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E-Book 57-66 - Irrlicht Staffel 6 - Mystikroman

E-Book 57-66 - Irrlicht Staffel 6 - Mystikroman

Jessica London, Sarah Moon, Anne Karen, Lucie van Geldern, Mary Dean, Anne Bodmann, Gerda Ann Cerra, Maja Merling, Anna Stefany

 

Verlag Martin Kelter Verlag, 2018

ISBN 9783740931100 , 100 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

25,99 EUR

Mehr zum Inhalt

E-Book 57-66 - Irrlicht Staffel 6 - Mystikroman


 

Phoebe bemerkte erstaunt, daß die sonderbare Atmosphäre Eindruck auf sie machte. Ein wenig gruselig war es schon, worauf sie sich da eingelassen hatte, allein nachts in dieser Einöde zu marschieren… Das Knacken eines Zweiges hinter ihr im Wald ließ sie zusammenzucken. Noch aufmerksamer als zuvor lauschte sie in die betreffende Richtung. Mit weit geöffneten Augen starrte sie in die Dunkelheit. Das Knacken wiederholte sich noch einige Male. Es hörte sich tatsächlich an, als würde sich jemand seinen Weg durch das verschneite Unterholz bahnen – wie Phoebe Minuten zuvor! Es ist bestimmt ein Tier, beruhigte sie sich und zog sich in den Schatten eines Baumes zurück. Ein Rothirsch vielleicht… Phoebe wagte sich minutenlang nicht zu rühren. Erst allmählich kehrte ihre Sicherheit zurück. Sie wollte gerade weitergehen, als ihr plötzlich das Blut in den Adern stockte! Direkt vor ihr stand ein riesiger Schatten, der erschreckende Ähnlichkeit mit einem Werwolf hatte…

Als Großvater Johnson geboren wurde, regnete es Frösche, Katzen und junge Hunde – jedenfalls hatte er Phoebe diesen und andere Bären in ihrer Kindheit aufgebunden.

Als er dann beerdigt wurde, regnete es schlicht und ergreifend – Wasser. Es schüttete wie aus Kübeln. Phoebe flüchtete von dem kleinen Friedhof im südlichen Liverpool direkt in eines der vielen bereitstehenden schwarzen Taxis.

Als Phoebe vor ein paar Tagen die Nachricht von der Erkrankung ihres geliebten Großvaters erhalten hatte, hatte sie gleich ein ungutes Gefühl beschlichen. Ein paar Telefonate reichten aus, um ihre »Vorahnung« zur Gewißheit werden zu lassen: Es stand sehr schlecht um ihren Großvater. Kurz entschlossen war sie nach Rücksprache mit ihrer Chefin nach Liverpool gereist, doch sie hatte nicht mehr viel tun können. »Old John«, wie er von seinen Freunden liebevoll genannt worden war, hatte die Augen bereits für immer geschlossen.

Phoebe war zu spät gekommen. Und das belastete sie stärker, als sie nach außen hin zugab. Einmal hätte er sie gebraucht, und sie war nicht dagewesen…

An einer kleinen, bösartigen Grippe war er gestorben!

Völlig überraschend für alle – am meisten aber für Phoebe, die es wie ein Schock getroffen

hatte. Seither erledigte sie

die unumgänglichen alltäglichen Pflichten wie in Trance. Ein Teil ihres Ichs verhandelte mit Ämtern, dem Bestattungsinstitut und den in verblüffender Zahl aufgetauchten Gläubigern – der andere Teil trauerte.

Doch der jungen Frau blieb nicht viel Zeit, ihren Gefühlen nachzugeben, da sie nur vier Tage Urlaub bekommen hatte. Alles, was zu regeln war, mußte so schnell wie möglich erledigt werden, und so kam es, daß Phoebe unmittelbar nach der Beerdigung bereits einen Termin mit dem Anwalt ihres Großvaters hatte.

