Suchen und Finden

Titel

Autor

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Mundtot (Ein Ella-Dark-Thriller - Band 4)

Mundtot (Ein Ella-Dark-Thriller - Band 4)

Blake Pierce

 

Verlag Lukeman Literary Management Ltd., 2022

ISBN 9781094347844 , 250 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

Geräte

4,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Mundtot (Ein Ella-Dark-Thriller - Band 4)


 

 

 

 

2. KAPITEL


 

 

Plötzlich fand sich Ella in den verwinkelten Gängen des Gefängnisses wieder. Sie wurde von zwei Wärtern begleitet, die sie durch die feuchten Tunnel und über zwei Treppen ins Untergeschoss hinunterführten. Durch die Glasscheiben in den Zellentüren starrten ihr Gesichter entgegen. Andere Wärter beäugten sie, als wäre sie eine neue Insassin, die eingewiesen wurde. Es passierte alles schneller als sie Zeit hatte, es zu begreifen.

»Miss, Sie kennen die Vorschriften, richtig?«, fragte sie einer der Wärter.

Auf dem Schild neben ihnen stand AB HIER ROTE ZONE. »Vorschriften?«

»Halten Sie eineinhalb Meter Abstand zur Scheibe. Reichen Sie nichts durch die Scheibe durch. Halten Sie Ihr Gespräch kurz. Sollten Sie diese Vorschriften missachten, ist die Strafvollzugsbehörde von Maine für jegliche Verletzungen oder Todesfälle nicht verantwortlich. Verstanden?«

Der Wärter öffnete mit seiner Schlüsselkarte die Stahltür. Ella starrte erneut in die Höhle des Löwen und konnte es kaum glauben, dass sie es tatsächlich bis hierher geschafft hatte. »Ja. Verstanden«, sagte sie.

Dann schloss sich die Tür und sie war allein.

Ella hatte keine Ahnung, wie er es angestellt hatte, oder warum, aber plötzlich stand sie im Sektor namens Roten Zone im Maine State Prison vor Tobias Campbells gläserner Zelle. Campbell war der einzige Insasse in diesem Sektor und wurde aus Sicherheitsgründen von allen anderen im Gebäude ferngehalten. Zum doppelten Schutz war der Glaskasten mit Eisenstangen umgeben.

Campbell saß auf dem Boden in seiner überraschend kahlen Zelle. Seine Malutensilien, Miniaturpferde und anderen Gegenstände waren verschwunden. An der Tür zur Roten Zone verabschiedeten sich zwei uniformierte Sanitäter und eine Handvoll Wärter, wenn auch zögerlich. Die Verwirrung übermannte ihre Angst, und ihr geprobter Monolog war fast gänzlich aus ihrem Kopf gelöscht.

»Was zum Teufel war das gerade?«, war alles, was sie sagen konnte.

Tobias stand auf und lächelte. Sein rasierter Kopf glänzte unter dem blendend weißen Licht seiner sterilen Kammer. Sie sah dieses kranke Grinsen, das sie unzählige Male in ihren Träumen gesehen hatte, und der bloße Anblick weckte Gefühle, die sie am liebsten nie wieder ertragen würde. Hinter ihr stand eine gläserne Zelle ohne Insassen in der Dunkelheit verhüllt. Selbst jetzt musste sie sich die Frage stellen: Wie bin ich nur wieder hier gelandet?

»Agent Dark, ich bin so froh, dass Sie zurückgekommen sind.« Campbell strich sich seitlich mit den Fingerspitzen über das Gesicht und ließ ein paar Tropfen Blut auf den Boden seiner Zelle fallen. »Übrigens, gern geschehen.«

Ella hatte keine Ahnung, was für ein Spiel dieser Irre spielte, aber aus irgendeinem seltsamen Grund hatte es wohl mit seiner eigenen Verstümmelung zu tun. »Gern geschehen? Für was denn? Was haben Sie gerade getan?«

»Ich habe heute Morgen keinen Besuch erwartet, Miss Dark, aber irgendetwas sagte mir, dass Sie irgendwann noch einmal in meiner bescheidenen Unterkunft auftauchen würden.«

»Okay. Und? Warum bin ich gerade von einem Haufen Wärtern hierher gebracht worden?«

»Hat doch funktioniert, oder?«, lachte Tobias.

