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Gefangene der Wildnis 2: Diana - Historischer Liebesroman

Gefangene der Wildnis 2: Diana - Historischer Liebesroman

Gabriele Ketterl

 

Verlag Amrûn Verlag, 2018

ISBN 9783958693630 , 310 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz frei

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4,99 EUR

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Gefangene der Wildnis 2: Diana - Historischer Liebesroman


 

Great Lakes Region, Anfang November

Die Wintersonne fiel schräg durch das kleine Fensterchen, das Maroque, der ebenso verrückte wie fürsorgliche Franzose, mühsam für sie in das Dach des Blockhauses eingebaut hatte. Die vorwitzigen Strahlen kitzelten sie an der Nase. Diana setzte sich ein wenig mühsam auf und streckte die steifen Arme und Beine. Noch immer verkrampfte sie sich in den langen Nächten, noch immer suchten dunkle Träume sie heim. Es war besser geworden in den letzten Tagen, aber sie waren noch da. Natürlich waren sie das nach der doch erst kurzen Zeit. Allerdings gelang es ihr nach dem Erwachen schnell, sie zu verdrängen. Ihr neues Leben erschien ihr wie ein Wunder. Ein Wunder, das ihre Schwester Louisa, deren Gefährte Jacques, dessen Bruder Sunk’Pala und vor allem der Vater der beiden, Wanbli Waste, ihr schenkten.

Der Herbst war beinahe vorüber, die Nächte hier oben in den Wäldern wurden bereits empfindlich kalt. Diana krabbelte unter der Decke und dem warmen Fell, das Wanbli Waste ihr für ihr Lager mitgebracht hatte, hervor und tapste auf bloßen Füßen zu dem Fensterchen. Draußen war der Morgen angebrochen und die Sonne tat ihr Möglichstes, um den Tag ein wenig zu erwärmen. Sie selbst fror jedoch, es war eine Kälte, die aus ihrem Inneren kam, eine Kälte, die sich nicht so einfach mit Fellen oder Decken besiegen ließ. Wann immer in den Nächten die Träume kamen, klebte ihr Nachthemd schweißnass an ihrem Körper. Bisher gelang es ihr, diesen Umstand vor Louisa und Jacques zu verbergen und sie hoffte, dass es auch weiterhin gelingen würde. Sie wollte nicht, dass ihre große Schwester, die sich sowieso schon viel zu viel um sie sorgte, noch mehr beunruhigt wurde.

Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, wann immer sie an Louisa dachte und oft auch, wenn sie die Ältere beobachtete. Diana war so unglaublich stolz auf Louisa, auf das, was in der Zeit hier in der Wildnis aus ihr geworden war. Die kapriziöse, anspruchsvolle und an ihren Mitmenschen nicht immer gerecht handelnde herrschaftliche Dame war ein für alle Mal verschwunden. Dafür stand eine strahlend schöne Frau in einer kleinen, verrauchten Küche, buk Brot und Kuchen, kochte Kaffee, nahm Fische aus und verwandelte sie in ein köstliches Abendessen.

Seit sie denken konnte, war Diana ihrer Schwester in Liebe verbunden gewesen, diese neue Louisa aber betete sie regelrecht an. Damit war sie allerdings nicht alleine. Jacques, der große, stolze Lakotakrieger, der Louisa mit so viel Einfühlungsvermögen und unendlich viel Geduld zurück ins Leben geholt hatte, liebte ihre Schwester ebenfalls aus ganzem Herzen. Louisa erwiderte diese Liebe so offen und so herzlich, dass es ihr in unbeobachteten Momenten nicht selten die Tränen in die Augen trieb. Die drei Lakota waren dafür verantwortlich, dass ihr ein neues Leben und eine neue Schwester samt Familie geschenkt worden waren.

