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Maybe this Kiss - Und mit einem Mal doch

Maybe this Kiss - Und mit einem Mal doch

Jennifer Snow

 

Verlag LYX, 2019

ISBN 9783736306639 , 217 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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3,99 EUR

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Maybe this Kiss - Und mit einem Mal doch


 

1


Der Puck flog direkt auf ihr Gesicht zu. Einen kurzen Moment lang überlegte Becky, die im Tor stand, sich einfach treffen zu lassen. Ich könnte den erzwungenen Schlaf brauchen, dachte sie. Aber Verlieren gab es nicht für die Westmores, und in der letzten Sekunde, bevor der Puck sie erwischte, hob sie die behandschuhte Hand, pflückte ihn aus der Luft und beförderte ihn zurück aufs Eis.

Sie warf einen Blick auf die Anzeigentafel. Im letzten Drittel des Spiels in der Amateureishockeyliga blieben noch zehn Minuten. Nur noch zehn Minuten, und danach würde sie sich weigern, jemals wieder für den eigentlichen Torwart einzuspringen. Sie war eine zweiunddreißigjährige alleinerziehende Mutter mit einer To-do-Liste, die jeden Tag länger wurde; sie hatte für so etwas keine Zeit.

Als sie sah, dass ihr Bruder Jackson dem Stürmer der Fort Collins Renegades den Puck abnahm, entspannte sie sich ein wenig. Jetzt würde der Puck eine Zeit lang das Problem des gegnerischen Torwarts sein.

Sie behielt recht. Man hätte sie genauso gut in den verbleibenden Minuten vom Platz stellen können, denn sie musste keinen einzigen Schuss der Renegades mehr abwehren.

Als das Spiel zu Ende war, eilte sie mit ihrem Team zur Mittellinie. »Gutes Spiel, gutes Spiel«, sagte sie zu jedem gegnerischen Spieler, der nicht gerade leise etwas über einen unfairen Sieg in sich hineingrummelte.

Becky konnte es ihnen nicht verübeln. Die Glenwood Falls Hurricanes hatten Jackson im Team, einen früheren Hoffnungsträger der National Hockey League, und seinetwegen hatte kaum jemand eine Chance gegen sie. Seit vier Jahren führten sie jetzt ihre Spielklasse an, und sie fragte sich, wann die Liga einen Erlass herausgeben würde, der ihren Bruder vom Eis verbannte.

Sie nahm einen High Five von ihm entgegen und sagte: »Das war’s. Ich höre auf. Bitte mich nicht, in dieser Saison noch mal einzuspringen.«

Er fuhr mit ihr zusammen vom Eis. »Ach, komm schon, du spielst doch wahnsinnig gern.«

Sie zog die Handschuhe aus und schüttelte den Kopf, wobei ihr der etwas zu große Helm um die Ohren schlackerte. »Nein. Du spielst wahnsinnig gern Eishockey. Ich bin dauernd gezwungen einzuspringen, weil keiner von euch Trotteln Torwart sein will. Das war schon so, als wir noch Kinder waren«, fügte sie hinzu, womit sie auf ihn und ihre zwei Brüder anspielte, die es in die NHL geschafft hatten. »Ich habe mich damals dem Team zuliebe gefügt, und ich habe mich dem Team zuliebe gefügt, wann immer mich die Hurricanes gebraucht haben, aber diesmal meine ich es ernst, Jackson. Es ist der erste Dezember.«

»Ah, der Höllenmonat beginnt. Du tust dir das selbst an, das ist dir schon klar, oder? Du lädst dir alles Mögliche auf, und dann beschwerst du dich den ganzen Monat lang, dass du die Vorweihnachtszeit nicht wie alle anderen genießen kannst.«

