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Blogstar Opa - Mit Herz und Schere

Blogstar Opa - Mit Herz und Schere

Aygen-Sibel Çelik, Carolin Liepins

 

Verlag Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, 2018

ISBN 9783440163818 , 176 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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8,99 EUR

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Blogstar Opa - Mit Herz und Schere


 

Eine Schatzkiste voll Tütü, tata


Licht aus! Spot an! Es ist mucksmäuschenstill. Alle starren gebannt auf den Laufsteg. Und dann. PENG. Die Musik setzt ein. BUMM. BUMM. Der Bass lässt die Stühle vibrieren.

Jetzt geht es los. Super gestylte Models laufen mit langen, coolen Schritten über den Laufsteg. Yeah! Das Publikum jubelt, steht auf. Tosender Applaus! Blitzlichtgewitter. Die Leute von der Presse sind außer sich.

Katy Perry tritt auf. WOW! Aber heute geht es nicht um sie. Sie ist nicht der Star des Abends. Die Models stellen sich rechts und links vom Laufsteg auf. Sie klatschen und tanzen. Alle schauen zum Bühneneingang.

Und dann kommt SIE!

Mitten durch den jubelnden Modeltunnel geht sie bescheiden lächelnd den Catwalk entlang.

Die megaberühmte,

einzigartige

Stardesignerin

GRETA MEIERMÜLLER!

»Greta, Greeeetaaaa!«

Ich lächle HULDVOLL in die Menge. Greta – das bin ich!

Katy kommt singend auf mich zu. Wir umarmen uns. Sie kann es immer noch nicht fassen, dass ICH ihr das Hauptkleid meiner neuen Kollektion geschenkt habe. Sie sieht FANTASTISCH darin aus. Das musste einfach sein. Dann singen wir eine Strophe ihres neuesten Hits zusammen. Und plötzlich bin ich Popstar. Popstar UND Designerin gleichzeitig!

Wir sind auf unserem Konzert. Katy und ich. Justin Bieber ist an der Gitarre, Justin Timberlake an den Drums. Die schicken Frauen und Männer, die eben noch mit flatternden Fächern den Laufsteg gesäumt haben, sind auf einmal coole Jugendliche … Sind das nicht Mimi und Emir, und da ist sogar Anna, da Julie und dort Chiara? Hey, fast meine ganze Klasse ist hier! Und sie jubeln mir zu …

»Greeeeeta, Gretaaaaa!«

»I’m wide awake. Not losing any sleep. I picked up every piece. And landed on my feet. I’m wide awake. Need nothing to complete myself, no …«

Mein Duett mit Katy ist so cool. Das Publikum verlangt eine Zugabe …

»Greta! Komm, Schatz, es wird Zeit!«

»Falling from cloud nine. Crashing from the high. I’m letting go tonight. I’m falling from cloud nine …«

»Greta!«

»Ja, Mama«, murmele ich. »Eine Strophe noch, bitte …«

»Strophe? Was denn für eine Strophe? SCHULE!«, sagt meine Mutter.

Das ist gemein! Und gar kein guter Tausch! Aber Mum hat wirklich nichts Besseres zu bieten als Aufwachen und Schule …

Ich will zurück auf die Bühne, aber es klappt einfach nicht. Jetzt bin ich wach und muss auf ein weiteres Ständchen mit meiner Lieblingssängerin verzichten.

#KatyPerryIstPhänomenal

»Wir haben verschlafen!«, ruft meine Mutter über die Schulter, während sie eilig in die Küche läuft. Ich versuche, mir den Schlaf aus den Augen zu reiben, und schleppe mich ins Bad.

Beim Zähneputzen klingt in meinem Kopf noch die Musik nach, und ich summe und wippe nach dem Rhythmus des Songs hin und her. Aus schmalen Schlitzen schaue ich in den Spiegel. Meine Augen wirken braun, obwohl sie dunkelgrün sind. Das ist immer so, wenn ich noch müde bin und die Augen nicht richtig aufkriege. Dann sind sie alles andere als groß und mandelförmig wie sonst. Und meine rotblonden Haare haben heute nichts mit einem Sonnenaufgang zu tun, wie mein Großvater gerne sagt. Sie sehen fahl und matt aus.

»Hör auf zu zappeln und beeil dich!«, ruft meine Mum im Vorbeilaufen.

»Mmmm! Mhhhm mmm mmhh!«, rufe ich mit zahnpastavollem Mund zurück. Das soll »Jaaaa! Mach ich doch!« heißen. Aber das ist egal. Weil ich fast fertig bin. Zum Glück ist meine Frisur unkompliziert. Sie ist kurz und, na ja, eher WILD. Ich gehe nämlich nicht so gern zum Friseur und schneide meinen Pony meistens selbst. Nur ein bisschen Gel und etwas durchwuscheln – das war’s.

Zum Frühstücken ist keine Zeit mehr, deswegen bekomme ich noch ein Pausenbrot zusätzlich. Mila, meine kleine Schwester, und Luka, mein großer Bruder, sitzen schon im Auto. Er und ich werden heute ein Stück Richtung Kindergarten mitfahren. Sonst kommen wir wirklich zu spät.

Mila ist drei, und weil sie in letzter Zeit oft krank war, trägt sie auch heute ihr Lieblingshalstuch mit dem bunten Eulenmuster. Ihre blonden Löckchen kringeln sich um ein rosafarbenes Wollhaarband, das Milas Ohren schützen soll. Obwohl es tagsüber schon fast so warm wie im Sommer ist. Luka ist fünfzehn und schläft mit offenen Augen. Er murmelt träge »Guten Morgen«, als ich und Mum einsteigen. Seine Haare sehen heute wieder nach einer wilden gerade-aus-dem-Bett Frisur aus. Sein überlanger schräger Pony, hinter dem er sich sonst immer versteckt, steht ab und gibt den Blick auf seine verschlafenen Augen frei.