Während sie in die warmen Lederstiefel schlüpfte, die ihr Sunk’Pala vor wenigen Tagen wortlos neben das Bett gestellt hatte, erschien vor ihren Augen ein Bild aus Zeiten, an die sie eigentlich nicht mehr denken wollte. Der herrische Vater und die sanfte, ebenso wie sie langsam verzweifelnde Mutter. Und die Reichen und Mächtigen Chicagos, die ihr Vater stets um sich versammelte. Nicht einmal ein Jahr war nötig gewesen, um Frank Kedleston hier in Amerika zu einem der einflussreichsten Geschäftsleute werden zu lassen. Auch wenn alle dachten, sie würde es nicht verstehen: Diana verstand nur zu gut. Nie wieder wollte ihr Vater die Schmach erdulden müssen, mittellos dazustehen, nachdem zuvor schon einmal der Bankrott der Familie durch seine eigenen, falschen Entscheidungen verursacht worden war. Waren seine Handlungen in England noch als annähernd fair und gerecht zu bezeichnen gewesen, so war er nun zu einem rücksichtslosen und absolut gnadenlosen Menschen geworden. Sein ursprüngliches Ziel, seiner Familie eine lebenswerte und gesicherte Zukunft in diesem jungen Land bieten zu können, war längst der Gier nach Macht und den lockenden Reichtümern gewichen, die das aufstrebende Amerika in Aussicht stellte. Diana vermochte es nicht in Worte zu fassen, wie dankbar sie dafür war, diesem Teufelskreis aus Macht, Geld, Einflussnahme und Tyrannei entkommen zu sein. Sie zog ihr Schultertuch fest um sich und stieg leise die Holztreppe, die von ihrer gemütlichen Dachkammer in den Wohnraum führte, nach unten. Ein Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit: Geschafft, sie war tatsächlich vor allen anderen wach. Dass der Franzose, der gerade wieder zu Besuch bei ihnen weilte, noch schlief, war kein Wunder. Maroque, der in Chicago erfolgreich ein großes Bordell betrieb, liebte es, lange zu schlafen.

Louisa und Jacques jedoch waren sonst so gut wie immer vor ihr auf den Beinen. Sehr zufrieden entfachte sie ein Feuer im Kamin und trug einen der brennenden Späne zum Ofen in der Küche, wo sie einige dünne Holzscheite entzündete und so das Feuer zum Bereiten des Frühstücks in Gang brachte. Sehr gut, das wäre schon einmal gelungen. Schmunzelnd dachte sie an ihre ersten Versuche, nach denen Jacques sie nicht selten zunächst zum Brunnen geschickt hatte, um sich den Ruß aus dem Gesicht und von diversen anderen Körperteilen zu waschen.

Jetzt stellte sie Wasser für Kaffee auf den Herd, deckte den Tisch, schnitt das von Louisa frisch gebackene Brot in Scheiben und holte den von Jacques geräucherten Bärenschinken und die beiden Tontöpfe mit Ahornhonig und Beerenmus. Nachdenklich betrachtete sie ihr Werk. Da fehlte doch noch etwas. Leise öffnete sie die Haustür. Kühle, aber angenehme Luft strömte ihr entgegen. Vor dem riesigen dunklen Schatten, der, kaum dass sie auch nur einen Fuß nach draußen setzte, an ihr hochsprang und sie mit feuchter Schnauze begrüßte, fürchtete sie sich nicht mehr.

»Tatanka, wirst du das wohl bleiben lassen? Wir wollen sie doch noch nicht aufwecken.« Liebevoll kraulte sie den schwarzen Wolfshybriden hinter den aufmerksam aufgestellten Ohren.

Dass er ihr, sobald sie auf den Waldrand neben dem Blockhaus zulief, nicht von der Seite wich, war Diana schon gewöhnt und es war gut so. Die Gegenwart des gigantischen Tieres beruhigte sie, bot ihr Geborgenheit und das gute Gefühl von absoluter Sicherheit.