Zum Teil stimmte das, aber es war ja nicht so, dass sie die Wahl gehabt hätte. Zusätzlich zu ihren eigenen Vorbereitungen war sie Vorsitzende der Widows of Heroes – einer Unterabteilung der Operation Homefront, die sowohl Familien von Militärangehörigen unterstützte als auch die Frauen und Kinder des Rettungspersonals. Zu dieser Zeit des Jahres verdoppelte sich die Arbeit. Auf ihren Schultern lastete eine Menge Verantwortung. Sie musste dafür sorgen, dass die Familien, die von der Unterstützung der Gruppe abhängig waren, diese auch bekamen. »Du darfst gern helfen.«

Er lachte. Inzwischen waren sie bei den Umkleideräumen angekommen. »Du würdest mich nie auch nur in die Nähe deiner perfekten Weihnachtsdekoration lassen. Tschau, Schwesterchen.« Damit verschwand er im Männerumkleideraum.

Becky seufzte und machte sich auf zu der leeren Frauenumkleide. Jackson hatte recht. Sie war selbst schuld an ihrem Vorweihnachtsstress, weil sie zu viele Aufgaben übernahm und sich dann einbildete, alle perfekt machen zu müssen, aber so war die Weihnachtszeit nun einmal …

Sie öffnete den Schrank, griff nach ihrem Handy und erschauerte. Der diesjährige zusätzliche Stressfaktor hatte eine Nachricht hinterlassen. Sie setzte sich auf die Bank, nahm Eishockeypolster und Helm ab und steckte alles in den Matchbeutel. Dann hörte sie ihre Mailbox ab.

»Hi, Becky, ich wollte nur mal hören, wie es mit den Änderungen an meinem Kleid vorangeht. Ich bin schon total gespannt darauf«, ertönte die Stimme von Holly, ihrer früheren Schwägerin.

Änderungen war eine Beschönigung. Das altehrwürdige weiße Gewand musste komplett umgeschneidert werden. Aber Holly hatte darauf bestanden, dass das Kleid ihrer zukünftigen Schwiegermutter genau das war, was sie für ihre Weihnachtshochzeit brauchte.

Becky schluckte den Kloß aus Schuld hinunter, der sich in ihrer Kehle gebildet hatte. Tatsache war, dass sie sich noch kaum damit befasst hatte. Im November hatte ihr die Planung des Thanksgiving-Dinners für die Widows of Heroes eine Menge Zeit geraubt, und die Feste im Dezember würden noch mehr Arbeit bedeuten – das Kinderfest, die Weihnachtskörbe …

»Sag mir jedenfalls Bescheid, wann ich vorbeikommen kann«, lief die Nachricht weiter. »Ach ja, und auch, wann die Trauzeugen ihre Smokings anpassen lassen können.«

Das leicht ungute Gefühl in Beckys Magen verstärkte sich noch mehr. Sie hatte zugestimmt, die Schneiderarbeiten zu übernehmen, lange bevor ihr Exfreund Neil Healy zu einem der Trauzeugen bestimmt worden war. Als Air-Force-Pilot, der bis vor einem Monat in Florida stationiert gewesen war, hatte er seinem Cousin nicht einmal versprechen können, bei der Hochzeit dabei zu sein, und schon gar nicht, sogar an der Party teilzunehmen.

Neils Rückkehr nach Glenwood Falls nach zwölf Jahren Abwesenheit brachte sie völlig durcheinander. Sie hatte in all den Jahren oft an ihn gedacht. Sie hatte sogar ein- oder zweimal überlegt, sich mit ihm auf Facebook anzufreunden, meistens nach einem Glas Wein oder zwei … oder in Nächten, in denen sie sich ganz besonders einsam oder nostalgisch gefühlt hatte. Aber sie hatte sich nicht überwinden können, den Kontakt wieder aufzunehmen und auf ihn zuzugehen.

