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Börse leicht verständlich - Jubiläums-Edition - Von der Depot-Eröffnung zum optimalen Depot

Börse leicht verständlich - Jubiläums-Edition - Von der Depot-Eröffnung zum optimalen Depot

Judith Engst, Rolf Morrien

 

Verlag FinanzBuch Verlag, 2020

ISBN 9783960923244 , 256 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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15,99 EUR

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Börse leicht verständlich - Jubiläums-Edition - Von der Depot-Eröffnung zum optimalen Depot


 

VORWORT


Die Deutschen gelten als extrem sparfreudiges Volk. Allerdings wird recht einseitig gespart. Es dominiert der Wunsch nach Sicherheit. So lassen sich in Deutschland seit Jahrzehnten Lebensversicherungen mit den Werbeargumenten »Sicherheit« und »Absicherung« bestens verkaufen. Rein statistisch betrachtet besitzt jeder Deutsche im Durchschnitt mehr als nur eine Lebensversicherung. In der Disziplin »Lebensversicherungsverträge pro Einwohner« liegt Deutschland seit vielen Jahren einsam an der Spitze. Die Versicherungskonzerne verzeichnen Jahr für Jahr Beitragszahlungen in Höhe zwei- bis dreistelliger Milliardenbeträge. Ebenfalls sehr beliebt sind andere Sparformen wie Bausparverträge oder Sparbücher. Mit dieser konservativen Anlagestrategie sind die Deutschen in den vergangenen Jahrzehnten auch relativ gut über die Runden gekommen.

Deutschland: kein Land der Aktionäre. Warum eigentlich?


Mit »offensiveren« Sparformen hatten die Deutschen dagegen weniger Glück. Im Aktienboom rund um die Jahrtausendwende stieg die Zahl der Aktien- und Aktienfondsbesitzer fast explosionsartig von 5,6 auf 12,9 Millionen. Der folgende Kurseinbruch mit dem mehrjährigen Crash hat das Vertrauen in die Anlageform Aktie nachhaltig erschüttert. Selbst der relativ solide deutsche Leitindex DAX musste einen Rückschlag von über 8.000 auf 2.200 Punkte hinnehmen. Die Verluste im Börsensegment »Neuer Markt« waren noch viel höher. Wer eine »Volksaktie« wie die Deutsche Telekom für 100 Euro kaufte und dann kurze Zeit später für 10 Euro verkaufte, wird erst einmal die Finger von Aktien lassen.

Der Niedergang der Aktienkultur begann also vor rund 20 Jahren und hat sich bis heute nicht nachhaltig erholt. Die Zahl der Aktionäre und Aktienfondsbesitzer ist von 12,9 (2001) über 10,8 (2005) bis auf 8,7 Millionen (2011) gesunken und konnte sich angesichts der anhaltenden Niedrigzinsen in der Euro-Zone bis Ende 2020 immerhin auf 12,4 Millionen erhöhen. Dies entspricht aber nur etwa 15 Prozent der Bevölkerung. In England – traditionell ein »Börsenland« – besitzt fast jeder vierte Einwohner Aktien oder Aktienfonds. Quoten über 20 Prozent werden aber nicht nur im angelsächsischen Bereich erreicht. In Schweden besitzt fast jeder fünfte Einwohner Aktien – und Schweden ist nicht als »Zockerland« bekannt.

Die Zurückhaltung der deutschen Sparer hat auch Folgen bei den Besitzverhältnissen. Vor 20 Jahren kontrollierten heimische Anleger rund zwei Drittel der DAX-Aktien. Heute ist es weniger als die Hälfte. Die Mehrheit ist in der Hand ausländischer Investoren.

Für den Aktienmarkt spielt es keine große Rolle, woher das Kapital stammt. Die großen Mittelzuflüsse aus dem Ausland haben dazu geführt, dass der DAX seit seinem Bestehen 1988 – trotz der starken Schwankungen – von Allzeithoch zu Allzeithoch eilt. Die deutschen Anleger haben vom Aufschwung jedoch kaum profitiert. Wenn sie sich überhaupt an die Börse trauen, verlassen sie den Aktienmarkt oft vorschnell bei zwischenzeitlichen Kursrückgängen, ohne zu berücksichtigen, dass bei langfristigen Investments hohe und auch relativ sichere Gewinne winken. Angesichts der großen Herausforderungen im Bereich der privaten Altersvorsorge ist ein Fernbleiben vom Aktienmarkt daher die falsche Entscheidung.

Mehrere Gründe sprechen dafür, dass die traditionell konservative Anlagestrategie nicht mehr zu den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts passt. Exemplarisch möchten wir nur zwei Punkte nennen: das strukturell niedrige Zinsniveau und die demografische Entwicklung, die eine Versorgungslücke auslöst.

Niedrige Zinsen heißt: Lebensversicherungen werfen kaum mehr etwas ab


Nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers im Herbst 2008 wurde in einer Panikreaktion weltweit Kapital aus dem Markt gezogen. Cash war König! Da plötzlich das »Schmiermittel« für die Weltwirtschaft fehlte, senkten die Notenbanken weltweit die Zinsen, um schnell wieder Geld verfügbar zu machen. Die Corona-Krise im Jahr 2020/2021 machte die Sache nicht besser: In den wichtigen Wirtschaftsregionen USA, Europa und Japan liegen die Leitzinsen noch heute – über zehn Jahre nach der Lehman-Pleite – bei oder nahe 0 Prozent.