Die Luft war klar und es war so still, dass man das Rauschen der Bäume hören konnte. Ein paar wenige wilde Herbstblumen fanden sich noch an den Waldrändern und auf den Lichtungen und davon pflückte Diana nun einige. Auf dem Rückweg vergaß sie nicht, Arrow, den beeindruckenden Hengst und Sandy, die sanfte Stute zu streicheln. Sandys Tochter Tanka war zu einem lebendigen, bildhübschen Fohlen geworden und streckte nun neugierig ihre weichen Nüstern in Dianas Haare. Sie lachte leise und lehnte eine winzige Weile ihre Wange an das warme Fell Tankas.

»Guten Morgen, meine Schöne. Ich hoffe, ihr alle habt gut geschlafen?«

Jacques ließ die Pferde derzeit noch über Nacht im Freien. So lange wie möglich sollten sie die Freiheit genießen können, ehe es im Winter zurück in die Enge des Stalles ging. Indianerponys waren widerstandsfähig und zäh, das wusste Diana mittlerweile. Vor allem, da Sunk’Pala sie schon des Öfteren mit einem verglichen hatte. Die Neckereien des grimmigen Kriegers taten ihr unendlich gut und amüsierten sie. Er hatte seinen Teil dazu beigetragen, sie aus diesem grauenhaften Haus zu holen. Ihr eigener Vater war sich nicht zu schade gewesen, die jüngste Tochter in ein Sanatorium für Geisteskranke zu stecken.

Sie war nicht geisteskrank, keineswegs. Sie hatte nur die Grausamkeit des Vaters nicht mehr ertragen, etwas, das dieser niemals würde begreifen können. Ab und an befürchtete Diana, ihr Vater habe seine Menschlichkeit abgelegt, ein Umstand, der sie zutiefst erschreckte.

Arrows Schnauben riss sie aus ihren Gedanken und es gelang ihr gerade noch, ihre frisch gepflückten Blumen vor Tankas Maul in Sicherheit zu bringen.

»Nichts da, du frisst brav dein Heu, meine mühsam erkämpfte Tischdekoration lässt du schön in Ruhe.«

Lachend drückte sie dem sichtlich enttäuschten Fohlen einen Kuss auf die helle Blesse und machte sich auf den Weg zurück ins Haus. »Bonjour, ma belle. Comment vas-tu?«

»Danke, Maroque, es geht mir gut.« Sie strahlte den Franzosen erfreut an.

Der schien sich da nicht so sicher zu sein. Während er sich mit allen zehn Fingern durch die verwuschelte, widerspenstige Lockenmähne kämmte, musterte er sie nachdenklich. »Du bist noch immer viel zu blass. Mon Dieu, du lebst mitten in der Natur, du müsstest endlich mehr Farbe im Gesicht haben.«

Diana neigte den Kopf leicht zur Seite und runzelte die Stirn. »Maroque, so lange bin ich nun auch noch nicht hier und du darfst bei der Gesichtsfarbe nicht immer von dir ausgehen. Das schaffe ich beim besten Willen nicht.«

»Du bist ganz schön frech geworden, meine Kleine. Aber gut so, raus damit. So mag ich das.« Lachend schloss er sie in die Arme und drückte ihr einen liebevollen Kuss auf die Haare.

Als er sie losließ, fiel sein Blick auf den gedeckten Tisch. »Wie lange bist du denn schon wach, Diana? Du hast ja schon alles fertig. Der Duft von Kaffee hat mich geweckt.«

Sie zuckte ein wenig unsicher die Achseln. »Ich bin seit Sonnenaufgang wach. Die Sonne hat mich geweckt.«

Sie hätte wissen müssen, dass sie ihm nichts vormachen konnte. »Die Sonne? Kleines, sie sind also noch da, diese bösen Träume? Ich sehe an deiner Miene, dass ich recht habe. Du kannst dich nicht verstellen, in deinem hübschen Gesicht kann man lesen wie in einem offenen Buch.«

Diana füllte an der Wasserschüssel einen kleinen Tonkrug und stellte die Blumen hinein. »Es ist bereits viel besser geworden. Ich kann die Erinnerung einfach nicht...