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Spätsommerliebe - Roman

Spätsommerliebe - Roman

Petra Durst-Benning

 

Verlag Blanvalet, 2018

ISBN 9783641226350 , 320 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR

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Spätsommerliebe - Roman


 

1. Kapitel

Maierhofen, Anfang Juni

Zärtlich strich Apostoles Magdalena eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Magdalena, Geliebte …«, flüsterte er. Wie immer, wenn ihre Körper zueinanderfanden, kam es Apostoles vor wie ein Bad im Meer an einem warmen Spätsommertag. Weiche Bewegungen in einem Meer aus Liebe und Geliebtwerden. Sanfte Wellen, auf und ab. Salz auf der Haut, und auf den Lippen der Name des anderen …

Er spürte, wie sich Magdalenas Beine fester um ihn schlangen, er hörte, wie sie leise aufseufzte. Küsse landeten auf seinen Wangen, hektisch, unkoordiniert. Seine Aphrodite. Keine lauten Schreie der Lust. Kein zerkratzter Rücken. Kein schneller Höhepunkt und eine Zigarette danach. Magdalenas Hingabe war so viel mehr! Jedes Mal, wenn sie ihn in sich aufnahm, hatte er das Gefühl, wiedergeboren zu werden. Er, der schon abgeschlossen hatte mit dem Leben und der Liebe. Nie hätte er gedacht, dass er nochmals solche Wonnen erleben würde! Mit einem seligen Lächeln drang er noch tiefer in sie ein. Gleich, gleich würden sie gemeinsam den Gipfel der Lust erreichen …

»Dann wollen wir mal.« Ächzend wälzte sich Magdalena eine halbe Stunde später aus dem Bett. Es war halb zwei Uhr in der Nacht. Magdalena dehnte sich, streckte die Arme nach oben und stöhnte. »O mein Gott, ich bin völlig zerschlagen.«

Wie eine schöne, träge Katze, dachte Apostoles liebevoll. Dabei war Magdalena alles andere als träge!

Seinen Blick auf sich spürend, wandte sie sich ihm zu. »Kommst du?«

Er nickte lächelnd.

Pünktlich um zwei standen sie in der hell erleuchteten Backstube. Wie jeden Tag zu Beginn des Backens holte Magdalena die schweren Brotteige hervor, die seit dem späten Nachmittag hatten ruhen dürfen. Apostoles machte als Erstes das Radio an, dann suchte er die Zutaten für den Brezelteig zusammen.

Sie beide – ein eingespieltes Team. Apostoles lächelte.

In seinem früheren Leben als Gastwirt hatte er um diese Zeit das »Akropolis« abgeschlossen. Normalerweise hätte immer um Mitternacht Schluss sein sollen, doch seine Stammgäste hatten geduldiges Sitzfleisch, und zu Hause wartete niemand auf sie. Wenn die übrigen Gäste gegangen waren, hatte sich Apostoles, auf den ebenfalls niemand wartete, dazugesetzt. Bei einer Flasche Ouzo hatten sie dann bis ein oder zwei Uhr schwadroniert. Dann erst war wirklich Feierabend gewesen. Apostoles hatte diesen Moment gehasst, in dem er sich seiner Einsamkeit stellen musste.

Heute, mit Magdalena an seiner Seite und dem Duft von Brotteig in der Nase, liebte er die frühen Morgenstunden. Wenn er beim Brezelnmachen aus dem Fenster schaute, kam es ihm vor, als wären sie die beiden einzigen Menschen auf der Welt. Rund um den Maierhofener Marktplatz war alles noch dunkel, nur in der Wohnung über der Wäscherei Mölling brannte Licht. Kurt Mölling war eine ausgesprochene Nachteule und schaute nächtelang alte amerikanische Serien. Am Morgen schlief er dann wohl gern aus, sehr zum Ärger seiner Frau Sabrina, die seine Hilfe in der Wäscherei gut hätte gebrauchen können.

