Suchen und Finden

Titel

Autor

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Der Feuerkönig - Die Dominium-Saga - Roman

Der Feuerkönig - Die Dominium-Saga - Roman

Licia Troisi

 

Verlag Heyne, 2019

ISBN 9783641234775 , 448 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

9,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Der Feuerkönig - Die Dominium-Saga - Roman


 

Achtunddreißig Jahre zuvor

Katifa zitterte. Ihre schlimmsten Ängste schienen Wirklichkeit zu werden. Das Unheil hatte Gestalt angenommen, stand in Fleisch und Blut vor ihr, real, greifbar. Das Unheil, wie sie es sich in den vergangenen neun Monaten häufig ausgemalt hatte.

Philagrios war bei ihr, hatte sie aber noch nicht einmal angesehen, als die Mönche in den Raum eingedrungen waren. Mit gesenktem Kopf, stumm und abweisend stand er da und ließ es zu, dass sie sich allein all dem stellen musste, was sie nun erwartete.

Wie anders war er doch zu ihr in den langen Nächten zuvor gewesen, in denen er sich in ihre ärmliche Unterkunft geschlichen und sie mit Liebkosungen verwöhnt und mit Hoffnungen erfüllt hatte.

»Eines Tages gehen wir von hier fort und bauen uns ein neues Leben auf, ein Leben, in dem keine anderen Menschen mehr über uns bestimmen können.«

»Werden wir Kinder haben?«

»Gewiss, ganz viele sogar.«

Simgez aber, Katifas mütterliche Freundin, hatte sie aus ihren Träumen reißen wollen: Solche Versprechungen von Mönchen sind nichts wert, hatte sie gesagt. »Hat dein Philagrios nicht ein Keuschheitsgelübde abgelegt, bevor er dir ewige Treue schwor?«

Doch Katifa war fast noch ein Kind: Gerade einmal sechzehn war sie, sechzehn Jahre, von denen sie dreizehn in den Diensten des Klosters Kurrah verbracht hatte, und an die anderen drei hatte sie nur vage Erinnerungen, Erinnerungen an Hunger, Not und Verzweiflung. So fiel es ihr leicht, sich in Philagrios’ süßen Worten zu verlieren und daran zu glauben, dass sie Wirklichkeit werden könnten.

Doch dann waren ihre Tage ausgeblieben, und langsam begann ihr Bauch, dicker und dicker zu werden.

»Du bist schwanger«, hatte Simgez ihr gesagt.

Katifa musste nicht einmal überlegen. Denn tief in ihrem Herzen hatte sie immer gewusst, was sie wollte: eine große Familie und ein einfaches, friedliches Leben.

»Ein Kind kann man nicht wegwerfen«, antwortete sie Simgez, die ihr die einfachste Lösung vorgeschlagen hatte, jene Lösung, mit der sich zahlreiche andere Frauen in ihrer Situation in diesem Kloster schon beholfen hatten.

»Dann werden sie dich töten.«

Katifa hatte Philagrios eingeweiht. Naiv wie sie war, hatte sie geglaubt, dass so alles gut würde: Sie würden das Kloster verlassen und zusammen nach Alkak ziehen, dem Land, aus dem sie stammte. Wovon sie leben sollten, daran dachte sie nicht, und auch nicht daran, dass sie gesündigt hatten und man ihnen nicht vergeben würde. Ein gemeinsames Kind würde alles verändern, glaubte sie. Abends streichelte sie sich über den Bauch. Sie fühlte sich stark und zu allem bereit.

Doch Philagrios verhielt sich anders, als sie es erwartet hatte. Man müsse noch abwarten, druckste er herum, der geeignete Moment zur Flucht sei noch nicht gekommen, es komme darauf an, alles gut vorzubereiten, damit weder ihr noch ihm etwas passieren könne. Und dann fragte er noch, ob sie das Kind wirklich behalten wolle. Da verstand Katifa.

Sie werde es auch ohne ihn schaffen, sagte sie, aber er ergriff ihre Hände und versicherte ihr, dass sie auf ihn zählen könne, er werde für sie da sein und ihr helfen. »Ich muss nur alles in die Wege leiten.«

Und so verscheuchte sie ihre Zweifel und glaubte ihm.

Währenddessen schritt ihre Schwangerschaft voran. Mit weiten Kleidern und eng geschnürten Binden verbarg sie ihren immer runderen Bauch und ließ sich von anderen die Arbeiten abnehmen, zu denen sie nicht mehr in der Lage war. Und dann, in den letzten Tagen, versteckte sie sich in einer kleinen, etwas abgelegenen Zelle und lebte dort wie eine Gefangene, mit dem winzigen Geschöpf, das sich in ihr bewegte, als einziger Gesellschaft.

Dann gebar sie, ein Tuch im Mund, auf das sie biss. Dennoch schrie sie, und die Schmerzen schienen ihr unerträglich. Wie aber sollte sie diese Schreie in der Stille des Klosters rechtfertigen? Simgez hatte ihr immer wieder eingeschärft, leise zu sein, während sie allein ihr Kind zur Welt brachte.

Zwei Tage nach der Geburt packte sie ihre Sachen. Und das obwohl sie sich immer noch sehr schwach fühlte und dem Säugling eine lange beschwerliche Reise eigentlich nicht zuzumuten war: Denn Kurrah lag sehr abgelegen, fern von den ohnehin wenigen Dörfern Phoinikas, die über das ganze Land verteilt waren. Aber sie hatte keine andere Wahl.

