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Immerwelt - Der Pakt - Fantasy Jugendbuch

Immerwelt - Der Pakt - Fantasy Jugendbuch

Gena Showalter

 

Verlag Dragonfly, 2019

ISBN 9783959678094 , 480 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz DRM

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13,99 EUR

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Immerwelt - Der Pakt - Fantasy Jugendbuch


 

1. KAPITEL

»In der Not zeigt sich deine größte Stärke … oder größte Schwäche.«

Troika

Heute

Der Sand in der Sanduhr rieselt, ein Korn nach dem anderen … dem anderen … aus einer Sekunde werden zwei … drei Sekunden … Ich versuche, meine bruchstückhaften Gedanken zusammenzusetzen. Was schwierig ist. Mein Verstand ist umnebelt, meine Gedanken sind unscharf. Vier …

Etwas wird mir klar. Dass Zahlen meine größte Leidenschaft sind; sie erzählen immer eine Geschichte und sie lügen nie.

Fünf … fünf … fünf. Die Zahl schwirrt in meinem Kopf herum, wiederholt sich ständig. Klick. Vor fünf Minuten und vierzehn Sekunden bin ich gestorben.

Halt! Ich bin tot?

Muss ich sein. Mein Herz schlägt nicht mehr und meine Lunge ist kollabiert. Ich kann nicht atmen. Schweiß tropft von meinem Nacken über meinen Rücken, und doch bleibt mein Körper eiskalt.

Ruhig. Still. Obwohl mein Körper vernichtet ist, lebt meine Seele weiter. Das ist ein neuer Anfang. Ein neues Leben.

Ruhig? Im Ernst? Von jetzt an habe ich null zweite Chancen mehr. Null zweite Versuche. Alles, was ich tue, wird von Bedeutung sein: Jedes Wort, das ich sage, alles, was ich tue, jede Person, mit der ich mich befreunde, und jeder Feind, den ich umbringe, wird sich positiv oder negativ auf mich auswirken. Ohne Wenn und Aber.

Willkommen in Ewigleben.

Diese Worte wispern im Wind, in meinen Ohren klingelt es leise. In Sekundenschnelle steigt die Lautstärke an. Ich zucke zusammen. Meine Knochen vibrieren, und ich spüre ein leichtes Klopfen gegen meine Rippen.

Klopf, klopf. Klopf, klopf.

Bamm, BAMM!

Ich schnappe nach Luft, und als ich meinen ersten Atemzug tue, erwacht schließlich mein wahres Ich. Meine Brust kühlt ab und meine Lunge füllt sich. Ich kann wieder atmen. Ich bin tot, aber ich lebe noch.

Erhebe dich! Erhebe dich und glänze!

Ein weiteres Wispern treibt im Wind … oder in meinem Kopf spricht eine Stimme.

Bin ich tot und verrückt?

Sofort fühle ich mich schwach und schalte zurück auf meine Standardeinstellung: zählen. Sechs … sieben …

Klick. Siebzehn! Ich bin siebzehn Jahre alt. Ich wurde am zehnten Tag des zehnten Monats um 10 Uhr 10 geboren, und ich starb am elften Tag des elften Monats um 10 Uhr 14.

1 + 1 + 1 + 1 + 1 + 0 + 1 + 4 = 10

Die Hand des Schicksals, würden manche sagen. Falsch! Schicksal ist nur ein Mythos, eine Ausrede, eine Möglichkeit, jegliche Schuld von sich zu weisen. Zwar haben wir vielleicht eine göttliche Bestimmung, doch geschieht nicht alles durch göttliches Eingreifen. Unsere Taten verändern den Lauf unseres Lebens zum Besseren oder Schlechteren.

Wir selbst sind die oberste Instanz.

Meine Gegenwart ist das Ergebnis aller Entscheidungen, die in meiner Vergangenheit getroffen wurden – von mir und auch von anderen Menschen um mich herum. Wir sind verantwortlich … weiterzählen … acht, neun … zehn. Ten!

Klick, klick. Mein Name ist Tenley Lockwood. »Ten« für meine Freunde.

5 + 5 = 10. Repräsentiert zwei gleiche Teile.

Das letzte Puzzleteilchen fällt auf seinen Platz. Zwei Sphären in Ewigleben – Troika und Myriad – sind momentan in einen harten, brutalen Krieg verwickelt.

Troika hat dafür gekämpft, mir das Erstleben zu retten, wohingegen Myriad alles unternahm, um es zu beenden. Myriad hat sich als erfolgreich erwiesen. Meine Leiche liegt auf einer blutgetränkten Straße im Herzen von Los Angeles.

Gratulation, Myriad. Ihr habt die Schlacht gewonnen. Den Krieg werdet ihr nicht gewinnen.

Mit meinem letzten Atemzug habe ich Troika die Treue geschworen, für immer und ewig, und ich bereue es nicht. Ich achte das Erstleben. Ich mag Regeln und Strukturen. Und ich finde, Strafe soll nicht schaden oder verletzen, sondern einem etwas beibringen.

Nun bin ich also Troikanerin, neu geboren aus Blut und Gewalt. Eine Soldatin in einem Krieg, der so alt ist wie die Zeit. Nun bin ich mit Leuten verfeindet, die ich nie getroffen habe, aber auch mit Leuten, die ich kenne und liebe.

Ich bin nun eine Feindin von Killian, einem Top-Agenten von Myriad.

Killian! Sein Name klingt wie ein zerrissener Schrei aus der Tiefe meiner Seele. Man könnte sagen, wir hatten eine Beziehung, aber das ist ein viel zu schwaches Wort. Ich war nach ihm süchtig wie nach einer Droge … dennoch habe ich Troika seiner Sphäre Myriad vorgezogen.

