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Wenn das zweite Kind kommt - Als Familie zusammenwachsen

Wenn das zweite Kind kommt - Als Familie zusammenwachsen

Jeanette Stark-Städele

 

Verlag Verlag Herder GmbH, 2018

ISBN 9783451812996 , 144 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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10,99 EUR

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Wenn das zweite Kind kommt - Als Familie zusammenwachsen


 

Noch ein Kind?


Vater, Mutter und zwei Kinder – so stellen wir uns die Idealfamilie vor. Und es ist tatsächlich etwas ganz anderes, zwei oder mehr Kinder zu haben als nur eines.

Eltern erleben ganz neue Situationen und Herausforderungen. Für Kinder ist es zweifellos schön und in vielerlei Hinsicht auch bereichernd, mit einem Geschwisterkind aufzuwachsen. Doch selbstverständlich ist das zweite Kind heute nicht mehr und vielerlei Fragen wollen im Vorfeld geklärt werden.

Das Ideal der »richtigen« Familie


Sie haben ein Kind und lieben es über alles. Der Alltag in Ihrer kleinen Familie hat sich eingespielt, jeder kommt inzwischen zu seinem Recht. Sie und Ihr Partner haben den Übergang von der Paarbeziehung zum Elternsein »geschafft« und jeder hat für sich inzwischen sogar kleine Freiräume zurückerobert. Auch finanziell ist alles einigermaßen geregelt und die Frage der Berufstätigkeit und der Kinderbetreuung haben Sie gemeinsam gelöst.

Eigentlich ist alles perfekt. Doch dann stellt sich so ein seltsames Gefühl ein und immer häufiger steht eine Frage im Raum: »Wäre es nicht schön, noch ein Kind zu haben? Eine »richtige« Familie zu sein?« Manche Frauen – und Männer – sind richtiggehend froh, wenn es einfach »passiert« und sich das zweite Kind ungeplant ankündigt.

Viel wird in den Medien und im Privaten von der »richtigen« Familie geredet: Mutter, Vater und zwei oder mehr Kinder. Das ist das Ideal. Doch unsere Gesellschaft ist bunt und vielfältig geworden. Und so ist heute auch Familie viel mehr: alleinerziehende Mütter oder Väter mit einem oder mehreren Kindern, Patchworkfamilien in vielerlei Gestalt, »deine« Kinder, »meine« Kinder und vielleicht noch gemeinsame Kinder. Das Modell »Familie« umfasst heute eine breite Lebensrealität und – nebenbei bemerkt – auch auf diese Weise kann ein Kind Geschwister bekommen, nicht nur niedliche kleine Babys, sondern Mitbewohner in jedem Alter, was sich auf eine Familienbeziehung, die dabei erst aufgebaut werden muss, wie auch auf die Psyche jedes einzelnen betroffenen Kindes stark auswirken wird.

Gefühle und Argumente …


Doch zurück zum Normalfall, der heute schon gar nicht mehr so normal ist: Sie haben ein Kind und Sie wünschen sich ein zweites Kind. Welche Gründe bewegen Sie, außer dem »Bauchgefühl«, das sich tief im Innern meldet?

Rückblick auf die eigene Lebenserfahrung


Vielleicht sind Sie selber oder Ihr Partner mit Geschwistern groß geworden und haben Ihre Kindheit und das Gefühl der Gemeinschaft in bester Erinnerung und als stabile Grundlage Ihres Lebens erfahren. Geblieben nach all den Jahren ist die Erinnerung an die Geschwistersolidarität; die Erinnerung an Rivalitäten und Zankereien ist in den Hintergrund getreten.

Vielleicht sind Sie aber auch als Einzelkind aufgewachsen und wünschen sich gerade deshalb Geschwister für Ihr Kind, weil Sie immer etwas vermisst haben: als Kind jemanden zum Spielen, zum Reden, als Beistand, als Verbündeten. Die Eltern sind sowieso immer die Stärkeren und außerdem sind sie zu zweit.

Sie haben dagegen noch in allzu guter Erinnerung, dass Sie sich oft allein gefühlt haben und vermissen heute als Erwachsener immer noch weitere Familienbande und -verbündete. Besonders spürbar ist dieser Mangel an den typischen Familienfesten, z. B. an Weihnachten, wenn inzwischen erwachsene Einzelkinder nicht im Kreise einer großen Verwandtschaft zusammenkommen können.

Doch das Einzelkindargument sollte nur zählen, wenn Sie es wie geschildert als eigene Lebenserfahrung mitbringen und empfinden. Die bewusste, sozusagen kopfgesteuerte Entscheidung für ein weiteres Kind, damit das erste kein »verwöhntes« Einzelkind bleibt, ist eher mit Vorbehalt zu betrachten (mehr dazu in Kapitel »Brauchen Kinder Geschwister?«.). Nicht aus pädagogischen Gründen heraus sollten sich Eltern für ein weiteres Kind entscheiden, sondern aus der Freude am Leben mit Kindern.

Ebenso zweifelhaft ist der Wunsch nach einem weiteren Kind, weil man sich noch einen Jungen – oder ein Mädchen – wünscht. Ist die Persönlichkeit vom Geschlecht abhängig? Zweifellos sind Jungs anders als Mädchen, das will heute niemand mehr wegdiskutieren. Doch jedes Kind hat seine ganz eigene Persönlichkeit – da gibt es wilde Mädchen und sanfte Jungs. Wird man das Kind tatsächlich weniger lieben, wenn es nicht das ersehnte Geschlecht hat?

