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Wissenschaftsmethodik - Das 1 x 1 fu?r Business-Studierende
Claude Meier, Laurence Polfer, Georges-Simon Ulrich
Verlag Verlag SKV AG, 2024
ISBN 9783286117822 , 206 Seiten
Format ePUB
Kopierschutz Wasserzeichen
1Was ist Wissenschaftlichkeit?
Wie verhält sich ein Unternehmen gegenüber der Konkurrenz am besten, um langfristig erfolgreich zu sein? Die amerikanischen Wissenschaftler Axelrod und Hamilton (1981) legten eine wichtige Grundlage zur Beantwortung dieser Frage, indem sie in ihrer Untersuchung Entscheidungssituationen mittels eines Computerspiels simulierten. In dem Spiel stehen sich jeweils zwei Teilnehmende gegenüber, von denen jeder entweder kooperieren oder nicht kooperieren kann. Es nahmen Forschende der Ökonomie, der Soziologie, der Politikwissenschaft sowie der Mathematik daran teil. Die Teilnehmenden mussten sich nicht nur einmal, sondern mehrmals hintereinander entscheiden, ob sie mit ihrem Gegenüber kooperieren oder nicht kooperieren wollten. Dies entspricht der Situation, wenn zum Beispiel Unternehmen in einem Markt langfristig gegeneinander konkurrieren und daher immer wieder aufs Neue entscheiden müssen, ob sie kooperieren oder nicht. Als die erfolgreichste Spiel-Strategie mit dem höchsten Nutzen für beide Seiten stellte sich die permanente gegenseitige Kooperation heraus. Die tatsächliche Welt der Märkte wird jedoch häufig von erbitterten Preiskämpfen, also von mangelnder Kooperation, und daraus resultierenden Konkursen dominiert. Gemäss den Ergebnissen von Axelrod und Hamilton (1981) ist dieses Verhalten umkehrbar, da Unternehmen gemäss der nutzenbringendsten Strategie grundsätzlich beim ersten Spielzug und auch danach immer kooperieren und dieses Verhalten beibehalten, solange die Konkurrenz ebenfalls kooperiert. Passend angewendet könnten so in der tatsächlichen Welt Preiskämpfe vermieden werden, ohne dass eine illegale Preisabsprache geschehen müsste. Durch dieses experimentelle Computerspiel wurde wissenschaftlich fundiert aufgezeigt, dass sich Kooperation im Prinzip auch zwischen Konkurrenten lohnen kann, da es langfristig die gewinnbringendste Strategie für Unternehmen darstellt (Wilcox, n.d.).
Der Begriff «wissenschaftlich fundiert» bedeutet, dass etwas mittels einer Vorgehensweise, im oberen Beispiel anhand des Experiments im Rahmen des Computerspiels, untersucht wird, die zu zuverlässigen und vertrauenswürdigen Erkenntnissen führt (Hunziker, 2017). Diese Anforderung der «wissenschaftlich fundierten» Vorgehensweise zu erfüllen, ist auch Ziel Ihrer wissenschaftlichen Arbeit, denn nur dann sind Ihre Ergebnisse vertrauenswürdig und können somit weiter genutzt werden.
Vertrauenswürdige und nützliche Ergebnisse
Dieses Kapitel erklärt Ihnen, was das Ziel der Wissenschaft ist und wie die Grundsätze der Wissenschaftlichkeit erfüllt werden.
1.1Die gelebte Welt mittels der Wissenschaft erfassen
Wie bewusst und aufgrund welcher rationaler Überlegungen treffen wir Kaufentscheidungen? Welche Rolle spielen unser Unterbewusstsein und unsere Emotionen? Jede wissenschaftliche Arbeit entspringt einem Interesse an unerklärten oder unbekannten Sachverhalten, wie jenen in den eben genannten Fragen. Die Neugierde ist die Motivation, bei unerklärten und unbekannten Phänomenen neues Wissen zu schaffen und somit eine Wissenslücke zu schliessen.
Um neues Wissen zu schaffen, muss der Sachverhalt wissenschaftlich, das heisst, nach einer gewissen Logik und nachvollziehbar untersucht werden. Das neue Wissen erweitert das bestehende, indem es bis anhin unbekannte Erkenntnisse offenbart. Diese können dann für ähnliche Sachverhalte umgelegt und genutzt werden. So können beispielsweise die Analyseergebnisse des Neuromarketings zur Frage, wie Menschen emotional Kaufentscheidungen treffen, dann zur Optimierung der Marketingmassnahmen genutzt werden.
Neue Erkenntnisse erweitern bestehendes Wissen
Hunziker (2017, S. 13) beschreibt das wissenschaftliche Arbeiten als eine «systematische Suche nach gesicherter Erkenntnis im Bewusstsein um die Einschränkung der menschlichen Sinne».
Die systematische Suche nach gesicherter Erkenntnis bezieht sich auf die Art und Weise, wie Sie bei der Untersuchung eines Phänomens vorgehen. In der Wissenschaft gibt es dazu bestimmte Vorgehensweisen, die allgemein anerkannt sind, um schrittweise ein unerklärtes Phänomen zu untersuchen. Der grundlegende Prozess zur systematischen Vorgehensweise wird in Kapitel 4 beschrieben. Deren «handwerkliche Anwendung» wird in den Kapiteln 6 bis 9 beschrieben.