»Campbell, mir reicht's mit Ihren Spielchen. Ich will nichts mit Ihnen zu tun haben, und nach diesem Treffen werden Sie nie wieder von mir hören. Ich bin hier, um Antworten zu bekommen, und sobald ich sie habe, bin ich weg. Haben Sie mich verstanden? Und jetzt erklären Sie mir, was zur Hölle gerade passiert ist.«

»Nicht so hastig«, sagte Tobias. »Erzählen Sie mir von Ihrem kleinen Fall letzte Woche draußen in Kalifornien. Ich habe gehört, Sie haben sich einen Zodiac-Killer geschnappt. Wie war das denn so?«

»Gut. Wir haben ihn innerhalb von drei Tagen gefangen. Und nun fangen Sie an zu reden.«

Tobias näherte sich der Scheibe und fuhr mit dem Finger um eines der Löcher. Ella warf einen genauen Blick auf seine Verletzung. Eine getrocknete Blutspur lief von seinem Ohr aus den Hals hinunter.

»Sehr beeindruckend. Und wie haben Sie das angestellt?«

»Was ist mit Ihrem Ohr passiert?«

»Mit meinem Ohr? Manipulierung, meine Liebe. Der Kern der conditio humana. Wenn ein Kind schreit, weil es seinen Willen nicht bekommt, ist es nicht verärgert; es erlernt bloß die Grundlagen der Verhaltensausbeutung. Das bleibt uns bis zum Erwachsenenleben erhalten, und manche von uns sind darin noch genauso geschickt, wie wir es in unserer Kindheit waren.«

Ella fügte die Teile zusammen. Sie brauchte ein paar Sekunden, und es ergab für sie nicht wirklich einen Sinn. Aber nichts, was dieses Monster tat, ergab für einen rationalen Menschen einen Sinn.

»Sie haben eine Verletzung vorgetäuscht?«

Tobias seufzte und schüttelte langsam den Kopf, als würde er von einer Maschine gesteuert werden. »Nein. Wie ich sehe, sind Sie noch immer nicht in der Lage, sich in die psychopathische Denkweise hineinzuversetzen.«

Ella fragte sich erneut: Warum bin ich hier? Tobias trieb schon wieder sein altes Spiel. Er setzte ihre Fähigkeiten herab und gab ihr das Gefühl, so klein wie eine Feldmaus zu sein. Sie hasste Tobias mit jeder Faser ihres Seins, aber in diesem Moment hasste sie sich selbst noch mehr dafür, dass sie gedacht hatte, dies sei mehr als bloß eine schreckliche Idee gewesen.

»Sehen Sie, Sie haben heute Morgen sehr früh Ihre Wohnung verlassen, Miss Dark. Und Sie sind nicht zur Arbeit erschienen. Da wusste ich sofort, dass Sie innerhalb von wenigen Stunden vor mir stehen würden.«

Ella fiel die Kinnlade herunter und ihre Augen weiteten sich so sehr, dass es schmerzte. Dieser Widerling kannte Details aus ihrem Leben, die niemand außer ihr wissen sollte. Ihre Haut begann am ganzen Körper zu jucken. »Was zur …? Für wen halten Sie sich eigentlich, mir auf diese Weise nachzustellen? Woher, in Gottes Namen, wissen Sie diese Dinge?«

»Die Leute reden mit mir. Das spricht sich schnell herum, vor allem an diesem Ort. Aber jedes Mal, wenn ein hoffnungsvoller FBI-Agent einen Besuch plant, informiert mich die Strafvollzugsbehörde im Voraus, und in letzter Zeit hat sie mich nicht kontaktiert. Das hieß also, dass Sie unangekündigt erscheinen würden.«

Ella hielt inne und dachte, dass dies alles ein einziger langer, hyperrealistischer Alptraum sein musste. Alles, von dem Tag an, an dem sie Tobias kennenlernte, bis zu diesem Moment. Das konnte nicht wirklich ihr Leben sein. Sie fühlte sich so, als wäre sie in der Mitte eines Spinnennetzes gefangen, aus dem sie sich nicht befreien konnte.

