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David, Emily und der ganz normale Wahnsinn: Der Work-Life-Balance-Roman

David, Emily und der ganz normale Wahnsinn: Der Work-Life-Balance-Roman

Lutz Urban, Christian Marx

 

Verlag Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, 2018

ISBN 9783962510497 , 176 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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12,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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David, Emily und der ganz normale Wahnsinn: Der Work-Life-Balance-Roman


 

TEIL 2: Distanz schaffen


Eine neue Erfahrung


Am Morgen ist es Davids Wecker, der zuerst klingelt. Es ist noch dunkel. Müde stellt David den Wecker aus. Emily murmelt schlaftrunken: „Sehen wir uns heute in der Mittagspause?“

„Ja, bis heute Mittag, Schatz.“ Davids Stimme klingt kraftlos und niedergeschlagen. Mit bleiernen Gliedern macht er sich fertig und verlässt das Haus, um ins Büro zu fahren.

David fällt es schwer, sich zu konzentrieren. Er bearbeitet einige E-Mails und Angebote, die noch vor der Bauleiterbesprechung verschickt werden müssen. Dann geht er zum Besprechungsraum in sein erstes Meeting. Alles scheint wie immer zu verlaufen. Die Bauleiter wenden sich mit ihren üblichen Fragen und Beschwerden an David. In Gedanken schweift dieser immer wieder ab und spielt den gestrigen Tag und Abend durch, als die fordernde Stimme eines Kollegen ihn aus seinen Gedanken reißt. „David, was gedenkst du jetzt zu tun? Ich habe dir letzte Woche schon gesagt, dass ich den Kran Ende dieser Woche brauche. Da du dich ja anscheinend nicht kümmerst, habe ich mit Paul gesprochen. Er kann den Autokran auf seiner Baustelle nicht entbehren. Ihm werden dann die Betonfertigteile geliefert. Ich habe es ja schon beim letzten Meeting gesagt, dann müssen wir eben Geld in die Hand nehmen und einen Autokran mieten. Oder brauchst du dazu erst die Erlaubnis vom Alten?“

Das hat gesessen. David kann spüren, wie der Impuls in ihm hochsteigt, zum Gegenschlag auszuholen. Doch dann erinnert er sich an Leos Worte: „Achten Sie zuerst auf Ihren Zustand!“

David wundert sich selbst, als er sich gut zuredet, es auszuprobieren. Er nimmt sich Zeit, atmet tief ein und aus und setzt sich aufrecht hin. Seinen Kollegen schaut er direkt an und sagt mit ruhiger, fester Stimme: „Ich habe dein Anliegen verstanden, Martin. Ich kümmere mich darum und gebe dir bis heute Nachmittag 15 Uhr eine konkrete Rückmeldung.“

Innerlich bereitet sich David schon auf eine Auseinandersetzung vor, da Martin häufig diskutiert und gern das letzte Wort hat. Zu Davids Erstaunen sagt er einfach nur: „O.K., danke. Dann bin ich gespannt, wie du das löst.“

David lehnt sich zurück. Er überlegt, warum Martin sich so schnell mit seiner Antwort zufriedengegeben hat. Er hat den Unterschied zu seiner sonstigen Stimme wahrgenommen; sie war entschiedener als sonst. Martin hat das anscheinend auch bemerkt und deshalb auf seine Kommentare verzichtet.

Auch die anderen Kollegen reagieren auf die Veränderung und ab diesem Moment läuft das Meeting recht unaufgeregt ab.

David bleibt am Ende der Besprechung noch einige Minuten im Raum sitzen. Er ist erstaunt über das, was er eben erlebt hat. Die Situation ist nicht wie sonst in ein Streitgespräch ausgeartet. Kann es nur daran gelegen haben, dass er einige Male bewusst durchgeatmet und sich gerade hingesetzt hat? War es der intensivere Blickkontakt? David hat seine Zweifel, kann aber nicht bestreiten, dass Leos Gerede vom guten Zustand der Auslöser war. Interessant ist die Sache schon, aber kann das so einfach sein? David nimmt noch einmal drei tiefe Atemzüge und macht sich dann auf, um Emily beim Italiener zu treffen.

Auf der Fahrt versucht David, den richtigen Einstieg für das Gespräch zu finden. Ihm ist klar, dass er Emily um Entschuldigung bitten muss, bevor sie miteinander reden können.

Emily sitzt schon an ihrem Tisch, liest sich Exceltabellen ihrer Arbeitgeberin durch und wickelt dabei ihre blonden Haarsträhnen um den Zeigefinger.

Mit einem flauen Gefühl im Magen geht David zu ihr. Er kann ihr kaum in die Augen schauen und gibt ihr einen flüchtigen Kuss. Um die schwierige Situation endlich aufzulösen, blickt David Emily nun direkt an und sagt: „Es tut mir unbeschreiblich leid wegen gestern. Ich weiß, dir hat das Konzert viel bedeutet und ich habe unseren Abend zunichte gemacht. Ich möchte mich bei dir entschuldigen.“

Emily zieht erstaunt die Brauen hoch. Nach einem Augenblick der Stille antwortet sie: „Danke für die Entschuldigung. Es ist dumm gelaufen, aber ist schon O.K.. Ich weiß, dass du im Moment zu viel um die Ohren hast. Es ist dir einfach durchgerutscht. Ich war froh, dass Leo kurzfristig mitkommen konnte.“

David spielt mit einer Packung Streichhölzer.