Apostoles liebte es, mit Magdalena zusammenzuarbeiten! Er mochte den Umgang mit dem pudrig-feinen Mehl, das der Müller aus dem Nachbarsort zweimal wöchentlich lieferte. Er liebte es zu sehen, wie aus ein paar einfachen Zutaten ein geschmeidiger Teig entstand. Und noch mehr liebte er es, aus dem Teig Brötchen zu formen oder Seelen oder andere Gebäckstücke. Die Arbeit hatte etwas Geerdetes, fast Biblisches an sich. Und sie erinnerte ihn an sein Dorf auf Kreta, wo er als kleiner Junge jede Woche die Frauen ins Backhaus begleitet hatte. Dasselbe Wohlgefühl, das ihn inmitten des Dufts von Holzkohle, reifer Hefe und Zuckerkaramell überkommen hatte, überfiel ihn auch heute noch.

Leicht war die Arbeit in der Backstube jedoch nicht, das hatte er in den letzten Monaten gelernt. Manchen Arbeitsgang hätten die Maschinen noch übernehmen können, aber Magdalena legte großen Wert auf Handarbeit. Das gefiel Apostoles. Dennoch war es ihm rätselhaft, wie sie das all die Jahre allein hinbekommen hatte. Seine Magdalena. Eine Frau wie keine …

Das Leben ist ein Wunder, dachte er, während er mit leichter Hand Brezeln schlang. Ein großes, nicht berechenbares Wunder. So viel Elend und Leid es bereithielt, so viel Glück und Freude schenkte es. Er, Apostoles Karamidas, war jedenfalls mehr als reich beschenkt worden. Dennoch hatte er sehr viel Mut gebraucht, sich für Magdalena und Maierhofen zu entscheiden und das Akropolis aufzugeben. Zu wissen, dass seine Nichte Elena das Restaurant weiterführte, hatte ihm die Entscheidung allerdings ein wenig leichter gemacht. Das – und seine Liebe zu Magdalena.

Inzwischen war fast ein Dreivierteljahr vergangen, seit er mit ein paar Koffern hierhergezogen war. Und er war überzeugt davon, dass sein Mut belohnt worden war. Maierhofen hatte ihn mit offenen Armen empfangen! Ein paar Freunde – Reinhard und Christine – hatte er ja schon während der Kochwoche im vergangenen Jahr gefunden, doch bald waren mehr dazugekommen. Da war Edy, ein veganer Metzger und komischer Vogel, der sein Herz aber am rechten Platz hatte. Und Vincent, der Zimmermann des Ortes. Dann gab es Josef Scholz, dem das Elektrogeschäft gehörte. Auch Gustav Kleinschmied, der »Hoffotograf« von Maierhofen, war ihm zum Freund geworden, genau wie der alte Doktor Huss, der ihn so sehr an seinen Onkel Germanos auf Kreta erinnerte.

Gemeinsam hatten sie den Stammtisch in der Goldenen Rose wiederbelebt, sehr zum Ärger von Elsbeth Kleinschmied, die anfangs sogar ins Gasthaus gekommen war, demonstrativ auf die Uhr geschaut und ihren Gustav dann mitgenommen hatte. Man erzählte sich, dass im Hause Kleinschmied am Tag darauf die Stimmen laut geworden waren, aber seitdem blieb Gustav so lange am Stammtisch hocken, wie er mochte.

Während Apostoles den Hefeteig, aus dem er als Nächstes die Hefezöpfe formen wollte, nochmals durchknetete, dachte er erneut an all die Veränderungen, die es in den letzten Monaten gegeben hatte, auch in der Bäckerei! Nicht nur hatte Magdalena endlich wieder Hilfe in der Backstube – auch das Angebot der Bäckerei war erweitert worden, und zwar um einige griechische Backwaren. Die Rezepte hatten sie aus ihrem gemeinsamen Urlaub mitgebracht, und die Maierhofener waren begeistert von dem neuen Angebot: kleine Butterkekse, die so wunderbar zu frisch aufgebrühtem Kaffee schmeckten. Loukoumades – frittierte Hefebällchen, mit Honig beträufelt und am besten noch lauwarm genossen, sie waren die Spezialität auf Kreta und nun auch in Maierhofen zu haben. Und griechische Fladenbrote, die man aufschneiden und wunderbar mit Gyros oder Grillgemüse füllen konnte. In Maierhofen kam meist noch eine ordentliche Portion Bergkäse dazu. Magdalena wollte die Fladenbrote beim kommenden Kräuter-der-Provinz-Festival an einem eigenen Stand anbieten, das freute Apostoles ganz besonders.

