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Der zauberhafte Trödelladen - Roman

Der zauberhafte Trödelladen - Roman

Manuela Inusa

 

Verlag Blanvalet, 2018

ISBN 9783641225759 , 336 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR

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Der zauberhafte Trödelladen - Roman


 

KAPITEL 1

Es war ein regnerischer, ungemütlicher Sonntag in Oxford. Ruby hatte sich auf einen Morgen auf dem Flohmarkt gefreut, diesen jedoch schon nach einer halben Stunde wieder verlassen, weil die Verkäufer ihre Waren eingepackt und ihre Stände abgebaut hatten.

Wie schade, dachte Ruby. Sie hatte wirklich gehofft, ein paar Schnäppchen zu machen, gerade weil Flohmärkte bei diesem Wetter nicht allzu gut besucht waren. Aber außer einem Radio für ihren Vater, ein paar Büchern für sich und zwei Vasen für ihren Laden hatte sie nichts ergattert. Trotzdem konnte sie nicht anders, als zu lächeln, als sie die Treppen zu der Wohnung hinaufstieg, die sie mit ihrem Vater teilte. Er würde sich über den quietschgrünen Rundfunkapparat freuen, da war sie sich sicher. Sein alter hatte nämlich den Geist aufgegeben, und er war schon ganz hibbelig, weil er sich die Sportergebnisse nicht anhören konnte.

»Ruby, bist du das?«, hörte sie ihn rufen, als sie die Tür aufschloss und die Wohnung betrat.

»Wer sollte es denn sonst sein?«, rief sie in Richtung Wohnzimmer zurück.

»Ein Einbrecher vielleicht.«

»Ach, Dad, der hätte doch keinen Schlüssel.« Sie schüttelte belustigt den Kopf und befreite sich von der nassen Jacke und den durchweichten Schnürstiefeln.

»Den könnte er dir geklaut haben.«

»Und woher sollte er wissen, wo ich wohne?«

Ihr Vater erschien grinsend in der Wohnzimmertür. »Na, er könnte doch auch deine Brieftasche mit deinem Ausweis geklaut haben.«

Ruby lächelte. »Ich lasse mich schon nicht beklauen, Daddy, keine Angst.« Sie wischte sich das feuchte Haar aus dem Gesicht.

Als sie am frühen Morgen das Haus verlassen hatte, hatte ihr Vater noch geschlafen. »Hast du etwas Schönes gefunden?«, wollte er nun wissen.

Seine grauen Haare standen wild vom Kopf ab, was aber nicht unbedingt daran lag, dass es erst halb neun morgens war. Er sah oft ein wenig zerzaust aus, legte nicht viel Wert auf sein Äußeres, was man an der orangefarbenen Jogginghose und dem blau-weiß gestreiften Hemd erkannte.

»Oh ja. Schau mal, was ich dir mitgebracht habe.« Ruby griff in ihren Baumwollbeutel und holte das Radio hervor. Es hatte ebenfalls ein paar Regentropfen abbekommen, die sie mit dem Blusenärmel abwischte.

Ihr Vater riss ihr das Teil aus der Hand, betrachtete es, hielt es sich näher ans Gesicht und lächelte dann zufrieden.

»Funktioniert das auch?«

Er sah fragend zu ihr herunter. Ruby war mit ihren eins fünfundsiebzig nicht gerade klein, ihr Vater war jedoch noch ein ganzes Stück größer.

»Ja, das tut es. Es sind Batterien drin, du kannst es gleich ausprobieren.« Sie zeigte ihm, wo der An/Aus-Schalter war.

Nachdem er probiert, gedrückt, gedreht und endlich seinen Lieblingssender gefunden hatte, ging er mit dem Radio zurück ins Wohnzimmer und setzte sich auf seinen Sessel, auf dem niemand außer ihm sitzen durfte.