Das Notariat lag nicht in der besten Gegend – nur einen Katzensprung von dem Haus ihres Großvaters entfernt, in dem Phoebe aufgewachsen war. »Old John« hatte sie nach dem frühen Tod ihrer Eltern aufgenommen und es geschafft, ihr die glücklichste Kindheit zu bieten, die sie sich vorstellen konnte.

Sie verdankte ihm so vieles… Daß er tot war, begriff sie immer noch nicht in letzter Konsequenz, obwohl sie doch genau gesehen hatte, wie der Sarg in der Friedhofserde verschwunden war. Wer wußte schon genau, daß »Old John« wirklich darin gelegen hatte…?

Sie lächelte bei diesem Gedanken, melancholisch und ohne es bewußt wahrzunehmen.

Als Phoebe das Notariat betrat, schlug ihr ein Mief entgegen, der ihr beinahe den Atem nahm. Doch sie hatte keine Wahl – sie mußte diesen Termin hinter sich bringen.

Eine mausgesichtige Sekretärin begrüßte sie und führte sie in einen mit antiquierten Möbeln ausgestatteten Raum, der außer der Tür, durch die Phoebe gekommen war, noch eine zweite besaß, hinter der es deutlich rumorte.

Nach einer Weile öffnete sich diese Tür, und ein elegant gekleideter, grauhaariger, kleiner Mann stolzierte herein. Notar Barklay ging achtlos an Phoebe vorüber, die auf einer Art Büßerbänkchen Platz genommen hatte, und setzte sich hinter einen rustikalen Schreibtisch, auf dem peinliche Ordnung herrschte. Dort thronte er nun wie ein kleiner König.

Ohne die junge Frau zu begrüßen, öffnete er eine Schublade und zog eine Aktenmappe heraus. Sobald er die Schnur darum gelöst hatte, begann er mit leiser, aber eindringlicher Stimme zu sprechen.

»Der verstorbene John Hinkley Johnson hat die hier anwesende Phoebe Hardy zur Universalerbin seines Vermögens ernannt.« Es folgte eine Aufzählung von Gütern. Phoebes Großvater schien außer dem Stadtgrundstück und dem Haus noch über nicht unbeträchlichen Landbesitz verfügt zu haben, der allerdings kreuz und quer über die Grafschaft verstreut schien. Daß er dies nie erwähnt hatte, bewies, daß ihm der Besitz nie wichtig gewesen war. Phoebe beschloß, dies ebenso zu halten. Das Haus ihrer Kindheit interessierte sie aus naheliegenden Gründen – eine Wiese oder ein Acker irgendwo in der Ferne weniger.

»Nehmen Sie das Erbe an?« schloß der Notar, dessen Namen sich Phoebe einfach nicht merken konnte.

Sie nickte.

Er mußte über telepathische Fähigkeiten verfügen, denn, obwohl er sie nicht ein einziges Mal ansah, erklärte er: »Gut. Dann müßten Sie nur noch Ihre Unterschrift unter dieses amtliche Schriftstück und eine Kopie setzen.« Er winkte Phoebe heran, hielt ihr einen Füllfederhalter hin und wartete, bis sie dem Text, der nichts anderes beinhaltete als das, was der Notar vorgelesen hatte, mit ihrer Unterschrift Gültigkeit verliehen hatte. Auch die Kopie unterschrieb sie. Dann signierte er das Dokument selbst und sagte: »Das wäre es. Bis auf eine Kleinigkeit noch.«

»Eine Kleinigkeit?«

»Ihr Großvater hat mir ein Kuvert für Sie zur Aufbewahrung gegeben.«

»Was befindet sich darin?« fragte Phoebe erstaunt.

»Das weiß ich nicht. Er wollte, daß nur Sie von dem Inhalt Kenntnis erlangen.«

Phoebe nickte abwesend, während der Notar einen verborgenen Knopf unter der Schreibtischplatte drückte. Kurz darauf trat die Sekretärin ein, die offenbar bereits vorab eindeutige Instruktionen erhalten hatte, denn sie hielt den erwähnten Umschlag bereits in der Hand.

