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Die drei ??? und die Silbermine (drei Fragezeichen)

Die drei ??? und die Silbermine (drei Fragezeichen)

M.V. Carey

 

Verlag Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, 2014

ISBN 9783440143506 , 144 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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5,99 EUR

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Die drei ??? und die Silbermine (drei Fragezeichen)


 

Die Einladung


»Hallo, Just! Rate mal, wer dich sucht!«, sagte Peter Shaw, während er die Luke im Fußboden anhob und in die Zentrale der drei ??? heraufkletterte.

»Geschenkt – ich weiß Bescheid«, sagte Justus Jonas. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, der unter der Last seines Schwergewichts ächzte. »Tante Mathilda ist um sechs Uhr früh aufgestanden«, stellte er in seiner exakten Sprechweise fest. »Dann hat sie ein herzhaftes Frühstück zubereitet und Onkel Titus zum Ausverkauf einer Autowerkstatt in Oxnard entsandt. Ich konnte daraus mühelos ableiten, dass sie heute ein volles Programm vorgesehen hat.« Justus sah auf seine Uhr. »Es ist jetzt genau dreizehn Uhr fünfzehn. Deiner Fragestellung lässt sich unschwer entnehmen, dass Onkel Titus zurückgekehrt ist, dass er in Oxnard einiges eingehandelt hat und dass Tante Mathilda mich jetzt zum Entladen des Lastwagens braucht.«

»Justus Jonas, das Nachwuchsgenie!« Bob Andrews kicherte. Der schlanke Junge mit der Brille lehnte an einem Büroschrank und blätterte gemächlich in seinen Akten.

Die drei Jungen waren in dem zerbeulten alten Camping-Anhänger, den Justus von Onkel und Tante als Clubraum bekommen hatte. Er stand in einer abgelegenen Ecke des »Gebrauchtwaren-Centers T. Jonas« hinter hohen Stapeln aus Bauholz und Altmetall verborgen. Auf dem Schrottplatz ging es immer turbulent zu. Dort bot sich nicht nur eine Fülle von Trödel und Gerümpel aller Art, sondern auch ein vielfältiges Sortiment ungewöhnlicher Fundsachen aus Häusern, die abgebrochen worden waren – antike Sonnenuhren, alte marmorne Badewannen, geschnitzte Türrahmen und Buntglasfenster. In der dauernden Hektik des Reinigens, Sortierens und Einlagerns all dieser Gegenstände – und nicht zuletzt des zuvorkommenden Bedienens der Besucher, die aus dem gesamten Küstenbereich herkamen, um nach Objekten mit Seltenheitswert zu fahnden – hatten Justs Onkel und Tante den Anhänger in der Hofecke ganz vergessen.

Die Jungen hatten den Wagen zur Zentrale ihres Junior-Detektivunternehmens »Die drei ???« gemacht. Im Innern befanden sich ein winziges Labor mit Dunkelkammer und ein Büro mit einem uralten Schreibtisch, Stühlen und Telefon. Ein großer Aktenschrank enthielt die von Bob Andrews säuberlich verfertigten Protokolle aller von den Jungen aufgeklärten Fälle. Justus, der Anführer des Trios, verbrachte einen großen Teil seiner Freizeit in der Zentrale mit Überlegungen zu dem jeweils anstehenden Fall der drei ??? und mit Denksport für sein Superhirn.

Justus war stolz auf seine unfehlbare Gabe logischer Schlussfolgerung. Als Peter und Bob ihn jetzt angrinsten, stutzte er ungnädig. »Tante Mathilda sucht mich also nicht?«, fragte er.