Ruby folgte ihm. »Es gefällt dir also, ja?«, fragte sie. Er lächelte nur und nickte. »Das freut mich. Dann mache ich mal Frühstück, bevor ich in den Laden gehe. Auf was hast du heute Lust?«

»Eier.«

Das war schon klar, denn es war Eierwoche. Hugh Riley hatte diesen Tick, stets eine ganze Woche lang das Gleiche essen zu wollen – morgens, mittags und abends. In dieser Woche waren es Eier, und wenigstens war er dabei so flexibel, dass Ruby in der Zubereitung variieren durfte. Das war nicht immer so.

»Und was für welche?«, erkundigte sie sich.

»Na, Hühnereier. Es sei denn, du hast ein Straußenei für mich.«

Sie musste lachen. »Nein, Dad, ich wollte wissen, ob du Rühreier, Spiegeleier oder ein hart gekochtes Ei möchtest. Vielleicht ein Omelett?«

»Hm …«

Oje. An seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass sie ihn damit völlig überforderte. Sie hätte ihn nicht wählen lassen, sondern einfach machen sollen.

Manchmal fragte sie sich, ob sie wohl nie lernen würde, dass ihr Vater einfach nicht mehr derselbe war seit dem Tod ihrer Mutter drei Jahre zuvor. Dass sie ihn jetzt anders behandeln musste.

»Ich mache uns Rühreier, einverstanden?«

Ihr Vater nickte, und Ruby machte sich auf in die Küche, jedoch nicht, ohne vorher überprüft zu haben, ob die Bücher vom Flohmarkt in ihrem Beutel wirklich trocken geblieben waren. Gott sei Dank waren sie es, aber sie hätte sich auch sonst zu helfen gewusst. Sie hatte ungefähr eine Million hilfreicher Tipps und Tricks für alle Lebenssituationen in ihrem Hinterkopf gespeichert.

Sie rubbelte sich das Haar trocken und stellte sich an den Herd, briet die Eier und sah dabei aus dem Fenster. Was für ein trister Regentag! Ob die Leute da überhaupt aus dem Haus gehen und sich bis ganz ans Ende der Valerie Lane verirren würden?

Zwei Stunden später schloss Ruby die Tür ihres Ladens auf. Obwohl sonntags nicht alle kleinen Geschäfte der Stadt öffneten, hatten die Besitzerinnen der Läden in der Valerie Lane vor Jahren beschlossen, sich den großen Geschäften der Cornmarket Street, von der ihre kleine Straße abging, anzupassen, um ihren Kunden zu ermöglichen, von elf bis fünf in Ruhe ihre Einkäufe zu tätigen.

Sie packte die beiden Vasen aus, die sie von einer alten Frau auf dem Flohmarkt gekauft hatte, und betrachtete sie versonnen. Eine der Vasen, sie war weiß und mit hinreißenden blauen Blümchen bemalt, schien älter zu sein, als Ruby anfangs geglaubt hatte. Der Stempel einer Firma auf der Unterseite, den sie nun mit der Lupe erkannte und gut zuordnen konnte, sagte ihr, dass das Stück aus den Dreißiger-, spätestens aus den Vierzigerjahren stammte, da die Firma nur bis in die frühen Vierziger hergestellt hatte. Ob die Verkäuferin das wohl gewusst hat?, fragte sie sich. Sicher nicht, denn sonst hätte sie ihr die Vase garantiert nicht zu einem Spottpreis von zwölf Pfund verkauft.

Sofort bekam Ruby ein schlechtes Gewissen. Ja, so war sie, was sie selbst manchmal echt nervte. Schließlich musste sie ein Geschäft führen und sich und ihren Vater über die Runden bringen.

Schon seit Jahren war der ohne Arbeit. Wer stellte denn auch einen Verrückten ein? Zumindest betitelten die Leute ihn als solchen. Leute, die ihn nicht kannten, die nicht wussten, was er durchgemacht hatte.

