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Wenn das Glück erwacht - Liebesroman

Wenn das Glück erwacht - Liebesroman

Robyn Carr

 

Verlag MIRA Taschenbuch, 2019

ISBN 9783955769000 , 368 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz DRM

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8,99 EUR

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Wenn das Glück erwacht - Liebesroman


 

1. Kapitel

Es sind die kleinen Dinge, an denen du zerbrichst. Das hatte Emma Shay in letzter Zeit häufig gedacht. Sie ertrug es, dass ihr alles genommen wurde, während sie in einem kleinen Motel an der Küste von New Jersey quasi unter Hausarrest stand. Während ihr Mann beerdigt wurde. Während die Reporter ihr unterstellten, dass sie von den Betrügereien ihres Mannes gewusst hatte und vielleicht sogar seine Komplizin war. Das alles hielt sie aus. Doch als der Absatz ihrer besten Slingback-Pumps abbrach und sie die Treppe vor dem Gerichtsgebäude herunterfiel, brach sie in Tränen aufgelöst zusammen. Das Foto ging durch sämtliche Medien, selbst im »People«-Magazin wurde es abgedruckt. Als man sie kurz darauf in ihrem Yogastudio bat, in Zukunft nicht mehr zu kommen, wäre sie vor Scham am liebsten gestorben. An diesem Abend weinte sie sich in den Schlaf. Niemand hatte ihr je erklärt, dass so ein letzter Strohhalm schwer zu fassen war.

Das gesamte Inventar aus ihrem Apartment in Manhattan und ihrem Ferienhaus war versteigert worden. Sie hatte nur einige praktische Dinge zusammengepackt, ihre Alltagskleidung hatte sie zu einem Teil an Frauenhäuser gespendet. Natürlich waren alle Wertgegenstände – die Kunstwerke, das Glas, das Porzellan, das Tafelsilber und der Schmuck – als Erstes gepfändet worden. Sogar Gegenstände, bei denen sie beweisen konnte, dass sie nichts mit Richards krummen Geschäften zu tun gehabt hatten, wie die Hochzeitsgeschenke von Freunden. Ihre Designerroben waren weg. Ihr Hochzeitskleid von Vera Wang. Einen gewissen Teil ihrer teuren Bettwäsche und Handtücher und der Küchenausstattung samt Gläsern, Tischsets, Servietten und so weiter durfte sie behalten. Außerdem nahm sie die Kiste mit Fotos mit, von denen die meisten aus der Zeit vor Richard stammten. Sie lud alles in ihren Toyota Prius. Selbstverständlich war der Jaguar auch Geschichte.

Man hatte ihr einen finanziellen Vergleich angeboten, nachdem man ihr nicht nachweisen konnte, dass sie etwas mit Richards Schneeballsystem zu tun gehabt hatte. Natürlich konnte man es nicht nachweisen, denn sie war ja unschuldig. Aber sie hatte auch nicht gegen Richard ausgesagt – allerdings nicht etwa aus Gründen der Loyalität oder weil es ihr von Rechts wegen zustand, sondern schlicht, weil sie nichts zu erzählen hatte, das in irgendeiner Weise dem Verfahren geholfen hätte. Sie war nicht etwa jeden Tag im Gerichtssaal gewesen, um Richard zu unterstützen, sondern bloß, weil sie wissen wollte, welcher Verbrechen er genau beschuldigt wurde. Sie hatte damals Ersparnisse in Höhe von neuntausend Dollar mit in die Ehe gebracht. Jetzt war sie Witwe, und die neuntausend Dollar hatte man ihr gelassen. Sie befanden sich auf ihrem Girokonto und würden ihr als Reserve dienen. Emma verließ New York und fuhr einmal quer durchs Land – bis nach Sonoma County, wo sie aufgewachsen war.