Gesicherte Erkenntnis wird durch die Durchführung der systematischen Suche erlangt. Die Durchführung muss gewisse Kriterien erfüllen, die sich mit der Korrektheit respektive der Güte des Verfahrens und seiner Anwendung befassen. Damit soll erreicht werden, dass die erlangten Erkenntnisse verlässlich sind und tatsächlich etwas über die bislang unbekannten, nun untersuchten Sachverhalte aussagen und nicht über etwas anderes. Nur wenn dies gewährleistet ist, gelten die Erkenntnisse als gesichert und somit als wissenschaftlich fundiert (siehe Kapitel 7 bis 9).
Nun noch zur Beschränktheit menschlicher Sinne. Achten Sie zum Beispiel in der nächsten Kaffeepause im Unternehmen, in dem Sie tätig sind, wie viele einzelne, teils komplexe Sachverhalte auf einmal in der Situation stattfinden: Arbeitskolleginnen und -kollegen versammeln sich in kleinen Gruppen und lösen sich wieder auf, Gespräche werden begonnen und beendet, eine Warteschlange bildet sich vor den Kaffeeautomaten; die Kaffeemaschine gibt je nach Knopfdruck einen bestimmten Kaffee aus; Wasser muss nachgefüllt werden und Telefone klingeln im Hintergrund; vielleicht betreten noch Handwerker oder anderer Besuch die Räumlichkeiten. In der Situation ist es für eine Einzelperson kaum möglich, alle diese Eindrücke gleichzeitig zu registrieren, schon gar nicht sie sich detailliert zu merken. Deshalb fokussiert eine wissenschaftliche Arbeit jeweils möglichst nur auf einen einzigen, so klar wie möglich umrissenen Sachverhalt aus der gelebten Welt auf einmal. Nur so können eine Überflutung an Eindrücken sowie ungenaues Hinschauen und damit falsche Wahrnehmungen vermieden werden. Die Erkenntnisse sind dann mit einer Kameraaufnahme vergleichbar: Die Aussagekraft ist auf den Fokus der oder des Forschenden, auf den Zeitpunkt der Aufnahme und auf das, was im Bild ersichtlich ist, beschränkt.
Der beschränkten Aussagekraft der durch die Untersuchung erhaltenen Erkenntnisse ist sich die oder der Forschende bewusst, weshalb die wissenschaftliche Arbeit in den Schlussfolgerungen kritisch reflektiert werden muss. Es wird Stellung genommen, was in der eigenen Arbeit untersucht werden konnte und was nicht, respektive welche Punkte sich für weitere Untersuchungen lohnen.
1.2Grundsätze der Wissenschaftlichkeit
Wie in Kapitel 1.1 erklärt, kann die gelebte Welt aufgrund der Einschränkungen der menschlichen Sinne immer nur ausschnittweise wissenschaftlich untersucht werden. Um diesen Ausschnitt so nah an der gelebten Welt wie möglich abzubilden, gelten allgemein anerkannte Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens:
1.Unvoreingenommenheit: Diese unterstützt Sie darin, dass Sie mit Ihrer wissenschaftlichen Untersuchung tatsächlich ein Bild erhalten, das dem der gelebten Welt möglichst nahe kommt.
Der Gegensatz dazu ist die Voreingenommenheit, das heisst, wenn die persönliche Meinung der oder des Forschenden die Vorgehensweise der Untersuchung und somit die Ergebnisse beeinflusst.
z. Bsp.
Eine Studentin ist überzeugte ÖV-Benutzerin und will beweisen, dass es eines Ausbaus des Bahnnetzwerkes zur besseren Erschliessung der Regionen bedarf. Sie entscheidet sich, dazu eine Umfrage unter den ÖV-Benutzerinnen und -Benutzern am Hauptbahnhof durchzuführen. Gerade bei dieser Zielgruppe wird sie viele finden, die sie in ihrer Meinung bestätigen. Sie wird aber vermutlich viel weniger die zahlreichen kritischen Stimmen zu hören bekommen, die es auch gibt. Somit ist ihre Herangehensweise voreingenommen und die Ergebnisse ihrer Untersuchung bilden nur einen Teil der Meinungen ab. Denn sie sind der gelebten Welt nicht wirklich nahe.
2.Überprüfbarkeit: Die Vorgehensweise, nach der Sie Ihre wissenschaftliche Arbeit verfasst haben, muss für Aussenstehende überprüf- und nachvollziehbar sein. Für jeden Arbeitsschritt, von der Herleitung der Frage, die untersucht werden soll, bis hin zur Schlussfolgerung, müssen Sie transparent anführen, was Sie gemacht haben und warum. Zudem muss für die Leserschaft klar sein, auf welche Informationsquellen Sie sich abstützen (Voss, 2017, S. 33). Sie müssen erstens die Literatur angeben, aus der Sie fremde Ideen übernehmen, und zweitens bei eigenen Ideen Ihre Gedankengänge offenlegen.
Die Überprüfbarkeit verletzen Sie dann, wenn nicht klar ist, wie Sie vorgegangen und zu den Ergebnissen gekommen sind, oder wenn Sie Aussagen machen, die weder durchdacht noch...