»Sei doch froh«, meinte Peter. »Wenn Tante Mathilda dich sucht, weißt du ja, was davon zu halten ist – ran an die Arbeit! Nein. Ich war heute früh in der Stadt, im Supermarkt, und da hab ich Allie Jamison getroffen.«

Justus setzte sich mit einem Ruck aufrecht hin. Bob ließ das Blättern sein und riss die Augen auf. Allie Jamison stammte aus einer der ganz reichen Familien in Rocky Beach und war schon zuvor Auftraggeberin der drei ??? gewesen. In einem Fall, den sie »Die singende Schlange« getauft hatten sie ihr beigestanden, um eine dunkle Existenz von Hausgast wieder loszuwerden, und dabei ein teuflisches Erpresserkomplott aufgedeckt. Aber die Zusammenarbeit mit dem Mädchen war kein reines Vergnügen gewesen. Sie war impulsiv und gewohnt, ihren eigenen Kopf durchzusetzen, und sie fand nichts dabei, ein wenig zu schwindeln, wenn es ihr in den Kram passte.

»O Schreck!«, sagte Justus endlich. »Ich denke, die Kleine verbringt den Sommer bei einem Onkel im Staat New Mexico. Das Haus steht ja zurzeit leer, und Mr und Mrs Jamison sind in Japan!«

Peter nickte. »Weiß ich. Aber jetzt gerade ist Allie hier in Rocky Beach. Sie sagte mir, sie und ihr Onkel hätten aus dem Haus ein paar Sachen geholt und außerdem habe ihr Onkel in der Stadt etwas zu erledigen. Und sie ist irgendwie aufgedreht, irgendetwas Tolles spukt ihr im Kopf herum und sie will herkommen und es uns berichten, ehe sie mit ihrem Onkel wieder nach New Mexico abreist.«

Bob seufzte. »Und dabei hatte der Sommer so friedlich angefangen.«

»Nimm’s leicht«, sagte Justus. »Sie reist ja wieder ab – und das hoffentlich bald! Peter, wie lange will Allie noch hier sein?«

»Nur bis morgen!«, drang es hinter dem Vorhang hervor, der den kleinen Laborteil des Anhängers vom Büro trennte. Peter stöhnte, als der Vorhang zur Seite gezogen wurde und Allie Jamison grinsend näher trat. In verwaschenen Jeans und einem Cowboyhemd sah sie aus wie ein junger Rodeoreiter. Ihr Gesicht war gebräunt, und einige Strähnen ihres langen, hellbraunen Haares waren von der Sonne gebleicht. »Freut euch unser Wiedersehen denn gar nicht?«, tat sie unschuldig. Aber ihre nussbraunen Augen funkelten vor boshafter Genugtuung.

»Wie bist du bloß hier hereingekommen?«, wollte Peter wissen.

Allie lachte. Sie ging zum Schreibtisch, zog sich hoch und thronte oben im Schneidersitz.

»Ich war schon vor euch allen da«, sagte sie. »Auf dem hinteren Zaun ist der große Brand von San Francisco abgemalt, und in dem Gemälde sitzt ein kleiner Hund und schaut sich das Feuer an.«

Justus sank resigniert in sich zusammen. »Und im Auge des Hundes ist ein Astloch. Du hast den Finger durch das Astloch gesteckt und an der Innenseite des Zauns einen Riegel zurückgeschoben, und da ließen sich ein paar Planken herausschwenken.« Justus sprach vom Roten Tor, einem von mehreren Geheimeingängen zum Schrottplatz, die sich die Jungen ausgetüftelt hatten.

»Erraten«, sagte Allie. »Im vorigen Sommer habe ich euch mindestens ein Dutzend Mal an diesem Tor beobachtet. Und man muss nicht unbedingt Einstein sein, um sich klarzumachen, dass ihr da eine Art Hintertreppenversteck habt.«

»Na schön, Allie«, sagte Peter. »Rück es heraus. Wie bist du hier hereingekommen?«

Mit sichtlichem Vergnügen redete Allie weiter. »Ihr Burschen seid nicht ganz so schlau, wie ihr glaubt! Da gibt es ein Schild ›Büro‹ oben auf einem Haufen Gerümpel gleich hinter diesem Tor. Aber der Pfeil auf dem Schild zeigt nicht zum Büro der Firma. Da sagte ich mir, also muss er zu eurer Detektivzentrale zeigen – und das war richtig! Ich bin einfach in Pfeilrichtung losgegangen, durch all den Trödel durch … und an dieser Schiebetür bin ich herausgekommen.« Allie wies auf eine Tür am hinteren Ende des Anhängers. »Erstklassige Detektivarbeit, wenn ich mich selber loben darf«, meinte Allie.