Sie hatte alles gründlich durchdacht. Schon Monate vor Richards Tod. Sie hätte die Vergleichssumme akzeptieren und sich in die Karibik absetzen können. Oder vielleicht nach Europa. Die Schweiz hatte ihr immer gefallen. Sie hätte einen anderen Namen annehmen, sich die Haare färben und über ihre Vergangenheit lügen können. Aber was, wenn man ihr auf die Schliche kam? Wollte sie wirklich ein Leben auf der Flucht führen?

Stattdessen lehnte sie das Vergleichsangebot ab und trennte sich von allem, was sie hätte behalten können. Denn sie wollte Richards zu Unrecht erworbene Güter nicht. Obwohl sie selbst niemanden betrogen hatte, konnte sie guten Gewissens nicht unter solchen Umständen leben.

In Santa Rosa kannte sie noch ein paar Leute von früher. Mit einigen war sie in Kontakt geblieben. Es war ihre alte Heimat. Von ihrer Familie lebte jedoch kaum noch jemand hier. Ihre Stiefmutter Rosemary war mit ihrem dritten Ehemann nach Palm Springs gezogen. Soweit Emma wusste, wohnten ihre Stiefschwester Anna und ihre Halbschwester Lauren noch gemeinsam in dem Haus, in dem sie alle zusammen groß geworden waren. Aber sie hatten sich von Emma abgewandt, nachdem Richard verurteilt worden war. Mit ihrer Stiefmutter hatte sie zum letzten Mal kurz vor Richards Tod gesprochen, als alles um sie herum zusammengebrochen war. Vor einigen von Richards wütenden Betrugsopfern hatte Emma sich regelrecht verstecken müssen, denn sie waren überzeugt gewesen, Emma hätte sich einen Teil des verschwundenen Geldes unter den Nagel gerissen. Rosemary hatte zu ihr gesagt: »Diesmal hat sich deine Gier wohl nicht ausgezahlt.«

»Rosemary, ich hatte doch nichts damit zu tun!«, hatte Emma ihr versichert.

Und dann hatte ihre Stiefmutter ausgesprochen, was alle glaubten. »Sagst du

Tja. Diese Frau hatte nie etwas von ihr gehalten. Jetzt baute Emma darauf, dass nicht alle in Sonoma County so dachten wie sie. Emma war hier aufgewachsen, hatte die katholische Grundschule und die Highschool besucht. Und sie hielt es für extrem unwahrscheinlich, dass Mandanten – beziehungsweise Opfer – von Richards in New York ansässiger Investmentfirma in den kleinen Ortschaften von Sonoma County zu finden waren.

Ihr bester Freund Lyle Dressler, mittlerweile vermutlich ihr einziger Freund, hatte für sie einen kleinen möblierten Bungalow in Sebastopol gefunden. In dieser Stadt lebte Lyle mit seinem Partner. Also hatte sie dort zumindest etwas moralische Unterstützung.

Emma war jetzt vierunddreißig. Sie hatte Richard Compton vor neun Jahren geheiratet. Damals war er fünfundvierzig gewesen, klug, gut aussehend, erfolgreich. Mit ihren fünfundzwanzig Jahren war sie absolut von ihm verzaubert gewesen, obwohl er zwanzig Jahre älter war als sie. Aber fünfundvierzig war doch kein Alter! Er war fit, genial, reich und mächtig gewesen. Er hatte sogar zu den begehrtesten Junggesellen von New York City gehört.

Damals hatten Rosemary und Emmas Schwestern ihn auch noch gemocht. Sie waren ganz begierig darauf gewesen, zu irgendwelchen Veranstaltungen nach New York zu reisen, zu denen Richard sie – wenn auch nur widerwillig – eingeladen hatte. Doch kaum war es hart auf hart gekommen, hatten sie Emma nicht das kleinste bisschen Unterstützung angeboten.

