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Weil Worte wirken - Wie Arzt-Patienten-Kommunikation gelingt. Theorie - Praxis - Übungen

Weil Worte wirken - Wie Arzt-Patienten-Kommunikation gelingt. Theorie - Praxis - Übungen

Regine Heiland

 

Verlag Kohlhammer Verlag, 2018

ISBN 9783170334618 , 278 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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34,99 EUR

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Weil Worte wirken - Wie Arzt-Patienten-Kommunikation gelingt. Theorie - Praxis - Übungen


 

2          Akteure


 

 

 

Kaum ein nicht-privates Zusammentreffen kann so persönlich und elementar werden wie die Begegnung von Arzt und Patient. Und auch wenn es beiden um ein gemeinsames Ziel geht, die Gesundheit des Patienten, sind die Perspektiven darauf naturgemäß unterschiedlich. Wie sieht sich der Arzt, in welcher Situation sieht sich der Patient? Und wie gestaltet sich daraus eine ausbalancierte Kommunikation?

2.1       Selbstverständnis des Arztes


»Heilung vollzieht sich durch Behandlung und Begegnung.«

(Friedemann Schulz von Thun)

Ärzte hatten schon immer eine besondere Stellung in der Gesellschaft. Wohl auch, weil es so oft um Leben und Tod geht, schauen die Menschen sie mit anderen Augen und Maßstäben an, als beispielsweise einen Steuerberater. Und nicht zuletzt aufgrund der hohen Hürden für ein Medizin-Studium erwartet man von Ärzten ohnehin irgendwie »mehr«, nicht nur intellektuell, sondern auch moralisch. Mit dieser Mischung aus Respekt und Erwartung sehen sich Ärzte also täglich konfrontiert. In diesem Kapitel möchten wir uns aber der anderen Seite widmen, nämlich: Wie sehen Ärzte sich selbst? (Dass der eine Blick auch von dem anderen beeinflusst ist, versteht sich.) Was für ein Selbstverständnis haben Ärzte heute? Hat es sich gewandelt? Welches ist zeitgemäß, welches effektiv und schließlich – welches haben Sie von sich?

Zum Begriff Selbstverständnis: Unser Selbstverständnis bestimmt unser professionelles Handeln. Es prägt, was wir als unsere Aufgabe sehen – und was nicht. Erwartungen, Werte, Handlungsmuster, Verhaltensweisen (eingebettet in die Kultur, in der wir leben) spiegeln sich im Selbstverständnis wider. Es ist die Grundlage für die Selbstbewertung. Und es bestimmt, wie wir in Beziehung zu den anderen treten. Konkret: Wie der Arzt sich selbst sieht, wie er sich versteht, hat Wirkung auf den Patienten.

Folgender Satz veranschaulicht dieses Spannungsfeld:

»Es ist in Ordnung, wenn der Arzt für seine Leistung (im Interesse des Bedürftigen) ein Honorar erhält, nicht in Ordnung ist es, wenn er des Geldes wegen Leistungen erbringt« (Achenbach 2014).

Übung – Selbstreflexion


Ein paar Fragen, mit denen Sie Ihrem eigenen Selbstverständnis auf die Spur kommen können:

1.               Was ist meine wichtigste Aufgabe als Arzt?


2.               Welche Erwartungen eines Patienten oder einer Patientin an mich empfinde ich als unangemessen/übertrieben?


3.               Wofür bin ich verantwortlich – und wofür nicht (im Beratungs- und im Behandlungsprozess)?


4.               Wo beginnt die Verantwortung des Patienten?


5.               Was geht in mir vor sich, wenn ein Patient ankündigt, dass er eine Zweitmeinung einholen möchte?


6.               Wie reagiere ich (innerlich und äußerlich), wenn der Patient eine andere Therapieoption wählt, als die, die ich empfohlen habe?


7.               Wie reagiere ich (innerlich und äußerlich), wenn der Patient eine Therapieoption aus dem Bereich der Komplementärmedizin wählt?


