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Sherlock Holmes und die Theatermorde - Ein Detektiv-Krimi mit Sherlock Holmes und Dr. Watson

Sherlock Holmes und die Theatermorde - Ein Detektiv-Krimi mit Sherlock Holmes und Dr. Watson

Nicholas Meyer

 

Verlag beTHRILLED, 2018

ISBN 9783732555307 , 221 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,99 EUR

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Sherlock Holmes und die Theatermorde - Ein Detektiv-Krimi mit Sherlock Holmes und Dr. Watson


 

KAPITEL 1


Zu Hause bei Sherlock Holmes


Londons gesamte Theaterwelt redete und rätselte über den Mord an Jonathan McCarthy, sobald die Nachricht davon in der Presse erschienen war. Es wimmelte von Theorien über den boshaften Kritiker und die vielen Feinde, die er sich mit seiner Feder geschaffen hatte. Aber Neugier, die unbefriedigt bleibt, stirbt schließlich an der Langeweile. McCarthys Mörder wurde nie ausfindig gemacht, geschweige denn gefasst, und da sich keine neuen Fakten ergaben, sah sich die Polizei schließlich gezwungen, sich dem allgemeinen Publikum mit dem Eingeständnis zuzugesellen, dass sie auch nicht weiterwusste. Der Fall wurde nie abgeschlossen, aber die allgemeine Aufmerksamkeit wurde unvermeidlich von neueren Ereignissen abgelenkt. Der geheimnisvolle Tod einer Schauspielerin im Savoy-Theater beschäftigte dieselben Klatschmäuler wochenlang, und Scotland Yard wurde es recht leid, das sonderbare Verschwinden seines Polizeiarztes zu erklären, der unter Mitnahme zweier Toter aus dem Leichenschauhaus auf Nimmerwiedersehen verschwunden war. In McCarthys Fall übersah die Polizei denn auch den bizarren Schlüssel zur Lösung, den der Tote hinterließ (oder sie vergaß ihn, weil sie sich keinen Reim darauf machen konnte).

Wie hätte die Bevölkerung gezittert, wäre die Bedeutung dieses Schlüssels klar geworden! Statt müßig (oder im Fall der Polizei von Berufs wegen) an einer Affäre Interesse zu nehmen, die sie persönlich nichts anging, auch wenn sie voller Sensationen steckte, stattdessen also hätten sie sich – allesamt! – ganz real in ein Verbrechen von solcher Grässlichkeit verwickelt gesehen, dass es drohte, das neunzehnte Jahrhundert mit einem Schandfleck zu versehen und den Lauf der gesamten Geschichte zu verändern.

Der Winter 1894/1895 war fürchterlich gewesen. Soweit die Erinnerung zurückreichte, war London nie so eingeschneit worden; soweit die Erinnerung zurückreichte, hatte niemals ein solcher Wind in den Straßen geheult, hatten sich keine solchen Eiszapfen an Regentraufen und Dachrinnen gebildet wie im Januar 1895. Das Wetter blieb den ganzen Februar über rau und hielt die Straßenfeger unablässig und bis zur Erschöpfung auf den Beinen.

Holmes und ich blieben gemütlich zu Hause in der Baker Street. Keine neuen Fälle tauchten aus den Schneewehen auf, was wir mit unverhohlener Erleichterung begrüßten. Ich verbrachte die meiste Zeit damit, meine eigenen Notizen zu ordnen, nachdem ich zunächst einmal Holmes das Versprechen abgenommen hatte, sich chemischer Experimente zu enthalten. Ich wies ihn darauf hin, dass es bei mildem Wetter möglich sei, sich dem Gestank, den er mit seinen Reagenzgläsern und Retorten verbreitete, durch Öffnen der Fenster und einem Spaziergang im Freien zu entziehen, dass wir uns aber unweigerlich zu Tode frieren würden, sollte er sich seinem Steckenpferd gerade jetzt hingeben.