Es grenzte an Wahnsinn, doch bevor sie aufbrach, wagte sie noch einen letzten Versuch und begab sich zu Philagrios. In den Monaten zuvor hatte er sie kein einziges Mal besucht, dennoch hoffte sie, dass Vatergefühle in ihm erwachen würden, wenn er das Kind erst sähe, und er sie begleiten würde.

Doch in seinem Raum fand sie nicht nur Philagrios vor, sondern auch seinen Meister. Und alles war aus.

Nun hielt Simgez den Säugling im Arm. Hoch und heilig hatte diese geschworen, keinen Verdacht geschöpft und immer geglaubt zu haben, dass Katifa nur dicker geworden sei.

»Niemand von uns hat etwas geahnt.«

»Das werden wir noch sehen«, erwiderte der Klostervorsteher in eisigem Ton.

Alle Mönche des Rates waren versammelt. Katifa spürte ihre vorwurfsvollen, angewiderten Blicke, dabei hatte Simgez ihr erzählt, dass sich einer von ihnen in jungen Jahren oft nachts zu ihr geschlichen habe. Und alle wussten, dass das Keuschheitsgelübde von allen Regeln am häufigsten missachtet wurde. Wichtig war nur, dass dies im Verborgenen geschah. Katifas Schuld bestand nicht darin, sich einem Mönch hingegeben zu haben. Verwerflich war, von einem besseren Leben zu träumen, ihr Kind zu lieben und es behalten zu wollen.

Der Klostervorsteher, ein alter Mann mit Buckel, faltigem Gesicht und einem geschorenen Schädel, der mit einem so dichten, mittlerweile verwachsenen Netz aus Tätowierungen überzogen war, dass man die Linien kaum noch auseinanderhalten konnte, trat zu Philagrios. Lange blieb er reglos vor dem jungen Mönch stehen und musterte ihn mit seinen pechschwarzen Augen.

»Du weißt, dass das Gelübde, das du abgelegt hast, heilig ist?«, begann er dann.

»Ja, Herr.« Philagrios schluchzte.

»Warum hast du dann dagegen verstoßen?«

Der Mönch versuchte zu antworten, doch sein Meister kam ihm zuvor. »Philagrios ist noch jung, und er weiß, dass er einen schweren Fehler begangen hat«, sagte er mit fester, sicherer Stimme. Anders als sein Schüler schien er von der Situation wenig beeindruckt. »Aber Ihr wisst ja, wie solche Mädchen sind und mit welcher Raffinesse sie junge Männer wie Philagrios zu umgarnen verstehen.«

Katifa hätte gern erwidert, dass es Philagrios war, der den ersten Schritt getan hatte, und dass sie ihn keineswegs ›umgarnt‹ hatte, wusste aber, dass es sinnlos war. In einem Kloster galt das Leben eines Mönches viel, das einer Magd hingegen nichts.

Der Klostervorsteher trat auf sie zu. Sein Blick war so durchdringend, dass sie sich wie entblößt von ihm fühlte. »Wolltest du nur deine Gelüste befriedigen oder hofftest du, Philagrios erpressen zu können? Wolltest du ihn zwingen, an deiner Seite das Kloster zu verlassen, damit er sich um dich und deinen Bastard kümmert?«

Katifa hatte den Kopf gesenkt, weinte aber nicht. Diese Genugtuung wollte sie dem Alten nicht gönnen. Philagrios hingegen, der wie ein feiger, reuiger Junge dastand, tat ihr nur noch leid.

»Nichts von all dem wirst du erreichen. Das ist dir doch klar?«, fuhr der Klostervorsteher fort und wandte sich wieder Philagrios zu. »Hier ist kein Platz mehr für dich«, erklärte er streng. »Du wirst in ein anderes Kloster gehen und dort Novize bleiben, ohne je in den Kreis der Ordensbrüder aufgenommen zu werden.«

Philagrios schlug die Hände vor das Gesicht und begann, haltlos zu weinen.

»Du und dein Kind aber«, wandte sich der Alte nun wieder Katifa zu, »ihr sollt im Wald ausgesetzt werden.«

Das war mehr als eine Strafe. Denn um in den Orden aufgenommen zu werden, mussten die Novizen ein Jahr im Schattenwald zubringen, und die meisten überlebten dieses Jahr nicht. Sie verhungerten oder wurden von einem der Daralmeks gerissen, den entsetzlichen Baumdrachen, die in diesem Wald hausten. Katifa würde niemals lebend von dort zurückkehren.

»Ihr verurteilt mich zum Tode!«, rief sie entsetzt, während der Alte sich schon abwandte und, gefolgt von den Mönchen des Rates, den Raum verließ. »Und mit mir ein unschuldiges Kind!«

»Das hättest du dir überlegen müssen, bevor du die Beine breitgemacht hast«, entgegnete der Alte, während er sich noch einmal zu ihr umdrehte.

Zwei Mönche packten sie. Nur noch wenige Sekunden blieben ihr, um ihr Leben oder zumindest das ihres Kindes zu retten. Wie ein wildes Tier im Käfig sah sie sich um, und ihr Blick traf den ihres Sohnes.

Da fasste sie den Entschluss.

»Ich will ihn Urak weihen!«

Der Klostervorsteher blieb stehen.

»Ich will ihn Urak weihen!«, rief Katifa laut, rief es wieder und wieder, bis ein Handrücken sie im Gesicht traf.

Schlagartig wurde es still.

Jetzt erst drehte der Klostervorsteher sich zu ihr um. »Dein Sohn ist ein Kind der Sünde.«

»Ich werde für ihn büßen«, erklärte Katifa mit fester...