Die Jahre, in denen die Vorwürfe und die Anklage gegen Richard noch nicht ihre Ehe überschattet hatten, waren zwar nicht gerade der Himmel auf Erden, aber auch nicht schlecht gewesen. Alles, worüber sie sich beschwert hatte, war ihr von anderen Frauen in ähnlicher Lage bekannt gewesen: Ihr Mann hatte zu viel zu tun, war dauernd abwesend, und selbst auf gemeinsamen Reisen verbrachten sie kaum Zeit miteinander. Die Freunde, die sie in New York durch ihre Arbeit kennengelernt hatte, waren immer mehr aus ihrem Leben verschwunden, nachdem sie den superreichen Investmentbanker geheiratet hatte.

Und da sie sich in den elitären Kreisen, in denen sie seitdem verkehrte, nie wirklich wohlgefühlt hatte, kam sie sich immer etwas einsam vor. Dabei war sie permanent unter Leuten, engagierte sich in Komitees, trieb Sport, empfing Gäste und bildete sich ein, dass sie für Richard unverzichtbar war. Tatsächlich war er alles, was sie noch hatte. Es war ein äußerst dunkler Tag gewesen, als sie schließlich entdeckt hatte, dass sie den Mann an ihrer Seite in Wahrheit überhaupt nicht gekannt hatte.

Die Untersuchung der Börsenaufsicht hatte kurz vor ihrem fünften Hochzeitstag begonnen. Vor dem siebten waren die Anklageschrift erstellt und alle Konten eingefroren worden. Den achten hatte sie im Gerichtssaal verbracht. Richards Verteidiger hatten zwar eine Aufschiebung erreichen können, doch schließlich war der Tag der Verhandlung da. Es war ein wahres Spektakel von einer Verhandlung, und Emma spielte die vertrauensvolle, gute Ehefrau, die erhobenen Hauptes dabeisaß. Richards Mutter und Schwester waren dem Prozess ferngeblieben und weigerten sich auch, Interviews zu geben. Emma hatte stets geglaubt, die beiden hätten sie nie für gut genug für Richard gehalten, aber nach der Verhandlung änderte sie ihre Meinung. Die beiden mussten über Richard Bescheid gewusst haben. Sie hatten seine innere Leere, seine dunkle Seite gekannt.

Er selbst hatte in der ganzen Zeit nicht mit ihr über die Angelegenheit gesprochen, erst kurz vor dem bitteren Ende. Auf ihre Frage nach der Untersuchung hatte er bloß erwidert, sie seien hinter ihm her. Es sei eben ein hartes Geschäft, doch er sei härter, und man werde ihm niemals etwas nachweisen können. Am Ende war es zwischen ihnen zu einigen kurzen, hässlichen, allerdings aufschlussreichen Wortwechseln gekommen. Wie konntest du nur? – Wieso denn nicht? – Womit kannst du deine Gier rechtfertigen? – Meine Gier? Was ist mit deren Gier? – Müssen sie sich rechtfertigen? – Sie alle wollten, dass ich für sie das meiste raushole! Ich sollte für sie Stroh zu Gold spinnen, selbst wenn ich dafür lügen, stehlen und betrügen musste! Jeder Einzelne von ihnen wollte abkassieren, bevor das System aufflog!

Die Ermittler konnten alles genauestens nachweisen. Richards Angestellte machten Deals mit der Staatsanwaltschaft und sagten im Gegenzug gegen Richard aus. Tonnen von Papieren dokumentierten Wertpapierbetrug, Diebstahl, Post- und Überweisungsbetrug, Geldwäsche … Die Liste war lang. Kurz vor dem Ende, als Richard zu fliehen versucht hatte und ohne viel Federlesens von den US-Marshals zurückgebracht worden war, als man seine Offshore-Konten entdeckt und ihm zugeordnet hatte, als ihm eine lange Haftstrafe gedroht hatte und nichts mehr zu retten gewesen war, da erschoss Richard sich.

Natürlich glaubte niemand, dass Emma nichts von seinen Machenschaften gewusst hatte. Vermutlich meinten...