Darüber murrte er nicht wenig, hatte aber ein Einsehen und begnügte sich für eine Weile mit Scheibenschießen, einem seiner bevorzugten Vergnügen. Während ich am Schreibtisch saß und versuchte zu arbeiten, lag er für jeweils eine Stunde auf dem Rosshaarsofa, die Pistole zwischen den Knien, und entließ eine Ladung nach der anderen auf die Wand über dem Holztisch, der seine Chemieapparaturen beherbergte.

Es war ihm gerade gelungen, den Namen Disraeli mit Einschusslöchern zu buchstabieren, als ihm auch dieser Zeitvertreib verweigert wurde. Mrs Hudson klopfte an unsere Tür und teilte ihm mit unverblümten Worten mit, dass er die Nachbarschaft gefährde. Es gebe, so sagte sie, Beschwerden von einer kränklichen alten Dame im Haus nebenan, die fürchte, dass Holmes’ Artillerieübungen sich schädlich auf ihre bereits geschwächte Konstitution auswirken könnten.

Außerdem hatten die Einschüsse mehrere große Eiszapfen zu Fall gebracht, bevor diese zu einem harmlosen Umfang hatten schmelzen können. Einer dieser Stalaktiten hatte, so schien es, beinahe den Kopf des Müllmannes durchbohrt, der nun unserer Hauswirtin mit einem Gerichtsverfahren drohte.

»Wirklich, Mr Holmes, man sollte meinen, ein erwachsener Mann wie Sie würde besser mit seiner Zeit umzugehen wissen!«, rief sie mit vor Erregung wogendem Busen. »All die schönen Bücher, die Sie haben und die nur darauf warten, gelesen zu werden. Und da«, – sie zeigte auf mehrere verschnürte Pakete –, »eine Menge, die Sie noch nicht mal ausgepackt haben.«

»Schon gut, Mrs Hudson, Sie haben gewonnen. Ich werde mich in die Lektüre vertiefen.« Er geleitete sie missmutig hinaus und kehrte mit einem verärgerten Seufzer zurück. Ich war froh, dass wir nicht länger Kokain im Hause hatten, denn in früheren Zeiten hätten solche Frustration und Langeweile ihn sofort Trost in diesem dubiosen Mittel suchen lassen. Stattdessen befolgte Holmes den Rat der Hauswirtin und begann mit einem kleinen Taschenmesser die Schnüre seiner Buchpakete durchzuschneiden und ihren Inhalt zu inspizieren. Er war ein Zwangsbibliophiler und kaufte ständig neue Bände, die er in unsere Wohnung schicken ließ, aber aus Zeitmangel niemals las. Jetzt hockte er sich in ihrer Mitte nieder und fing an, sich die Namen von Werken zu besehen, von denen er vergessen hatte, dass er sie besaß.

»Oh, Watson, sehen Sie nur«, hub er an, ließ sich dann aber ganz auf den Boden sinken, das Buch in der einen Hand, während er mit der anderen abwesend nach der Pfeife in der Tasche seines Morgenrocks tastete.

Er verschlang das Buch zusammen mit mehreren Pfeifen Shag (beinahe so übelriechend wie einige seiner Chemikalien) und ging zu einem anderen Band über. Er hatte begonnen, sich für altenglische Charten zu interessieren, und bereitete sich nun auf ein ernsthaftes Studium des Themas vor. Diese Betätigung überraschte mich nicht besonders. Ich wusste, dass sein Interessengebiet weitreichend, vielseitig und gelegentlich etwas unkonventionell war. Er hatte eine Reihe obskurer Themengebiete gemeistert – Themengebiete, die mit der Arbeit des Kriminaldetektivs nichts zu tun hatten – und konnte sich (wenn er wollte) brillant über so verschiedenartige Dinge auslassen wie das Kriegsschiff der Zukunft, künstliche Bewässerung, die Motetten von Lassus und die Paarungsgewohnheiten des südamerikanischen Jaguars.