»Wir müssen an der Schiebetür ein Schloss anbringen«, sagte Justus.

»Ja, und das Schild abnehmen!«, ergänzte Peter.

»Könnt ihr euch sparen«, sagte Allie spitz. »Ich reise ja morgen wieder ab, und eure blöden Geheimnisse interessieren mich auch gar nicht.« Sie warf keck den Kopf zurück. »Im Übrigen hab ich Besseres zu tun.«

»Zum Beispiel?«, forschte Peter.

Allie beugte sich voll Eifer vor. »Ich habe selbst einen Fall in Arbeit«, sagte sie. »Ich werde Ermittlungen anstellen wie ihr drei, und ich werde es zu verhindern wissen, dass mein Onkel Harry übers Ohr gehauen wird.«

»Ach?«, sagte Justus. »Ist dein Onkel Harry denn außerstande, sich seiner Haut selbst zu wehren?«

Allie war ernst geworden. »Mein Onkel Harry heißt Harrison Osborne, und dumm ist er bestimmt nicht«, erklärte sie. »Er hat an der Börse sehr viel Geld verdient, aber dann ist er aus der Branche ausgestiegen und hat sich in New Mexico eine Weihnachtsbaumplantage gekauft. Nur wenn sich’s um die lieben Mitmenschen dreht, liegt er manchmal total daneben!«

»Und du liegst immer richtig?« Peter lachte.

»Wenigstens merk ich es sofort, wenn ich einen falschen Fünfziger vor mir habe«, sagte Allie. »Das Grundstück, das sich mein Onkel gekauft hat, gehörte früher einer Bergwerksgesellschaft. Auf dem Gelände ist eine Mine – die Todesfallen-Mine.«

»Das hört sich ja gewaltig an«, feixte Peter. »Was war denn drin in der Mine? Ein Dinosauriergerippe?«

»Silber«, sagte Allie. »Die Mine ist längst stillgelegt. All das Silber ist abgebaut. Todesfallen-Mine heißt sie, weil mal eine Frau reinspaziert und in einem Schacht zu Tode gestürzt ist. Ein paar alte Leutchen in Twin Lakes – das ist die Gemeinde, zu der Onkel Harrys Grundstück gehört –, die sagen, der Geist dieser Frau gehe noch in der Mine um. Davon glaube ich natürlich kein Wort. Aber ein anderer spukt da herum. Es ist der Kerl, der meinem Onkel die Mine und ein Stück Gelände darum herum abgekauft hat.«

Allies sonnenbraunes Gesicht überzog sich mit Zornröte. »Der hat irgendetwas im Sinn«, sagte sie. »Er macht den Leuten etwas vor. Er stammt nämlich aus Twin Lakes, versteht ihr?«

Aha, die junge Dame mit ihren vorgefassten Meinungen … Leute, die zu so unbekümmerten und unbefangenen Urteilen über ihre Mitmenschen neigen, sollten wenigstens in ihren Äußerungen etwas zurückhaltender sein. Aber diese Allie war schon immer so geradeheraus. Vielleicht erinnern sich manche unter euch an den Fall »Singende Schlange«. (Sie sind hier im Vorteil; warum, wird vorläufig nicht verraten.)

»Ist das ein Verbrechen, wenn man aus Twin Lakes stammt?«, fragte Bob verdutzt.

»Nein. Aber irgendwie ist es schon komisch, wenn einer als kleiner Junge aus seinem Geburtsort wegzieht und dann viele Jahre später als Millionär wieder hinkommt und große Töne spuckt, wie wunderschön es in der alten...