Luka sitzt natürlich auf dem Beifahrersitz. Ich beschließe, nicht zu meckern, obwohl ich es total gemein finde, dass er wegen seiner langen Beine immer vorne sitzen darf. Okay, er ist im letzten Jahr vielleicht zehn Zentimeter gewachsen, aber muss er auch noch den Sitz so weit nach hinten schieben, dass ich auf der Rückbank breitbeinig sitzen muss? Und Mum will, dass Mila unbedingt hinter ihr sitzt, damit sie sie über den Rückspiegel im Auge hat. Dabei hätte ich hinter meiner Mutter viel mehr Platz. Sie ist nämlich genauso groß wie ich: 1,57 Meter.

Einen Augenblick denke ich, dass ich immer diejenige bin, die zurückstecken muss, und bin eingeschnappt. Als würde ich nicht zählen. Und ausgerechnet jetzt sticht es mir wieder ins Auge: Mila und Luka sind meiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten. Die Ähnlichkeit zwischen den dreien ist nicht zu übersehen! Ich gleiche – bis auf die kleine Zahnlücke zwischen meinen oberen Vorderzähnen – eher meinem Vater. Aber das tut nichts zur Sache, weil er nicht da ist. Außerdem waren wir, also er und ich, irgendwie noch nie ein Team. Auch nicht, als er noch bei uns gewohnt hat. Er war eigentlich nie da. Immer auf Geschäftsreise. Bis er auf einmal gar nicht mehr kommen wollte.

Seit mein Vater ausgezogen ist, hat meine Mum sich total verändert. Obwohl sie sich auch vorher meistens allein um uns gekümmert hat, war sie damals nicht so übertrieben besorgt um uns, sondern VIEL entspannter. Das merkt man auch an ihrer Frisur, finde ich. Okay, das klingt vielleicht komisch, aber früher hat sie ihre milchkaffeebraunen Haare öfter mal offen getragen. Und das sah richtig gut aus. Aber seit einer Ewigkeit macht sie sich jeden Tag einen Pferdeschwanz, den sie immer ganz weit oben am Hinterkopf zusammenbindet. Keine Strähne verirrt sich mal in ihre Stirn. Genauso ist sie selbst fast nie locker. Manchmal gibt sie das auch zu. Sie sagt, dass sie sich jetzt noch mehr um uns sorgt, weil sie die Verantwortung für uns ganz allein trägt.

Was ich aber nicht kapiere, ist, warum ich deswegen keinen YouTube-Channel haben darf. Ja, das ist total doof, aber leider wahr. Es ist nämlich so: Eigentlich will ich ja gar kein Popstar werden, so wie in meinem Traum eben. Designerin schon. Nur muss ich dafür erst mal viel besser im Nähen werden. Ein bisschen kann ich es ja. Na gut, vielleicht etwas mehr als das. Die meisten Sachen, die ich genäht habe, ziehe ich sogar an.

Und in einem eigenen YouTube-Kanal könnte ich dann alles zeigen, was ich bisher entworfen habe! Bestimmt würden mir Leute folgen, die wirklich Ahnung von Modedesign haben und die mögen, was ich so entwerfe. Ein Konzept habe ich auch schon: Ein ganzes Matheheft hab ich damit vollgekritzelt.

Aber Mama ist total dagegen, weil ich erst 12 ¾ bin. Ob ich mit 13 YouTuber werden darf, weiß ich nicht. Ich weiß aber, wie mein Kanal heißen könnte, nämlich GRETA-LIKE, GRETAsWORLD oder THIS IS GMM (Greta Meiermüller). Entschieden habe ich mich noch nicht.

Jedenfalls hab ich mir schon aufgeschrieben, was ich so in den Näh-Tutorials zeigen würde. Was ich sagen könnte. Was ich meine Abonnenten fragen würde. Ein paar Videos habe ich schon beim Nähen gedreht. Leider sind die noch nicht wirklich perfekt. Weil ich nämlich ein Problem habe. Ein echtes Problem! Wenn ich die Kamera anmache, passiert es. Zuerst bekomme ich Schluckauf. Wenn der irgendwann aufhört, fange ich an zu stottern. Echt wahr! Und dann verspreche ich mich auch noch ständig. Na ja … ich weiß zwar noch nicht, wie, aber irgendwann werde ich das schon hinbekommen. Bis dahin habe ich mir etwas ausgedacht: Die Strategie ist, dass nur meine Hände zu sehen sind, während ich Schritt für Schritt zeige, wie ich meine Entwürfe nähe.

Und wenn ich dann vielleicht mal so ein paar tausend Abonnenten habe, dann wäre ich ja schon ein bisschen berühmt. Viel schneller würde das gehen, wenn ich bei einer Newcomer-Challenge gewinnen würde. Da machen YouTube-Anfänger aus allen möglichen Bereichen mit. Und die interessantesten und kreativsten Ideen gewinnen tolle Preise und man ist plötzlich ein überall bekannter Video-Blogstar! Oh Mann! Der nächste Termin ist schon im Juli, aber ich habe ja noch nicht mal einen Kanal.

Mimi, meine beste Freundin, sagt, sie würde meinem VLog als Erste folgen. Allerdings ist Nähen gar nicht so ihr Ding. Sie sagt »Cool!« oder »Nice!«, und wenn es ihr mal nicht so gefällt, »Na ja, also …«.

Ich kenne aber jemanden, der richtig viel Ahnung vom Nähen...