Jetzt waren es englische Charten, denen er sich mit derselben Leidenschaft widmete, mit der er seinen enormen Intellekt bei anderen Betätigungen einsetzte. Er hatte sich offenbar schon vor einiger Zeit für sie erwärmt, denn die meisten der Bücher, die er angeschafft (und dann zu öffnen versäumt) hatte, behandelten diese ausgefallene Thematik, und nach Ablauf einer Woche war der Boden unseres Wohnzimmers mit ihnen geradezu gepflastert. Schließlich befand er sämtliche vorhandenen Werke als unzureichend für seine Zwecke und sah sich gezwungen, sich seinen Weg durch den Schnee ins Britische Museum zu bahnen, um Verstärkung herbeizuholen. Diese Beutezüge nahmen mehrere Nachmittage der letzten Februarwoche in Anspruch; die Nächte verbrachte er mit der sorgfältigen Übertragung seiner Notizen. Es war an einem kalten, sonnigen Morgen, dem 1. März, als er voller Widerwillen seinen Bleistift quer durchs Zimmer warf.

»Es hat keinen Sinn, Watson«, sagte er, »ich werde nach Cambridge fahren müssen, wenn ich mich mit dieser Sache ernsthaft befassen will. Hier gibt es einfach nicht genug Material.«

Ich gab zu bedenken, dass sein Interesse sich in eine Manie zu entfalten drohe, aber er schien mich nicht zu hören. Er begab sich auf die Jagd nach dem zu Boden geschleuderten Stift, um die Arbeit an den Notizen wieder aufzunehmen. Dabei verkündete er mit einer didaktischen Formalität, die in einem sonderbaren Kontrast dazu stand, dass er sich auf allen vieren befand: »Der Geist ist ein weites Feld, Watson. Es kann nur urbar gemacht werden, wenn es mit Vernunft bestellt und von Zeit zu Zeit brachgelassen wird. Ein Teil meines Geistes – der berufliche – macht zurzeit Ferien. Während seiner Abwesenheit kultiviere ich einen anderen seiner Bereiche.«

»Was für ein Jammer, dass Ihr beruflicher Geist gerade außer Haus ist«, bemerkte ich, während ich durchs Fenster die Straße beobachtete.

Er folgte meinem Blick vom Boden aus. »Warum? Was sehen Sie?«

»Mir scheint, dass uns ein Besucher ins Haus steht, jemand, der sich für das Feld Ihres Intellekts interessiert, das zurzeit brachliegt.« Draußen war – zwischen den Spaten der Schneeschaufler und dem Besen des Hausmädchens behände herankommend oder vielmehr heranhüpfend – eine der eigenartigsten Gestalten zu sehen, die mir je vor Augen gekommen waren.

»Er sieht mir ganz nach einem geeigneten Kandidaten für einen Besuch in Nummer 221 b aus«, fuhr ich fort, in der Hoffnung, meinen Freund von den Büchern abzulenken, die ihn so enttäuschten.

»Ich bin nicht in der Stimmung, Besucher zu empfangen«, erwiderte Holmes missgelaunt und stieß die Fäuste in die Schlafrocktaschen. »Wie sieht er aus?« Die Frage kam automatisch über seine Lippen.

»Zunächst einmal trägt er keinen Mantel. Er muss von Sinnen sein, an einem solchen Morgen.«

»Kleidung?«

»Eine Gürteljacke und Knickerbocker – bei diesem Wetter! Sie sehen sogar auf diese Entfernung ziemlich abgetragen aus. Er rückt sich ständig die Manschetten zurecht.«

»Wahrscheinlich falsche. Alter?«

»Etwa vierzig, mit einem enormen, etwas rötlichen Bart, dieselbe Farbe wie sein Haar, der ihm beim Gehen über die Schulter weht.«

»Größe?« Ich konnte hören, wie hinter mir ein Streichholz angezündet wurde.

»Ich würde sagen, eher groß, über...