei genauerer Betrachtung verwundert das indessen nicht, denn die europäischen Königs- und Fürstenhäuser hatten jahrhundertelange Erfahrung damit, wahre Flickenteppiche von Sprach- und Kulturgebieten zu regieren, und taten dies meist mit einer beachtlichen faktischen Toleranz gegenüber den jeweiligen Einwohnern. Die Idee des »Nationalstaates« mit einem  einheitlichen Staatsvolk und einer Staatssprache ist dagegen vor allem eine republikanische Idee.

In der dänischen Betrachtung der Ereignisse von 1864 und den Jahren davor, die anläßlich des Jubiliäumsjahres 2014 auch in Deutschland zu sehen waren, fehlt es in dieser Hinsicht durchaus an Selbstkritik, man findet viel Bedauern darüber, daß Dänemark im Krieg gegen Preußen und Österreich einen beträchtlichen Teil seines Staatsgebietes verloren hat, aber wenig über die berechtigten Wünsche des deutschen Bevölkerungsteils, die dänische Oberherrschaft abzuschütteln und sich in Richtung Deutschland zu orientieren. Nicht vergessen sollte man dabei schließlich, daß um 1848 gut ein Drittel der Bevölkerung Dänemarks deutschsprachig war und sich die allermeisten dieser Menschen als Deutsche empfanden, nicht als Dänen.

Die Geschichte der »Schleswig-Holsteinischen-Erhebung« ist die Geschichte eines gescheiterten Freiheitskampfes der Schleswig-Holsteiner, der nicht zufällig im Revolutionsjahr 1848 ausbrach. Preußen wurde damals noch nicht von einem Staatsmann wie Otto von Bismarck geführt, der als Realpolitiker die Einigung Deutschlands als wichtigste langfristige Aufgabe der preußischen Außenpolitik ansah. Preußen war eine kleine europäische Mittelmacht, nicht wirklich stärker als das Königreich Hannover oder das Königreich Sachsen. Das Sagen in der europäischen Sicherheitspolitik hatten andere: England, Rußland, Frankreich und Österreich. Und keinem von denen passte ein unabhängiges deutsches Schleswig-Holstein ins Konzept, geschweige denn eines, das Anschluss an Preußen und die anderen deutschen Mittel- und Kleinstaaten suchen würde.

1864 wurde der Krieg Preußens und Österreichs und anderer deutscher Staaten, völlig zu recht als »Deutsch-Dänischer Krieg« bezeichnet, zur Geburtsstunde eines vereinten deutschen Schleswig-Holsteins. Zankapfel blieben die »nord-schleswigschen Gebiete«, in denen ein starker dänischer Bevölkerungsanteil lebte, der sich plötzlich unter deutscher Herrschaft wiederfand, so wie die Menschen in den weiter südlichen Gebieten Schleswig-Holsteins jahrzehntelang unter dänischer Herrschaft leben mussten.

Nach dem vom Deutschen Kaiserreich verlorenen Ersten Weltkrieg kam es zu einer Grenzkorrektur im Schleswig’schen, die auf einer Volksabstimmung beruhte und längerfristig den Konflikt befriedete. Es mag im ersten Moment sehr zynisch klingen, aber die Besetzung Dänemarks durch das »3.Reich« 1940 bis 1945 dürfte selbst bei eingefleischten Nationalisten das unterschwellige Gefühl beendet haben, man habe noch »eine Rechnung mit Dänemark« offen. Nach 1945 und vor allem im Rahmen der Europäischen Union und mit umfangreichen Schutz der jeweiligen Minderheitenrechte ist heute eine gute und unaufgeregte Nachbarschaft zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark möglich

Alle paar Jahre einmal rauscht kurz eine extreme Meinung dazu durch den Blätterwald, mal in Dänemark, mal in Schleswig-Holstein. Das erzeugt dann auf beiden Seiten der Grenze zuverlässig eine flächendeckende Reaktion »Was soll denn das jetzt? Gibt es denn keine anderen Probleme?« Als ein arg nationalistisch verblendeter dänischer Politiker Ende der 1990er Jahre Anstoß daran nahm, daß der deutsche Rettungsdienst dänische Patienten aus dem dänischen Grenzgebiet nach Flensburg transportierte statt ein dänischer Rettungsdienst in viel weiter entfernte dänische Krankenhäuser, da waren es die dänischen »Grenzlandbewohner«, die ihrem Landsmann empört den Vogel zeigten. Auf dem Weg in die Notaufnahme ist Tempo dann doch klar wichtiger als Nationalstolz.

Zu einer guten Nachbarschaft gehört, niemand weiß das besser als die Schleswig-Holsteiner im Landesteil Schleswig und die Dänen im südlichen Jütland, eine klare Grenze mit einem niedrigen Gartenzaun, in dem es eine unverschlossene Pforte gibt. Bei Bedarf leiht man sich mal ein Werkzeug aus, man nimmt ein Paket für den Nachbarn an, und einmal im Jahr macht man eine unspektakuläre gemeinsame Grillparty. Ansonsten lebt man friedlich nebeneinander her, amüsiert sich über die jeweiligen schrulligen nationalen Eigenheiten, und rückt sich um Himmels Willen nicht zu dicht gegenseitig »auf die Pelle«. 

Daß die zum viel größeren Deutschland gehörenden Schleswig-Holsteiner generell nicht dazu neigen, aufdringlich gegenüber anderen Menschen zu sein, erleichert dieses angenehme »Nebeneinanderherleben« überdies erheblich. Wie sehr die jahrhundertelange Spaltung des Landes heute überwunden ist, lässt sich auch daran erkennen, daß die meisten Menschen im nördlichsten Bundesland heute auf Nachfrage erklären werden, daß sie sich erstens als Schleswig-Holsteiner, zweitens als Deutsche und drittens dann als irgendetwas sonst empfinden. Nur wenige Menschen würden sagen »Ich bin Schleswiger« (außer denen, die in der Stadt Schleswig leben), und wer sich als »Holsteiner« definiert, der verwendet den Begriff als Kurzform und nicht als Zeichen für einen besonderen holsteinischen...