Trautes Heim, Glück allein. Das ist etwas, was ich praktisch nie kennengelernt habe.

Ich sollte ihn also hassen, doch alles in mir zieht sich bei dieser Vorstellung schmerzhaft zusammen. Ich werde ihm niemals schaden. Er bedeutet mir zu viel.

»Ist sie tot?« Eine barsche, unbekannte Stimme. »Ist sie das Bündnis mit Troika eingegangen?«

»Ja und ja.«

Den heiseren irischen Singsang erkenne ich. Erleichterung erfasst mich, sie fühlt sich an wie ein kühler Wasserfall. Killian ist nicht von meiner Seite gewichen!

Ich will ihn so dringend sehen, dass ich zittere.

»Ganz schön scheiße, du zu sein«, fährt der Unbekannte fort. In der Ferne ertönt das Klirren von Schwertern. »Jetzt, da Madame Bennett tot ist, bist du Zhi unterstellt. Wenn er herausfindet, dass du das Lockwood-Mädchen nicht für uns gewinnen konntest, wird er deinen Kopf auf einer Lanze aufspießen.«

Aus meiner Erleichterung wird Verzweiflung. Killian ist in Gefahr. Meinetwegen. Ich will ihm helfen, muss ihm helfen, als ich jedoch aufzustehen versuche, stecke ich fest wie eingemauert. Sinnlos!

Was ist das Problem? Meine äußere Hülle ist tot, alle Verbindungen zu meiner Seele unterbrochen. Da sollte ich doch in der Lage sein, hinauszuschweben, oder vielleicht nicht?

»Geh.« Killians Befehl klingt bedrohlich. »Beschütze unsere Leute vor den Troikanern.«

»Damit du Lockwood tötest, bevor ihre Seele ihren Körper verlässt, und du dann die Belohnung allein einstreichen kannst? Nein.«

Belohnung?

Auf einmal ist da ein Sirren. Flammen knistern. Rauch erfüllt scharf und beißend die Luft.

Ich höre ein schmerzvolles Aufkeuchen. Ein lautes Rumms.

»Liegen bleiben«, zischt Killian.

Er hat also den Unbekannten angegriffen?

Warum sollte er einen seiner Brüder verletzen, um seine Feindin zu retten? Warum sollte er riskieren, bestraft zu werden?

Die Antwort ist leicht: Das würde er niemals tun, außer für mich und nur für mich.

Am liebsten würde ich dahinschmelzen, versuche aber, mich zusammenzureißen. Befreie dich, beschütze Killian.

Als er die Möglichkeit hatte, mich zu einem Bündnis mit Myriad zu überreden und damit den Abschluss zu besiegeln, drängte er mich stattdessen, meinem Herzen zu folgen. Wir wussten beide, dass ich nach Troika gehöre. Ihm waren meine Bedürfnisse wichtiger als seine Wünsche, als eine Belohnung oder eine Strafe.

Er hat sein Glück für mich geopfert, aber ich war nicht in der Lage, dasselbe für ihn zu tun. Was für eine miese Freundin bin ich eigentlich?

Ich muss an meine letzten Sekunden denken. Sloan Aubuchon, einst meine Feindin, dann meine Freundin, dann meine erbitterte Feindin, durchbohrte mich mit einem vergifteten Speer.

Ich hasse ihn mehr, als ich dich liebe, sagte sie.

Ihn. Dr. Vans, das Monster, das uns in der Prynne-Anstalt, einem »Heim« für eigensinnige Teenager, den schlimmsten Folterungen ausgesetzt hat.

Myriad versprach, Sloan dabei zu helfen, sich an Vans zu rächen, wenn sie das Bündnis mit ihnen einging und mich ermordete. Sie stimmte beidem zu.

Ihr Verrat traf mich genauso tief wie ihr Speer. Natürlich hat ihr Vans Entsetzliches angetan. Dinge, die niemand jemals ertragen sollte. Aber sein Verhalten entschuldigt nicht ihres. In ihrer Rachsucht wurde sie genau wie er, sie verriet mein Vertrauen, wie er ihres verraten hat.

Zumindest hat sie umgehend dafür büßen müssen. Killian riss den Speer aus meinem Körper und spießte sie auf, um mich vor weiterer Gefahr zu schützen.

Noch ein Grund, warum er bestraft werden wird. Ich muss ihm helfen.

Ich schlage und trete um mich, mache aber nach wie vor keine Fortschritte.

»Wo ist sie, Killian?« Eine andere Stimme. Diese ist ebenfalls leicht wiederzuerkennen. »Wo versteckst du sie?«

Deacon, ein troikanischer Agent. Mein Freund. Er hat mich immer an einen zähen alten Krieger erinnert, der über genauso viel Ehrgefühl wie Muskeln und Kraft verfügt.

Wenn mich jemand befreien kann, dann Deacon.

»Hier drüben«, krächzt Killian. »Sie ist bereits … Man kann sie nicht mehr retten …«

Etwas Hartes und Warmes umschlingt meine Handgelenke. Auf einmal stehe ich fest auf den Beinen und ich kann sehen!

Ich keuche auf, als ich die Geistwelt, die um mich herum in vollem Gange ist, zum ersten Mal erblicke. Gesprenkeltes goldenes Sonnenlicht ergießt sich aus einem saphirfarbenen, seidigen Himmel. Dicke Wolken benetzen das Land darunter mit atemberaubendem Regen aus Diamantenstaub.

Dann wird mir etwas klar. Das sind keine Wolken, sondern eine ganze Reihe von merkwürdig geformten Gebäuden, auf deren Mauern bewaffnete Soldaten hin und her marschieren.

Auf einmal öffnet sich eine Schleuse in meinem Kopf...