8.               Kann ich den Wunsch eines Patienten akzeptieren, wenn er keine Behandlung mehr möchte?


9.               Wann bewerte ich einen Kontakt mit einem Patienten als gelungen?


10.            Haben die Patienten einen Anspruch auf ihre eigenen Unterlagen (unabhängig von der Rechtslage!)?


11.            Erzähle ich auch Persönliches von mir?


12.            Entschuldige ich mich, wenn ich einen Fehler gemacht habe?


13.            Wie reagiere ich, wenn die Therapie nicht wirkt?


14.            Wie reagiere ich, wenn Non-Compliance auftritt?


15.            Ist mein Ziel, dass der Patient seine Krankheit versteht – oder reicht es mir, wenn er weiß, was er tun soll?


Grundsätzlich werden drei Haltungen unterschieden:

•  Paternalistisch

•  Dienstleistend

•  Kooperativ

Wir möchten die drei Haltungen kurz vorstellen – im Bewusstsein, dass sie »in Reinform« selten vorkommen. Jeder Arzt, jede Ärztin wird manchmal zwischen den Stilen wechseln.

Paternalistische Haltung


Der Arzt tritt vor allem als Fachexperte auf und entscheidet fürsorglich für den Patienten. Er agiert – nach einem traditionellen Vaterbegriff – elterlich-beschützend, aber auch bevormundend.

Die Behandlung wird dem Patienten mitgeteilt, nicht mit ihm verhandelt.

Diese Haltung entspricht am ehesten dem Klischeebild vom »Halbgott in Weiß«.

Das klingt dann zum Beispiel folgendermaßen:

» Für Sie mit Ihrer Depression ist es eindeutig das Beste, wenn Sie die verschriebenen Medikamente exakt so, wie beschrieben, einnehmen. Nebenwirkungen können auftreten, müssen aber nicht. Dann können wir Dosierung oder Verteilung ändern. Und gelegentlich muss man mit Nebenwirkungen auch leben lernen…«

Mit dem Modell des Kommunikationsquadrates beleuchtet, bedeutet eine paternalistische Haltung des Arztes:

Für den Patienten bedeutet das zunächst einmal: Jemand entscheidet für mich. Das kann sehr entlastend sein.

Der Patient muss sich nur einmal entscheiden: welchem Arzt er vertrauen möchte. Mit dem Für und Wider einer Behandlung oder verschiedenen Alternativen muss er sich nicht mehr auseinandersetzen.

Weitere Vorteile: Es geht relativ schnell, weil der Arzt nicht viel erläutern muss. Ob der Patient versteht, warum er etwas tun soll, ist nebensächlich, wichtig ist nur, was er tun soll. Klaus Dörner (2001) bezeichnet diese Haltung als eine Subjekt-Objekt-Beziehung: »Ich als Arzt unterwerfe dich mir und mache dich zu meinem Patienten-Objekt, da du auf diese Weise am schnellsten wieder Subjekt werden kannst. (…) Da ich einen uneinholbaren Vorsprung an Kompetenz, Wissen und Macht habe, ist es vernünftig, dass du dich mir aussetzt, mir völlig anvertraust.«

Die »Gefahr«: Eine Überlastung auf Seiten des Arztes. Er nimmt die ganze Verantwortung für die Entscheidungen auf seine Schultern – der Patient muss nur Ausführender sein.

Zudem können Ratschläge einen Autonomiereflex auslösen. Eine Patientin schilderte uns, wie sie jedes Interesse an gesunder Ernährung verlor, als ihr Arzt sie eindringlich beschwor, darauf mehr zu achten.

Es kommt zu Reaktanz, damit sind gute Hinweise in Gefahr, wirkungslos zu bleiben. Wenn man es sehr extrem formulieren will: Gehorsam passt zu einem Soldaten. Dieser muss auf Befehle gehorsam reagieren, ein Patient eigentlich nicht!

Die individuellen Prioritäten im Leben des Patienten werden nicht berücksichtigt. Beispielsweise hat die Frage »Was bedeutet für Sie Lebensqualität?« in der paternalistischen Haltung keinen Platz. Wenn der Arzt nicht berücksichtigt, was für den Menschen, der ihm gegenübersitzt, wirklich wichtig ist, sind seine Ratschläge und Verhaltenshinweisen eventuell wirkungslos.

So gibt es z. B. gerade bei Depressionen Schwierigkeiten mit der...