Sie hörte die Ladenglocke, drehte sich um und setzte ein Lächeln auf. »Guten Tag.«

Zwei Damen um die fünfzig betraten den Verkaufsraum und sahen sich um, gingen an den Tischen mit alten Lampen, Spiegeln, Schmuckschatullen, Vasen, Porzellan und Spieluhren entlang. Betrachteten die Gemälde, die an den Wänden hingen und die vor den Regalen standen. Sie blieben einen Moment lang vor einem der antiken Stühle stehen und begutachteten das Grammofon, das hier seit Jahren stand. Doch leider kauften sie nichts, und Ruby brachte die Vasen nach hinten. Später würde sie sie ordentlich säubern und polieren und sie mit einem Preis ausschildern, der ganz bestimmt mehr als zwölf Pfund betrug.

»Ruby? Bist du da?«, hörte sie jemanden rufen.

Sie hatte die Ladenglocke gar nicht vernommen. Wo war sie nur mit ihren Gedanken?

Schnell eilte sie nach vorne. »Hallo, Laurie. Wie geht es dir?«

»Ach, ich kann nicht klagen«, antwortete die rothaarige Frau, die ihren Laden zwei Türen weiter hatte. In Laurie’s Tea Corner konnte man köstlichen Tee aus aller Welt bekommen. »Hier, ich dachte, den solltest du unbedingt probieren«, sagte sie und reichte Ruby einen Becher.

»Oh, wie lieb. Danke.« Sie nahm ihn entgegen und musste ihn gleich wieder abstellen, weil der Tee so heiß war. »Was ist das denn für einer?«

»Zitronengras und roter Pfeffer. Aus Guatemala.« Laurie erzählte und gestikulierte so freudig, dass dabei ihr orangefarbener Rock mitwippte.

»Hört sich interessant an. Ich werde ihn auf jeden Fall genießen. Sag mal, ist es bei dir auch so ruhig?« Normalerweise war Lauries Laden immer gerammelt voll. »Ich frage nur, weil du mitten am Vormittag vorbeikommst.«

»Ich habe doch jetzt eine Aushilfe. Hannah, die Künstlerin.«

»Ach ja, stimmt. Wie schön für dich.«

Ruby musste zugeben, dass sie Laurie ein wenig beneidete. Ihr Laden musste wirklich gut laufen, wenn sie sich eine Aushilfe leisten konnte. Keira aus der Chocolaterie nebenan hatte auch eine. Sie selbst konnte daran nicht einmal denken. Nein, sie musste von morgens bis abends im Laden stehen und hatte kaum Zeit für irgendetwas sonst. Nicht dass da viel gewesen wäre, dem sie ihre Zeit lieber gewidmet hätte als ihrem geliebten Geschäft. Sie hatte keinen festen Freund, also gab es außer ihrem Vater niemanden, für den sie da sein musste, und ihren Hobbys konnte sie auch im Laden nachgehen. Die alten Klassiker und Biografien, die sie zu gern las, und ihren Skizzenblock nahm sie einfach mit.

»Kommst du am Mittwoch?«, fragte Laurie nun.

»Aber sicher.«

Sie freute sich doch schon immer Tage vorher auf den Mittwochabend, an dem sie alle sich in Laurie’s Tea Corner trafen und zusammen quatschten und dabei Tee tranken und Schokolade aßen. Eine Tradition, die die gute Valerie vor über hundert Jahren eingeführt hatte, weil sie fand, es sollte eine Zuflucht geben für jeden, der ein wenig Fürsorge oder einfach nur ein heißes Getränk brauchte.

»Susan kann nicht. Sie hat einen Termin.« Susan besaß den Wollladen auf der anderen Straßenseite.

»Schade.«

»Ja.« Laurie sah sie nachdenklich an. »Und wie geht es dir, Süße? Du siehst müde aus.«

Die anderen Frauen nannten sie immer...