Suchen und Finden

Titel

Autor

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Bruder Tier - Mensch und Tier in Mythos und Evolution

Bruder Tier - Mensch und Tier in Mythos und Evolution

Karl König, Richard Steel

 

Verlag Verlag Freies Geistesleben, 2022

ISBN 9783772545245 , 351 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

24,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Bruder Tier - Mensch und Tier in Mythos und Evolution


 

Einleitende Gedanken zur Neuauflage


von Imanuel Klotz

Du führst die Reihe der Lebendigen

Vor mir vorbei, und lehrst mich meine Brüder

Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.

Goethe, in Faust, «Wald und Höhle»

Das Einmalige des vorliegenden Werkes Bruder Tier besteht darin, dass Karl König die Erscheinungen der Sinneswelt nicht nur mit dem üblichen wissenschaftlichen Blick betrachtet, sondern gleichzeitig mit dem jungen, in der Menschheit allmählich erst erwachenden Herzensdenken, das ihm ein besonderes Anliegen war.1 Schon zu Beginn seiner Studienzeit – die er vor dem Medizinstudium mit Zoologie begann – hatte er sich an der damit in Zusammenhang stehenden Anschauungsweise Goethes orientiert, die in den hier vorliegenden Aufsätzen auch immer wieder erwähnt wird. Ein typisches Symptom für dieses an sich noch zukünftige Herzensdenken ist das Ausreifen des zu behandelnden Themas. König schreibt das Werk in den letzten zehn Jahren seines Lebens als Frucht eines lebenslangen Strebens, dessen Wurzeln bis in seine Jugendjahre reichen, in denen er früh seine Fähigkeit zu schulen versuchte, moderne wissenschaftliche Exaktheit mit gott- und geistergebenem Erkennen zu verbinden. Wir können diesen Weg erahnen, wenn wir nicht nur Königs naturwissenschaftliches Studium als Hintergrund bedenken, sondern uns zudem den geistigen Hintergrund seines Denkens und seine starke Empathiefähigkeit vergegenwärtigen.

 – verließen ihn nie. Eine kleine Episode, die seine Mutter 1966, im jüdischen Altersheim in London lebend, in ihren Memoiren3 festhielt, kann dies anekdotisch verbildlichen:

Einmal kam mein Sohn die ganze Nacht nicht nach Hause; wir dachten, er schläft vielleicht bei den Bergels. In der Früh kam er zerzaust und schmutzig. ‹Ja, wo warst du denn?› Da sagte er: ‹Bei der Polizei.› Der Grund? Er hielt im Stadtpark einen Vortrag, wie schlecht die Tiere hier behandelt werden. Der Schinder kommt und fängt die Hunde ein auf grausame Art … Das war immer ein jämmerliches Heulen. Und so hielt mein Sohn einen Vortrag im Stadtpark darüber, eine große Menschenmenge sammelte sich um ihn, und das war in Wien streng verboten. So kam der Polizist und arretierte ihn von der Stelle weg, er durfte uns nicht einmal anrufen. Das ist der österreichische Polizeistaat im Gegensatz zu England, wo jeder Mensch im Hyde Park sprechen kann, ohne belästigt zu werden.

1902 in Wien als Kind jüdischer Eltern geboren und dort aufgewachsen, beginnt Königs Entwicklung im Judentum, von dem er sich eigenständig bereits als Zwölfjähriger zu lösen beginnt, sich zum Christentum wendet und sich sechzehnjährig in der katholischen Kirche taufen lässt, jedoch bald aus der konfessionellen Bindung herauswächst.

Ich habe in den letzten Tagen etwas durchlebt; was noch niemals in mir war. Die Umwelt ist für Stunden von mir gefallen, und ich habe das Innerste erblickt: ich habe erfasst, dass wir teilhaben am ganzen All der Ewigkeit, dass das Ich das All-Eine ist. In diesen Stunden kam mir mein Bewusstsein viel größer und weiter als die Sterne vor. Die Zeit dauerte sehr sehr lange. Mir war, als hätte ich erst in diesen Stunden das Denken erfasst.5

Hiermit deutet Karl König die geistige Pforte an, die er auf dem Weg zu seinen akademischen Studien an der Universität Wien durchschritt. Als Realschüler musste er zunächst das Latinum nachholen. Er hörte währenddessen auch Vorlesungen über Botanik, Zoologie, experimentelle Zoologie und Biologie sowie zwei Semester lang auch Physik, Chemie und höhere Mathematik. Bei all dem pflegte er von Jugend an eine intensive Auseinandersetzung mit der Dichtung und der Musik; liebte insbesondere Beethoven, Bruckner und Mahler, spielte auch sehr gerne Klavier, sodass die Musik ein zentrales Element in seiner Bildung ausmachte und er sogar den Beruf eines Dirigenten in Betracht zog. Aber sein Interesse für das Wesen des Menschen und sein entschiedener Heilerwille, in dem er aber den Menschen nie nur für sich, sondern immer auch im sozialen Zusammenhang sah, führten ihn zum Medizinstudium.

Das materialistische Meer wird auf mich einstürmen. Aber ich will standhalten. Die Welt und das All sind voll von Gott und voll von Engeln und Wundern, voll von Güte und Zorn und voller Willen.

Als er sich dann auf die mathematisch-materialistischen Anschauungen und Forschungen einließ, wie sie im Fach Medizin nötig sind und gefordert werden, begegnete er Goethe, den er bis dahin nur als Dichter kannte und schätzte, nun auch als Naturforscher. Damit wird ihm der Geist des wahrhaft Lebendigen, den er im Bereich des Denkens bereits ergriffen hatte, auch in naturwissenschaftlicher Hinsicht greifbar.