Die Flucht in sichere Anlageformen und das niedrige Zinsniveau sorgten dafür, dass die Durchschnittsrendite der deutschen Staatsanleihen Mitte 2016 in den negativen Bereich rutschte – ein Zustand, der vorher noch nie dagewesen war. Ausgesprochen niedrig sind die Renditen noch heute. Wer Anfang 2021 sein Geld relativ sicher beim Bund anlegen wollte und in zehnjährige Bundespapiere investierte, musste ebenfalls negative Renditen hinnehmen – hat also dafür bezahlt, sein Geld beim Staat parken zu dürfen.

Diese Zinspolitik hat Auswirkungen auf die Lebensversicherungen. Denn die legen ihr Geld auch am Kapitalmarkt an. Die Renditen bei Kapitallebensversicherungen sind drastisch gesunken. Der ausgewiesene Garantiezins ist von 4,00 Prozent im Jahr 2000 auf nur noch 1,25 Prozent im Jahr 2015 gesunken und wurde im Januar 2017 noch weiter auf 0,9 Prozent gekürzt. Der Trend geht weiter. Der Grund ist einfach: Über 80 Prozent der rund 993 Milliarden Euro, die die Lebensversicherungen für ihre Kunden anlegen, stecken nach Zahlen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft in festverzinslichen Wertpapieren (auf die Details gehen wir in einem späteren Kapitel ein). Wenn diese Anleihen aber nur 0 bis 3 Prozent Rendite abwerfen, kann die Gesamtrendite nicht bei über 3 Prozent liegen. Schließlich fallen auch noch Verwaltungskosten an, und die Eigentümer der Versicherungskonzerne wollen auch noch bedient werden (die Aktionäre der Allianz erhalten zum Beispiel eine attraktive Dividende).

Da eine kurzfristige Zinswende nicht in Sicht ist, werden die Durchschnittsrenditen der Versicherungen voraussichtlich weiter fallen. Die Frage lautet: Welche Neukunden investieren dann noch in Lebensversicherungen? Selbst die Versicherungskonzerne können ihre Kunden nicht mehr damit trösten, dass das Zinstief bald überwunden wird. Eine radikale Zinserhöhung ist dauerhaft nicht in Sicht. Sie müssen nur die Zinsentwicklung im weltweit wichtigsten Markt – den USA – seit den 1970er-Jahren betrachten. In der Tendenz sinkt das Zinsniveau seit über 40 Jahren! 1980 schlug die amerikanische Notenbank die letzte große Schlacht gegen die Inflation. Die Zinsen stiegen damals in den zweistelligen Bereich. Die Renditen der fünfjährigen US-Staatsanleihen kletterten auf 12 bis 16 Prozent. 1990 lag die Rendite noch bei rund 8 Prozent, im Jahr 2000 bei 6 Prozent, 2010 bei rund 3 Prozent und seit 2012 bei unter 1 Prozent. Eine leichte, schrittweise Leitzinserhöhung zwischen 2016 und 2019 wurde im März 2020 wieder rückgängig gemacht. Auf 0,00 bis 0,25 Prozent wurden die Zinsen im Zuge der Corona-Krise abgesenkt. Selbst wenn es zwischenzeitlich kurze Zinserhöhungsphasen gibt, zeigt die langfristige Tendenz nach unten.

Wenn Sie eine Erklärung dafür suchen, müssen Sie nur auf eine einzige Statistik schauen: die Staatsverschuldung. Seit der Aufhebung des Goldstandards (der Bindung des US-Dollars an Gold) Anfang der 1970er-Jahre steigt die Verschuldung in den USA. Erst langsam, dann immer schneller. Seit Ausbruch der Finanzkrise kann das Tempo nur noch als rasant bezeichnet werden. Die US-Staatsverschuldung erreicht im Februar 2021 einen Rekordwert von über 27 Billionen Dollar. Kombinieren Sie jetzt einfach die beiden Statistiken: Würden die Zinsen in den USA auf das Niveau von 1980 steigen, müssten die USA pro Jahr rund 3,8 Billionen Dollar Zinsen zahlen. Eine utopische Zahl.

Daher unsere Schlussfolgerung: Da die formal mehr oder weniger unabhängigen Notenbanken die Schuldenproblematik kennen, werden sie das Zinsniveau so niedrig wie möglich halten, damit die Zinslast für die Staaten überhaupt noch zu schultern ist. Wenn die Konjunktur wieder gut läuft, mag es moderate Zinserhöhungen geben, diese werden aber deutlich geringer ausfallen als in früheren Aufschwungphasen. In schwachen Konjunkturphasen wird das Zinsniveau dagegen möglichst lange im Bereich von 0 bis 1 Prozent gehalten, damit nicht zusätzlicher Druck auf die ohnehin katastrophalen Staatsfinanzen entsteht. Selbst die (Teil-)Abschaffung von Bargeld wird aktuell schon diskutiert, um den Weg für negative Zinsen frei zu machen.

Fazit: Das Zinsniveau sinkt in der Tendenz. Das ist Gift für die konservativ agierenden deutschen Lebensversicherungen, die zu einem großen Teil in Staatsanleihen investieren (wobei die Frage erlaubt sein muss, ob Staatsanleihen angesichts der Schuldenkrise in den USA, in der EU oder in Japan überhaupt noch als »konservativ« gelten können).

Je länger das aktuelle Zinstief anhält, desto größer ist die Gefahr, dass es in der Versicherungsbranche zu Turbulenzen kommt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass einige Versicherungen schon jetzt von den Reserven leben – diese sind aber endlich. Die Lebensversicherungen verlieren an Attraktivität;...