»Ich wusste, dass diese lästigen Wärter nicht gegen die Vorschriften verstoßen würden, nicht für eine Anfängerin. Also habe ich, sobald Sie hier waren, etwas List, Verstand und Heimtücke eingesetzt.«

Ella starrte wieder auf Tobias' Verletzung. Frisches Blut lief ihm über die Wange, wie trübes Wasser über ein Blatt. Schnell kam ihr alles wieder in den Sinn. Sie erinnerte sich wieder an die Vorschriften für Gefangene in den Arrestzellen aus ihrer Zeit bei der Virginia PD.

»Sie haben mit Selbstmord gedroht, um mich hier hereinzubringen?«

»Volltreffer«, lächelte Tobias. »Alles, was es dafür brauchte, war, mir einen Bleistift in den Gehörgang zu rammen. Ich sagte ihnen, ich würde mir das Gehirn mit angespitztem Grafit zerstören, wenn sie Sie nicht zu mir bringen.«

Ellas erster Gedanke war, dass die Wärter ihn hätten gewähren lassen sollen, aber sie wusste, dass für jeden Insassen, der mit Selbstmord drohte, Vorkehrungen getroffen werden mussten. »Mein Gott. Aber wieso? Woher wussten Sie, dass ich hier bin?« Die Fragen schwirrten ihr wie wildgewordene Ameisen durch den Kopf.

»Wie schon gesagt, das spricht sich schnell herum. Und ich wollte Sie wiedersehen. Sie sind für mich viel interessanter als diese anderen Idioten, die sie mir in der Vergangenheit geschickt haben.«

Ella wollte weiter nachhaken, aber Tobias das zu geben, was er wollte, war gefährlich. Sie versuchte, sich an die Worte zu erinnern, die sie sich eingeprägt hatte, aber ihr Kopf war völlig leer. »Ach ja?«, fragte sie.

Campbell steckte sich einen Finger ins Ohr und zog einen weiteren Schwall Blut heraus. »Jetzt fängt es an, weh zu tun«, sagte er mit einem Grinsen. »Aber ja. Alle anderen Agenten, die ich kennengelernt habe, waren mittleren Alters und aus der Mittelschicht, mit sehr wenig Persönlichkeit. Unternehmenszombies, die darauf warteten, ihre Rente zu kassieren. Sie sind bloß zu mir gekommen, weil sie jemand dazu verdonnert hatte.«

Ella fragte sich, wer in den Reihen des FBI noch das Vergnügen gehabt hatte, Tobias persönlich zu besuchen. Bis jetzt hatte sie geglaubt, sie sei die Einzige. »Und was macht mich da so anders?«

»Sie sind hier, weil Sie es sein wollen. Sie sind auf der Suche nach Wissen und scheuen nicht davor zurück, in die Tiefe zu graben, um es zu finden. Das finde ich bewundernswert.«

Ella spürte etwas, das an Stolz erinnerte, aber das Gefühlschaos in ihr erstickte die Regung schon nach wenigen Sekunden. Sie sammelte sich wieder und erinnerte sich daran, warum sie hier war. »Tobias, hören Sie auf mit dem Scheiß. Glauben Sie ja nicht, dass ich auf Ihre Spielchen hereinfalle. Diesmal nicht. Warum hing letzte Woche ein totes Tier vor meiner Tür?«

Tobias schnitt eine Grimasse. Sein Hals zuckte. »Was denn für ein Tier?«

Ella hob die Augenbrauen. »Das wissen Sie ganz genau. Tun Sie nicht so unschuldig.«

»Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Miss Dark. Klingt für mich nach einem...