Jedenfalls hatte sie das Foto in seinem Facebookprofil viel zu lange angeschaut, um behaupten zu können, sie würde ihn nicht erkennen, wenn er ihr irgendwann über den Weg lief. Das Foto von ihm und einigen weiteren Offizieren der Streitkräfte, alle in Kampfausrüstung, hätte sie gern als Bildschirmschoner gehabt. Männer in Uniform waren in ihren Augen ohnehin der Hammer, und ihr Exfreund hob das Attribut »heiß« noch mal auf ein ganz neues Level. Genau deshalb hatte sie sich bisher an die Strategie gehalten, ihm aus dem Weg zu gehen. Dass sie auf der Militärbasis mit den Widows of Heroes arbeitete, hatte die Umsetzung dieser Strategie sehr schwierig gemacht, und sie nahm an, dass sie nur deshalb so erfolgreich gewesen war, weil er ihr ebenso aus dem Weg zu gehen versuchte wie umgekehrt.

Nun, ihre Vermeidungsstrategien würden ihnen bald auch nicht mehr helfen.

Sie seufzte, zog die Schlittschuhe aus und warf sie in ihre Tasche.

Als sie Neil das letzte Mal gesehen hatte, war er gerade von der Grundausbildung zurückgekehrt. Seit der siebten Klasse waren sie zusammen und unzertrennlich gewesen, und sie hatte jede Minute seiner Abwesenheit gehasst. Aber er hatte ihr versichert, die zehn Wochen würden rasch vergehen, und dann würden sie ihr gemeinsames Leben beginnen. Sie war damals zwanzig Jahre alt und unglaublich verliebt gewesen. Sie hatte gehofft, er würde recht behalten.

Als die Nachricht kam, dass man ihn in Miami stationieren würde und er innerhalb des ersten Jahres bereits seinen ersten sechsmonatigen Auslandseinsatz antreten müsse, war sie am Boden zerstört gewesen.

Miami war entsetzlich weit weg. Und Afghanistan hätte genauso gut ein anderer Planet sein können.

Neil hatte sie angefleht, mitzukommen, aber sie war mitten im dritten Collegesemester gewesen, und da man ihn ohnehin bald abkommandieren würde, hatte sie keinen Sinn darin gesehen, nach Miami zu ziehen. Ohne ihn in Glenwood Falls zu sein, wo sie Freunde und Familie hatte, war hart genug. Miami – ganz allein – wäre die Hölle geworden.

Sie hatte viel Zeit zum Nachdenken gehabt, während er fort war. Sie wusste, eine Fernbeziehung mit unsicheren Kommunikationsmöglichkeiten und Phasen wochenlangen Schweigens würde sie nicht aushalten. Die Gefahr, die Unwägbarkeiten einer militärischen Laufbahn, die Einsätze in Kriegsgebieten – allein bei dem Gedanken daran war ihr schlecht geworden. Und auch das unbeständige Leben, in dem sie vermutlich häufig von einer Militärbasis zur nächsten hätten ziehen müssen, traute sie sich nicht zu.

Sie hatte ihre Tränen hinuntergeschluckt und ihm eine Auszeit vorgeschlagen.

»Du meinst, wir sollen Schluss machen?« Unter seinem anklagenden Blick hatte ihr der Atem gestockt.

»Nein. Ich meine nur, dass wir uns lediglich ein bisschen Zeit nehmen sollten, uns zu überlegen, was wir beide wollen«, hatte sie trostlos erwidert, hin- und hergerissen zwischen widerstreitenden Gefühlen.

»Ich dachte, du wolltest dein Leben mit mir verbringen.«

»Das will ich, aber ich weiß nicht, ob ich unter diesen Umständen stark genug bin, es hinzubekommen. Ich würde mich elend fühlen und jedes Mal, wenn du aufbrichst, krank vor Sorge sein, und du weißt, Unsicherheit halte ich nicht gut aus.« Sie war mit ihrem vorhersehbaren Kleinstadtleben vollauf zufrieden. Neil war anders. Er war so mutig, und er hatte immer...