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Körper- und leiborientierte Gerontologie - Altern erfahren, erleben und verstehen. 'Wenn Altern unter die Haut geht'

Körper- und leiborientierte Gerontologie - Altern erfahren, erleben und verstehen. 'Wenn Altern unter die Haut geht'

Susanne Lehmann

 

Verlag Hogrefe AG, 2015

ISBN 9783456955629 , 272 Seiten

Format PDF, OL

Kopierschutz Wasserzeichen

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35,99 EUR

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Körper- und leiborientierte Gerontologie - Altern erfahren, erleben und verstehen. 'Wenn Altern unter die Haut geht'


 

2 Phänomenologie Leib – Körper (S. 25-26)

Mensch-sein heisst Leib-sein. Wir sind also unser Leib, was wiederum bedeutet, dass wir als Leib existieren (Aristoteles). Wie alle anderen Lebewesen auch, sind wir Teil der Natur oder vielmehr ist der Leib die Natur, die wir selbst sind, wie es der Philosoph Gernot Böhme definiert (Böhme, 2006: 9). Leib-Sein bedeutet somit, dass wir die Kraft der Natur in uns selbst, im eigenen Sein und Leben verkörpern. Und wie alle anderen natürlichen Lebewesen sind wir von den Elementen bestimmt und den Naturgesetzen unterworfen. Davon zeugen auch die Veränderungen, Wandel und Erfahrungen von Vergänglichkeit des Alterns, die wir mit allen Phänomenen der Natur teilen. Was damit gemeint sein könnte, wenn Leibsein und Natursein eins sind, verdeutlicht ein Bild des Künstlers Yves Netzhammer (s. Abb. 2-1).

2.1 Der Mensch als unteilbare Einheit von Leib – Körper – Geist

Im Allgemeinen wissen heute nur noch wenige Menschen mit dem Begriff «Leib» etwas anzufangen – mit Ausnahme von Theologen und Philosophen. In unserer Kultur wird nicht mehr zwischen den Begriffen «Leib» und «Körper» unterschieden, sondern nur noch von letzterem gesprochen. Eine vereinfachte Erklärung des Unterschieds von Leib und Körper lautet, dass der Körper von außen gesehen, der Leib dagegen von innen erfahren wird. Für das Verständnis des Unterschiedes ist die Herkunft der Begrifflichkeiten aufschlussreich: Der Begriff «Körper» stammt aus dem Lateinischen; corpus ersetzte das altgriechische Wort soma, welches in der griechschen Umgangssprache ursprünglich den ‹toten, seines Lebens beraubten, zum Ding gewordenen Leib› – den Leichnam – bezeichnete. Die englische Sprache hingegen kennt den Begriff «Leib» nicht; es wird vom lived body, im Gegensatz zum body, gesprochen, mit dem auch die ‹Leiche› bezeichnet wird.

Der Begriff «Körper» für die Bezeichnung eines ‹leblosen Gegenstandes› fand seine Verbreitung als Fachbegriff in verschiedensten Wissenschaften, in der Mathematik («geometrischer Köper»), in der Physik («Festkörper»), der Astronomie («Himmelskörper») sowie in der Medizin («Antikörper»). Folgt man dem Wahrig-Lexikon (1986) wird der Begriff «Körper» in seiner Grundbedeutung auch für die Beschreibung ‹materieller, toter Dinge› verwendet. Im normalen, deutschen Sprachgebrauch ist meistens vom «Körper» die Rede, gleich ob es sich um die ‹Anatomie des Menschen› oder um ein ‹umfassenderes Verständnis des Menschen› handelt. Mit der sich entwickelnden Wahrnehmung des Menschen als ganzheitliches Wesen wurden die Bezeichnungen «Körper» und «Leib» oft synonym verwendet. So findet sich zum Beispiel unter der Definition «Körper» im Wörterbuch für Soziale Arbeit (1996) folgende Erklärung: «Der Körper als Leib ist […] Versammlungsstätte unserer verschiedenen Sinnestätigkeiten, der Gestimmtheiten, Gebärden und Gedanken, ist Mittelpunkt des subjektiven Erlebens wie Orientierungspunkt unserer Wahrnehmungen.» (Milz, zit. in Keil, 1996: 371). Nach diesem Verständnis wird der «Körper» wieder vermehrt zum Ausdruck des ‹Lebendigen›, dessen körperliche Vorgänge eng an die Gedanken und Gefühle gebunden sind, was wiederum die Körperprozesse bedeutsam für das menschliche Denkvermögen, Gefühl und Empfinden werden lässt. Umgekehrt beeinflussen und gestalten das Denken und Fühlen die Dimensionen körperlicher Subjektivität (Keil, 1996: 372).

Diese Ausführungen kommen dem ursprünglichen Begriff «Leib» nahe, der sich aus dem germanischen Wort lip für ‹Leben› entwickelt hat – phonetisch noch besser erkennbar im englischen life, bzw. to live. «Leib» steht also für ‹Leben› insgesamt und ist allumfassend, während der «Körper» als Teil des Leibes die Materie ausmacht. Oder anders gesagt: Leib sein ist ein Zustand, während der Körper ein Gegenstand ist. Wenn vom «Leib» und «Körper» die Rede ist, müssen auch die «Seele» und ihr Zusammenspiel mit dem Körper betrachtet werden. Im Verlauf der Geschichte spielte diese stets eine wichtige Rolle im Denken über den Menschen, seine Natur und die Welt. Sie nahm eine Vermittlerrolle zwischen lebloser Materie und göttlichem Prinzip ein. «Die Seele ist die Kraft der Bewegung, Lebensprinzip des Körpers und bezeichnet die ‹Wirklichkeit des Leibes›.» (Wulf, 1997: 972).

Oder wie es der Psychiater Hell (2003) darlegt: «Auch wenn Seelisches sich gerade nicht zu etwas Gegenständlichem fixieren lässt, ist der Mensch dennoch nicht auf ein seelenloses Funktionieren zu reduzieren. Sein Erleben bleibt eine menschliche Grunderfahrung, die im Raum der Physik und Chemie nicht abbildbar ist. Dieses Erleben, das Leib und Leben voraussetzt, aber mehr ist als Körper und Stoffwechsel, wird seit Alters her ‹seelisch› genannt.» (Hell, 2003: 17).

2.2 Leibliches Spüren als Selbsterfahrung

Nach Karl Jasper ist unser Körper der einzige Teil der Welt, der zugleich von innen empfunden und von außen wahrgenommen wird. Als Leib überwindet er die Grenzen und Formen des physiologischen Körpers und wird zum Synonym für das Leben. Dabei entsteht der Leib im Austausch mit anderen bzw. in der Interaktion der menschlichen Kommunikation.

2.2.1 Leiblich spüren

Alle spürbaren Erfahrungen eines Menschen sind Leiberfahrungen, über die er das eigene Selbst spürt und somit sich selbst erfährt. Im Zusammenhang mit unseren leiblichen Erfahrungen ist das Verb «spüren» in der Umgangssprache kein Fremdwort.