»Muß ich das Kuvert hier öffnen?« fragte Phoebe.

»Sie können damit tun und lassen, was Sie wollen«, sagte der kleine Notar freundlich. »Eine beglaubigte Kopie des Testaments geht Ihnen in Kürze zu, die Urschrift bleibt hier. Haben Sie eine Adresse in der Stadt, wohin wir alles schicken können?«

»Nein, ich werde heute noch abreisen. Mir ist es lieber, wenn Sie die Unterlagen an meine Londoner Adresse schicken.«

Er nickte. »Kein Problem. Die liegt vor.«

»Gut.« Phoebe steckte den leichten Umschlag in ihre Tasche und verabschiedete sich. Sie war froh, das stickige Büro verlassen zu können.

*

Phoebe betrat das kleine

Häuschen in der Lintford Street mit Wehmut, denn es war vielleicht das letzte Mal. Sie wußte nicht, was sie mit dem Besitz anfangen sollte und würde vermutlich einen Makler in London damit beauftragen, das Haus zunächst zu vermieten. Vernünftiger wäre es gewesen, es gleich zu verkaufen, aber aus sentimentalen Gründen wollte sie noch eine Weile warten, bis sie diesen Schritt wagte.

Wie bei ihrer Ankunft vor vier Tagen, schlug ihr auch jetzt wieder jener Geruch entgegen, der sofort Kindheitserinnerungen heraufbeschwor. Doch diesmal ließ sie sich nicht davon übermannen.

Sie durchquerte den engen, dunklen Gang, der außer von den Türen, wenn sie offenstanden, von nirgendwoher Licht bekam. Sanft strich sie über eine Kommode, die eigentlich keinen Platz hier hatte, aber dennoch irgendwie hineingequetscht worden war, und spürte dicken Staub unter ihren Fingern. Überall lag dieser Staub, der ihren Großvater nicht weiter gestört zu haben schien.

Auch Phoebe störte er nicht.

Als sie an der Tür zum Keller vorbeikam, hatte sie kurz das Gefühl, als schließe sich plötzlich eine kalte Hand um ihr wild pochendes Herz. Zu frisch war noch die Erinnerung an das Grauen kurz nach ihrer Ankunft. Zurück aus dem Krankenhaus, in dem »Old John« einsam gestorben war, hatte

sie sich hierher geflüchtet, um mit den Schuldgefühlen fertig zu werden, die sie sich machte.

Da hatte sie das Winseln gehört. Das leise, kraftlose Wimmern, das aus dem Keller kam. Gleichzeitig war ihr aufgefallen, daß sie gar nicht wußte, was aus all den Tieren ihres Großvaters geworden war, die normalerweise durch die Gänge und den verwilderten Garten streunten. Hatte er noch Zeit gefunden, sie in die Obhut eines Freundes oder Nachbarn zu geben?

Angezogen von den erbärmlichen Tönen, war sie vorsichtig die Steinstufen hinuntergestiegen. Eine schwache Glühbirne enthüllte am Fuß der Treppe etwas, das ebenso grausig wie unfaßbar war: Ein halbes Dutzend Hunde und Katzen – »Old Johns« Lieblingstiere – drängten sich auf engstem Raum in einem Drahtverschlag, in dem es weder Futter- noch Wassertröge gab!

Wie lange die Tiere schon hier eingesperrt waren, ließ sich auf den ersten Blick nicht feststellen, doch ihr Zustand war mitleiderregend.

Phoebe war kreidebleich ans Telefon gerannt und hatte die Polizei informiert. Daß ihr Großvater, der seine Tiere nie einschloß, für diese Tragödie nicht verantwortlich war, stand für sie außer Frage.

Als die überlebenden Tiere am Abend in ein Tierheim gebracht worden waren, um sie wieder hochzupäppeln, war die Polizei über eine Nachbarschaftsbefragung einer älteren Frau auf die Spur gekommen, die nach einhelliger Meinung Mister Johnsons Haus in Ordnung hielt, wenn dieser einmal abwesend war. Sie besaß einen...