„Wieso bist du mit ihm zum Konzert gegangen? Ihr kennt euch doch nur vom Yoga, oder?“

„Ja, vom Yoga. Keiner meiner anderen Freunde hatte Zeit, und ich habe mich erinnert, dass wir über das Konzert geredet haben und Leo keine Karte mehr bekommen konnte. Also habe ich ihn angerufen. Es war ein schöner Abend. Aber, wie war euer Gespräch?“

David denkt einen Moment nach. „Ich weiß nicht, was ich von Leo halten soll. Er hat eine merkwürdige Art. Die ganze Zeit hat er mir davon erzählt, wie wichtig es ist, in einem guten Zustand zu sein und das regelmäßig zu trainieren. Ganz ehrlich, ich glaube, er ist ein bisschen weltfremd. Ich kann mir nicht vorstellen, wie das meine realen Probleme lösen soll.“

David schaut Emily auffordernd an. Er hofft, in seiner Einschätzung bestätigt zu werden.

Doch Emily geht nicht darauf ein. Sie überlegt einen Moment, was sie antworten soll und sagt dann mit Nachdruck: „Vielleicht liegt es ja an dir, David. Leo scheint sein Leben gut im Griff zu haben.“

Das war deutlich. David hat den Reflex, sich zu verteidigen, weiß aber genau, dass es zwecklos ist. Emily steht wortlos auf und geht zur Toilette.

Unwillkürlich kommen David Leos Worte wieder in den Sinn und die Übung, die sie gemeinsam gemacht haben. David seufzt und nutzt die Zeit, in der Emily weg ist. Er fokussiert sich auf seine Atmung und nimmt einige tiefe Atemzüge. Dann spürt er seinen Körper vom Kopf bis zu den Zehen.

Emily kommt zurück an den Tisch. „Weißt du, David, ich mache mir Sorgen um dich. Es ist wichtig, dass du auf dich achtest. Gerade jetzt, weil deine Aufgaben komplexer werden und ständig zunehmen. Ich sehe doch, wie es dir geht.“

David streicht Emily behutsam über die Hand und schaut ihr dann tief in die Augen. „Du hast recht. Ich danke dir für deine Aufmerksamkeit.“

Und wieder klingt Davids Stimme anders, so wie eben im Meeting. David ist überrascht und Emily wundert sich auch: „Aus dir werde ich nicht schlau, wo kommt diese Stimme her?“

„Ich habe nur Leos Übung gemacht, aber so einfach kann es ja wohl nicht sein.“

„Wohl kaum, aber es hat doch einen Unterschied gemacht“, entgegnet Emily. „Leo scheint zu wissen, was er tut. Ich bin mir sicher, er könnte dich gut unterstützen. David, tue mir einen Gefallen und probiere es mal mit Leo. Du hast doch nichts zu verlieren. Oder geht es hier um deinen Stolz?“

„Nein, so ein Quatsch, damit hat es nichts zu tun. Ich kann mir das einfach mit einem Typen wie ihm nicht vorstellen.“

Er wirft die Streichholzschachtel von einer Hand in die andere und dann resigniert auf den Tisch.

„Ich kann dich nicht zwingen, David. Du musst das selbst entscheiden.“

Der Kellner bringt das Essen, streift Emily mit einem anerkennenden Blick und zündet die Kerze auf dem Tisch an. Das Gespräch über Leo ist beendet.

„Gibt es Neues vom Pflegedienst?“, fragt David.

Emily legt ihr Besteck auf den Teller und seufzt.

„Ich habe mir die drei Bereiche genau angesehen, für die ich zuständig sein werde. Da sind die Betreuung unserer Klienten, Aufgaben, die mit unseren Mitarbeitern zu tun haben und der Bereich Kooperationspartner. Mit den ersten beiden Bereichen habe ich kein Problem, aber Verhandlungen mit dem Medizinischen Dienst zu führen, dem Sozialamt und den Pflegekassen, das ist mir zu viel des Guten.“

„Wieso?“

Als Antwort wedelt Emily mit den Exceltabellen.

„Es gibt zwar unzählige Vorschriften, dann aber doch Ermessensspielräume. Die Aufgaben haben mit Pflege nur noch am Rande was zu tun.“

„Verstehe, und was willst du jetzt tun?“

„Ich muss noch mal mit meiner Chefin reden. Es ist nicht so einfach, wie sie sich das vorstellt.“

Emily nimmt das Besteck wieder auf und isst ihre Pasta.

David nickt und bittet sie, ihn auf dem Laufenden zu halten.

Zurück im Büro


Das Gespräch mit Emily beschäftigt David und lässt ihn auch den ganzen Nachmittag über nicht los. Im Büro angekommen, findet David eine Nachricht auf seinem Schreibtisch.

‚Unbedingt Herrn Maier zurückrufen. Äußerst dringend!‘

David nimmt den Notizzettel in die Hand und lässt sich in seinen Bürostuhl sinken. Er dreht den Zettel vor und zurück und versucht eine Verbindung zum Namen herzustellen. Er meint,...