Das soziale Umfeld


Nicht selten drängt sich durch das soziale Umfeld die Frage nach einem weiteren Kind auf. Freundinnen aus der Krabbelgruppe sind wieder schwanger, Mütter im Kindergarten, in den das eigene Kind vielleicht schon geht, ebenfalls. Aus den Ein-Kind-Familien im Wohnviertel werden Zwei-Kind-Familien – da kommt man selbst bald ins Grübeln.

Überlegen Sie, ob Sie wirklich selbst einen starken Kinderwunsch verspüren oder Ihr Umfeld hierbei eine Rolle spielt. Würden Sie auch noch ein Kind wollen, wenn Sie inmitten lauter Singles wohnen würden?

Vielleicht ist Ihr Kind aber auch schon so groß, dass es selber nach Geschwistern fragt, sich so sehr ein Brüderchen oder Schwesterchen wünscht – doch Vorsicht: Bitte keine falschen Erwartungen wecken. Da kommt zunächst kein Spielkamerad auf die Welt, sondern erst einmal ein kleines Wesen, das manches durcheinanderbringt.

Was wirklich zählt …


Letztlich entscheidet das Gefühl – oder der Bauch. Man kann sich noch so viele Gedanken über Vor- und Nachteile von ein, zwei oder mehreren Kindern machen, vernünftige Argumente abwägen, die Frage nach Beruf und sozialer Absicherung stellen – wenn man noch ein Kind will, dann sollte – und wird – man es auch bekommen! Freuen Sie sich darauf!

Führen wir aber dennoch unsere rationalen Überlegungen, die sich gleichwohl aufdrängen, zu Ende, damit keine Fragen oder Zweifel offen bleiben.

Brauchen Kinder Geschwister?


»Typisch Einzelkind« – die Stereotype vom verwöhnten, egoistischen Prinzen oder der überbehüteten Prinzessin geistern durch viele Köpfe. So wünscht man sich das eigene Kind sicher nicht. Doch das Vorurteil hält einer sachlichen Überprüfung nicht unbedingt stand. Einzelkinder bekommen mehr elterliche Aufmerksamkeit, sind mit zunehmendem Alter meist vernünftiger, sprachlich gewandter und, so belegen Studien immer wieder, in der Schule oft besonders erfolgreich. Aber: Ähnliches gilt tendenziell auch für Erstgeborene. Da Einzelkinder häufig das »Ein und Alles« ihrer Eltern sind, alleiniger Hoffnungsträger, werden sie nicht selten von den vielfältigen Ansprüchen und Erwartungen ihrer Eltern überfordert. Bei Geschwistern verteilen sich Aufmerksamkeit, aber auch Ansprüche auf mehrere Köpfe. Das kann durchaus von Vorteil sein. Kein Kind muss allein die Projektionen aller elterlichen Wünsche tragen oder gar erfüllen; das bedeutet unter Umständen auch, dass jedes Kind sich freier entfalten kann.

»Du spielst mit meinen Legos und ich krieg dein Feuerwehrauto!«


Geschwister untereinander – das bedeutet Spiel, Spaß, Hilfestellung und gemeinsame Verantwortung. So stellen wir es uns vor. Geschwister müssen aber auch lernen zu teilen, Rücksicht zu nehmen, Kompromisse auszuhandeln, zurückzustecken – es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. Auf diese Weise erwerben sie wichtige soziale Kompetenzen im spielerischen Miteinander und in der alltäglichen Auseinandersetzung. Sie suchen nach Lösungen – auf der gleichen Ebene. Sie müssen nicht nur materielle Dinge teilen und abgeben lernen (was Kinder auch in Kindergruppen lernen können), sondern auch elterliche Aufmerksamkeit – und das können die sozialen Kontakte in Kindergruppen nicht leisten.

»Das will ich auch können!«


Kinder, das wissen wir heute aufgrund zahlreicher Studien, lernen voneinander – oft mehr und besser als von Erwachsenen.

Sie orientieren sich aneinander und eifern einander nach. Was die große Schwester schon kann, will der kleine Bruder auch können. Und so guckt er zu, schaut sich Fähigkeiten ab und probiert so lange, bis er es kann. Es ist ein Lernen durch Tun, ein selbstbestimmtes Lernen entsprechend der eigenen Interessen. So lernen Kinder am besten, viel besser als durch Erklärungen und bewusstes Vormachen durch Erwachsene.

»Wie Hund und Katz«


Doch es soll nicht verschwiegen werden, dass Geschwister auch aneinander leiden können. Es besteht durchaus die Gefahr, dass ein Kind zu kurz kommt. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn ein Kind dauerhaft besonderer Aufmerksamkeit bedarf, z. B. wegen chronischer Krankheit, Lernbeeinträchtigung o. Ä. Man darf auch nicht vergessen, dass es trotz aller familiären Bande Geschwister gibt, die sich nicht besonders gut verstehen und vertragen. Jedes Kind hat seine individuelle Persönlichkeit und Geschwister können höchst unterschiedlich sein und völlig konträre Interessen entwickeln, mit wenig Verständnis für den anderen. Eine solch ungünstige Konstellation, die oftmals nur phasenweise auftritt, dürfen Eltern nicht ignorieren. Achten Sie in solch einem Fall sensibel auf die Bedürfnisse jedes Kindes und schaffen Sie jedem Kind möglichst eigene Freiräume.

»Wir gehören zusammen!«


Geschwisterbeziehungen können sehr unterschiedlich aussehen, ganz verschieden erfahren und erlebt werden. Nur wenige Merkmale lassen sich verallgemeinern. Eines allerdings, das hat die Geschwisterforschung gezeigt, steht fest: Die...