»Bist du so weit?«, rief Magdalena ihm zu, während sie Kaffee in zwei bauchige Becher einschenkte. Pause. Es war fünf Uhr, das erste Frühstück des Tages stand an.

»Ich komme!« Stolz schaute Apostoles auf die Brezeln, die er gerade aus dem Backofen zog. Sie seien das einzige Gebäck, durch das die Sonne drei Mal hindurchschien, sagten die Leute hier. Schön war das!

»Komm mein Schatz, leg dich ein wenig zu mir.« Einladend winkte Apostoles Magdalena vom Bett aus zu.

Es war drei Uhr am Nachmittag um, und wie jeden Tag hatte sich Apostoles ein wenig hingelegt.

»Besser nicht«, sagte Magdalena lachend, dabei hätte ihr ein kurzes Nickerchen gewiss gutgetan. Aber sie wusste genau, was passieren würde, sobald sie in seinen Armen lag … Wenn überhaupt, dann würde sie sich nachher kurz auf dem Sofa ausruhen.

»Falls ich nicht von selbst wach werde, dann weck mich, ja?«, sagte Apostoles wie jeden Tag.

Und sie nickte wie jeden Tag. Während sie die Tür sanft hinter sich zuzog, verspürte sie ein Gefühl großer Dankbarkeit. Wie sehr sie diesen Mann liebte! Heiß und innig. Manchmal vielleicht ein wenig zu heiß, dachte sie, und Bilder ihrer letzten Liebesnacht huschten durch ihren Kopf. Sie und Sex – dass sie das noch einmal erleben durfte … Aber genauso genoss sie seine liebevolle Art, seine Aufmerksamkeit im Alltag ihr gegenüber. Seine Lebensfreude. Seine Spontanität. Und seine große Gabe, auch mal fünfe gerade sein zu lassen. Ein Mittagschläfchen? Daran hatte sie in all den Jahren nicht mal zu denken gewagt, schließlich galt es, das Tagwerk zu schaffen! Doch dann war Apostoles gekommen und hatte ihr erklärt, dass das im Süden gang und gäbe sei. Und da das Württembergische Allgäu doch auch schon ziemlich weit im Süden läge, spräche doch nichts dagegen, dass sie sich diese Sitte zu eigen machten … Sanft, aber bestimmt hatte er sie mitten am Tag ins Bett gezogen. Und dann war passiert, was fast immer passierte, wenn sie zusammen ins Bett gingen. Sex. Mitten am Tag!

So konnte es aber nicht weitergehen, dachte Magdalena bedauernd. Sie war schließlich keine vierzig mehr. Auch wenn die Liebesstunden wunderschön waren – der Schlafmangel steckte ihr in den Knochen und machte sie häufig gereizt und grantig. Während Apostoles ihre Launen mit Humor nahm, war ihre Verkäuferin Cora wegen ein paar unwirscher Worte erst letzte Woche in Tränen ausgebrochen. Magdalena, völlig entsetzt darüber, was sie ausgelöst hatte, hatte sich eiligst entschuldigt. Doch Cora verhielt sich seitdem reserviert, fast ablehnend. Dabei war es jetzt, da das Kräuter-der-Provinz-Festival bald bevorstand, noch wichtiger als sonst, dass sie alle gut zusammenarbeiteten.

Besser also kein Sex und dafür die Wohnung aufräumen! Die...