[Goethes] botanische und anthropologisch-morphologische Darstellungen wirkten auf mich wie eine Erlösung. Hier fühlte ich mich unmittelbar angesprochen, das waren die Tore, die zu möglichen Antworten führen werden. Ich begegnete in den Goethe’schen Anschauungen über die Natur etwas, das mein Denken […] belebte. […] Nun erst wurde das Studium der Anatomie, der Embryologie und Histologie zu einem täglichen Quell innigster Freude. Knochen und Muskel offenbarten mir neue Welten. Die Idee der Metamorphose ergriff mich tief, und ich lernte ahnend das Walten der Bildekräfte der Natur kennen. So begann ich auch die Identität, die zwischen diesen Bildekräften und unseren Gedanken besteht, zu erfassen. Draußen in der Natur wirken diese bildenden Kräfte so, dass sie alle organischen Formen entstehen lassen. Drinnen, in der menschlichen Seele aber, sind sie die Bildner unserer Gedanken und Ideen.6

So entsteht Königs Menschenbild zwischen einem geisterfüllten Kosmos und dem natürlichen Leben von Pflanze und Tier auf der Erde. Dabei richtet er seinen Blick auf das Werden des Menschen im Bereich der Embryologie und Evolution. Durch seine damaligen tiefen Fragen kann man sich vielleicht daran erinnert fühlen, wie genau einhundert Jahre zuvor7 solche Fragen in Charles Darwin lebten, der aber bewusst alles Künstlerische ausschloss, verbannte, das davor ebenso eine Rolle in seinem Leben gespielt hatte, um sich ganz der naturwissenschaftlichen Forschung hinzugeben, was er aber im Alter bereute.8

Ich lernte die Wege der sogenannten exakten Forschung kennen – und – unterrichtete […] Hunderte von Studenten in der Kunst des Mikroskopierens; vor allem aber wurde mir die Entwicklung und Ausgestaltung des menschlichen Embryo gründlich vertraut.9

Das phylogenetische und ontogenetische Grundgesetz beschäftigte ihn und lenkte seinen Blick auf die spirituellen Aspekte der Evolution von Mensch, Erde und Welt. Im gegenwärtigen Tierreich schaute er auf längst vergangene Stufen der Menschwerdung, welche das Tier wie ein zurückgebliebener Bruder des Menschen bewahrt. Aus dem Geist einer solchen Anschauung, die von dem Prinzip des durch Pflanze und Tier zum Menschen aufsteigenden Lebens durchdrungen ist, betrachtet Karl König das Tierreich, woraus der Titel Bruder Tier hervorgeht. Es handelt sich um ein uraltes, aber von uns heute in neuer Form zu erringendes Mysterienprinzip, an dem Karl König von den allerverschiedensten Seiten lebenslang gearbeitet hat. Hier steht das Tier in der Mitte zwischen Mensch und Pflanze. Eine knappe Beschreibung dieses Mysterienprinzips, von Rudolf Steiner geschildert, sei hier angeführt. Ausgehend von der Fortpflanzung im Bereich der Pflanzen beschreibt er:

Wer in die tieferen Beziehungen eindringt, betrachtet die Pflanze als einen umgekehrten Menschen. Sie hat unten die Wurzel, dann nach oben den Stängel, Blätter, Staubgefäße und Stempel; die Stempel enthalten die weiblichen, die Staubgefäße die männlichen Befruchtungsorgane. In naiver Unschuld streckt die Pflanze die Befruchtungsorgane der Sonne entgegen, denn die Sonne ist die Befruchtungskraft. Die Wurzel ist in Wahrheit das Haupt der Pflanze, welche die Befruchtungsorgane in den Weltenraum hinausstreckt und deren Kopf von dem Innern des Erdzentrums angezogen wird. Der Mensch ist umgekehrt, er hat das Haupt oben und die Organe, die die Pflanze zur Sonne hinaufstreckt, unten. Das Tier steht in der Mitte, es hat den Leib horizontal. Wird die Pflanze halb gedreht, so ergibt sich die Stellung des Tieres, wird sie ganz umgedreht, die des Menschen. Das hat die alte Geheimwissenschaft in einem uralten Symbol ausgedrückt, im Kreuz, und hat gesagt, wie Plato es nach den alten Mysterien ausdrückt: Die Weltenseele ist ans Kreuz des Weltenleibes geschlagen. – Das heißt, die Weltenseele ist in allem enthalten, aber sie muss sich hinaufarbeiten durch diese drei Stufen hindurch; sie macht ihre Reise am Kreuz des Weltenleibes durch.10

Erdenkreuz der Weltenseele, nach einer Zeichnung Rudolf Steiners11

Diesen Zusammenhang behandelte Rudolf Steiner in der Zeit 1905/06 öfter; zum Beispiel auch in einem Vortragszyklus in Paris über Kosmogonie.12 Hier kann uns eine Formulierung besonders interessieren:

Nehmen wir einmal an, wir sähen zwei Brüder, von denen der eine intelligent und schön, der andere hässlich und beschränkt ist. Was würde man von einem Menschen sagen, der glauben würde, dass der intelligente Bruder von dem idiotischen abstamme? Auf dieser Linie liegt der Irrtum des Darwinismus in Bezug auf die Rassen. Der Mensch und das Tier...