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Training beginnt im Gehirn - Mit Neuroathletik die sportliche Leistung verbessern

Training beginnt im Gehirn - Mit Neuroathletik die sportliche Leistung verbessern

Lars Lienhard

 

Verlag riva Verlag, 2019

ISBN 9783745303445 , 272 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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21,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Training beginnt im Gehirn - Mit Neuroathletik die sportliche Leistung verbessern


 

1


Warum Neuroathletik?
Oder: Wie Ihr Gehirn Ihre sportliche Leistung beeinflusst


Das Gehirn ist der Chef des Körpers


Neuronale Prinzipien und Prozesse beeinflussen unsere Leistung. Dank der Erkenntnisse der Wissenschaft leben wir in einer Zeit, in der wir immer mehr über diese Vorgänge verstehen. Das Gehirn und das Nervensystem sind die im Hintergrund operierenden Systeme, die die körperliche beziehungsweise sportliche Leistung maßgeblich bestimmen. Dennoch: Eine zunächst irritierende, aber überaus wichtige Erkenntnis, die wir aus der Hirnforschung für den Sport gewonnen haben, ist die, dass unser Gehirn sich nicht besonders für unsere sportliche Leistungsfähigkeit interessiert. Es ist in seiner primären Grundstruktur zunächst nicht auf Leistung ausgerichtet. Essenziell ist dieses Wissen vor allem vor dem Hintergrund, dass wir häufig mit unseren Trainingsergebnissen unzufrieden sind, obwohl es weder an Motivation und Energie noch an Fleiß mangelt – doch die Resultate wollen sich nicht wirklich einstellen. Wie kommt so etwas? Haben wir einfach nicht den richtigen Genpool oder ein schlechtes Trainingsprogramm, wie es häufig propagiert wird? Schnell ziehen wir die falschen Schlüsse über uns, unseren Körper und unser Training und übersehen, dass es unser Gehirn ist, das alles, was im Körper passiert, reguliert. Nichts passiert, ohne dass es vom Gehirn veranlasst und genehmigt wurde. Das gilt auch für das Training und seine Auswirkungen auf unseren Körper. Und genau deshalb sollten Sie die neuronalen Gesetze und Prinzipien des Gehirns beachten und neuroathletisch trainieren: Indem Sie mit den in diesem Buch vorgestellten Trainingsansätzen und Übungen die Kommunikation zwischen Gehirn und Körper optimieren, werden Sie Ihre Leistung steigern.

Um dies zu verstehen, werfen wir zuerst einen Blick hinter die Kulissen: in die Gesetzmäßigkeiten des Gehirns. Die Hauptaufgabe des Gehirns ist es, unser Überleben zu sichern. Dieser Aufgabe wird alles andere zunächst einmal untergeordnet und hintangestellt. So ist nahezu alles im Nervensystem darauf ausgelegt, mögliche Gefahrenpotenziale und nicht eindeutig vorhersehbare Situationen zu erkennen und schnellstmöglich darauf zu reagieren, um das eigene Wohl zu sichern und Leib und Leben zu schützen.

Input – Interpretation – Output


Das Gehirn und Nervensystem macht eigentlich nur drei Dinge: Es empfängt eingehende Signale aus den Sinnesorganen (sensorischer Input), analysiert und interpretiert und integriert diese blitzschnell (Integration) und reagiert abschließend mit einer Handlung beziehungsweise einer Bewegung (motorischer Output). Die Arbeitsweise des gesamten Nervensystems ist perfekt darauf ausgelegt.

Die Arbeitsweise des Gehirns und des zentralen Nervensystems: Sie empfangen sensorischen Input, verarbeiten und integrieren diesen und antworten mit einer Bewegung.

Wie präzise, kräftig, dynamisch oder koordiniert eine Bewegung erfolgt, ist das Endresultat aller Informationen, die im Gehirn ankommen, und ihrer Verarbeitung dort. Unsere Leistungsfähigkeit ist immer davon abhängig, wie sich das Gehirn aufgrund der aktuellen Datenlage entscheidet. Trainingsergebnisse basieren also nicht nur auf unserem Willen, unserem Fleiß, unseren Genen sowie der mechanischen und physiologischen Wirkung, die wir im Training erzeugen, auch wenn dies natürlich wichtige Faktoren sind. Das Ergebnis ist immer auch stark abhängig davon, wie effizient unser im Hintergrund operierendes Gehirn und das zentrale Nervensystem arbeiten. Mit diesem Wissen lässt sich besser verstehen, warum es uns manchmal nicht so recht gelingen will, unsere Ziele zu erreichen.

Klare Informationen bedeuten mehr Sicherheit und Leistung


Das Gehirn scannt zu jeder Millisekunde unsere Umgebung, unsere Bewegung und unseren Körper und wertet diese Informationen unmittelbar aus. Dies alles geschieht in den »alten«, tieferen Hirnregionen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Diese Hirnareale können als eine Art Gefahrenfilter angesehen werden, der alle eingehenden Informationen dahingehend analysiert und filtert, ob das, was wir gerade tun, sicher ist oder nicht. Ob das Gehirn optimale Leistung zulässt oder nicht und doch lieber die Handbremse anzieht, wird entscheidend dadurch bestimmt, wie vorhersehbar eine Situation erscheint.

Um eine bestmögliche Vorhersage treffen zu können, braucht das Gehirn vor allem klare, hochwertige und ausreichend Informationen aus den Rezeptoren, die für unsere Bewegungssteuerung verantwortlich sind (sensorischer Input), sowie gesunde Hirnareale, die diese Informationen analysieren, interpretieren und untereinander abgleichen. Erst im Anschluss kommt die Kommunikation mit den Muskeln ins Spiel. Diese Vorgänge laufen unbewusst ab und sind kaum willentlich beeinflussbar. Bekommt das Gehirn nicht ausreichend oder keine hochwertigen Informationen aus den bewegungssteuernden Systemen, werden Trainingsziele nur deutlich erschwert erreicht.

Unserem Willen und Fleiß steht also ein auf Sicherheit ausgelegter Organismus gegenüber, der oft völlig anderer Meinung darüber ist, was als Nächstes erfolgen sollte und vor allem WIE es erfolgen sollte. Körperliche Ziele zu erreichen steht zunächst nicht oben auf der Prioritätenliste unseres Gehirns. Wir sind daher immer nur so leistungsfähig, wie das Gehirn sich in der Situation noch sicher fühlt. Dies gilt besonders im Training, da das Gesamtsystem im Training meist intensiver belastet wird und hierdurch die Bedrohung für das Gehirn scheinbar steigt und das Verlangen nach Sicherheit zunimmt. Es ist also wichtig zu verstehen, dass die Qualität der Bewegung und die Leistung, die wir körperlich erbringen, und damit auch das Erreichen körperlicher Ziele stark von der Qualität der Information abhängig ist, die in unser Gehirn gelangen, und davon, wie gut sie dort interpretiert und integriert werden können.

Die Hierarchie der bewegungssteuernden Systeme


Betrachten wir die Informationen, die unser Gehirn braucht, um bestmögliche Sicherheit für eine optimale und effiziente Bewegung zu garantieren, sind vor allem drei Systeme als Informationsquelle gefragt: das visuelle System (Sehen), das vestibuläre System (Gleichgewicht) sowie das propriozeptive System (Eigenwahrnehmung von Bewegung). Im Hinblick auf ihre Fähigkeit, Informationen über Bedrohungssituationen zu liefern, und ihren Einfluss auf die Bewegungssteuerung gibt es eine klare Hierarchie:

  1. Das visuelle System
  2. Das Gleichgewichtssystem
  3. Das propriozeptive System

Das visuelle System

Wenn es darum geht, Sicherheit und eine präzise Bewegung zu gewährleisten, liefert das visuelle System mit Abstand die meisten und wichtigsten Informationen. Nahezu alle Bewegungen werden anhand der visuellen Wahrnehmung entworfen, programmiert und koordiniert. Es ist den meisten Sportlern nicht bewusst, wie sehr ihre Leistung von einem gut funktionierenden visuellen System abhängt. Dies ist nicht nur in realen Gefahrensituationen, sondern auch ganz einfach beim Bizeps-Curl im Fitnessstudio von großer Relevanz. Die besondere Bedeutung des visuellen Systems zeigt sich auch dadurch, dass nahezu das gesamte zentrale Nervensystem in seiner Funktion darauf ausgelegt ist, das visuelle System zu unterstützen. Hierbei geht es keineswegs nur um ein »scharfes Sehen«, wie es beim Optiker getestet wird. Das visuelle System umfasst den gesamten Bereich der Informationsaufnahme, Verarbeitung und Auswertung visueller Informationen im Gehirn sowie die gesamten motorischen Fähigkeiten der Augen, sprich die Augenbewegungen. An diesem Prozess sind über dreißig verschiedene Hirnareale beteiligt. Das visuelle System steht mit allen wichtigen Hirnarealen, die an der Bewegungssteuerung beteiligt sind, in Verbindung und kann deren Funktionalität zum Guten oder Schlechten beeinflussen. Die Haltung, die Stabilität und Präzision der Bewegung, die Orientierung im Raum und vieles mehr sind eng an das visuelle System gebunden.

Das Gleichgewichtssystem

An zweiter Stelle in der Hierarchie steht das Gleichgewichtssystem. Dieses besteht aus dem eigentlichen Gleichgewichtsorgan, das im knöchernen Bereich des Innenohrs im Schädel liegt und in erster Linie Kopf- und Körperbeschleunigungen misst, sowie den Arealen im Gehirn, die diese Informationen weiterleiten, analysieren und interpretieren. Unser Gehirn richtet auf Basis dieser Informationsaufnahme und -verarbeitung den Körper und die Bewegung gegen die Schwerkraft optimal im Raum aus, zeigt an, wo oben ist und wo wir uns im Raum befinden, koordiniert sowie stabilisiert uns, um die Bewegung im Raum bestmöglich zu steuern. Dies mag sich zunächst recht komisch anhören, weil wir doch alle wissen, wo oben ist und wo wir uns gerade befinden. Doch zur Erinnerung: Es geht um die tiefen, alten Regionen unseres Gehirns, nicht um Prozesse, die uns bewusst sind. Das Gleichgewichtssystem kommuniziert direkt mit der Streckmuskulatur, die den Körper aufrichtet, und hilft entscheidend, den Körper in Beschleunigungsprozessen zu orientieren und die Haltung während der Beschleunigung anzupassen. Das Gleichgewichtssystem ist zudem eng mit den anderen beiden bewegungssteuernden Systemen verbunden und bildet die Grundlage, auf der diese Systeme arbeiten können. Die engste Wechselwirkung besteht mit dem visuellen System, denn ohne ein funktionierendes Gleichgewichtssystem könnte der Blick nicht stabilisiert werden, während wir uns...