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Julia Saison Band 47

Julia Saison Band 47

Robyn Grady, Trish Wylie, Rosalie Ash

 

Verlag CORA Verlag, 2019

ISBN 9783733713584 , 384 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,99 EUR

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Julia Saison Band 47


 

1. KAPITEL

Der Tennisschläger war der erste Gegenstand, den Rhiannon MacNally ertastete. Jeder andere wäre ihr auch recht gewesen. Dass sie das Geräusch trotz des Sturms draußen gehört hatte, glich beinahe einem Wunder. Wahrscheinlicher war allerdings, dass ihre Ohren an diesem ersten Abend allein mit ihrer Tochter in dem riesigen alten Haus empfindsamer waren als sonst. Und ausgerechnet jetzt brannte die Schlafzimmerlampe nicht.

Es war eindeutig jemand im Haus. Rhiannon war sich absolut sicher, während sie die letzte Treppenstufe verließ. Sie hörte die Bewegung, und ein eisiger Schauer lief ihr Rückgrat hinab. Nachzusehen, um wen es sich handelte, war vermutlich nicht die beste Idee. Aber dies war jetzt ihr Haus! Sie würde nicht zitternd im Bett liegen bleiben und warten.

Deshalb schlich sie den Flur entlang und ignorierte die Gänsehaut auf ihren Armen und die Kälte des Schieferbodens unter ihren nackten Füßen. Lautlos drückte sie sich an die Wand und hielt den Tennisschläger mit beiden Händen entschlossen vor sich.

Plötzlich fröstelte sie, und ihr Puls setzte einen Schlag aus. Da war es erneut. Diesmal ein deutliches Rascheln, gefolgt von einem unterdrückten Fluch, während jemand gegen etwas in der Küche stieß. Rhiannon schluckte heftig und befeuchtete mit der Zunge ihre trockenen Lippen. Sie schlich näher zur Tür, entschlossen, sich die Seele aus dem Leib zu schreien, um den Eindringling noch stärker zu verängstigen, als sie es selber war.

Gerade streckte sie die Hand nach dem Griff aus, da öffnete sich die Tür. Mit einem erstickten Schrei hob sie den Tennisschläger hoch, um niederzuschlagen, wer immer herauskommen mochte.

Ein Schatten näherte sich. Geschickt wich Rhiannon ihm aus und schlug heftig auf die Stelle ein, wo sie die Taille des Eindringlings vermutete – jederzeit bereit, tiefer zu gehen, falls es erforderlich war, um den Kerl wenigstens kurzfristig außer Gefecht zu setzen.

Kane fluchte laut. Er reagierte erstaunlich schnell und packte das andere Ende des Tennisschlägers. Geschickt nutzte er den Umstand, dass Rhiannon den Schläger nicht loslassen wollte, verdrehte ihren Arm und drückte ihren viel kleineren Körper fest an die Wand, sodass sie an dem kalten Stein gefangen war.

„Was zum Teufel …“

„Lassen Sie mich los!“ Rhiannon versuchte verzweifelt, sich so weit zu befreien, dass sie den Tennisschläger erneut schwingen konnte. „Ich habe die Polizei angerufen. Sie muss jeden Moment hier sein! Verschwinden Sie also lieber, solange Sie es noch können!“

In Wirklichkeit hatte sie ihr Handy in der Dunkelheit nicht gefunden. Aber das brauchte der Kerl nicht zu wissen.

„Rhiannon?“

Rhiannon hielt unwillkürlich inne, als sie die tiefe, vibrierende Stimme hörte. Der Duft seines Rasierwassers schlug ihr entgegen und reizte ihre Nase. Der zarte Geruch nach Zimt und einem anderen vertrauten Gewürz kam ihr auf Anhieb bekannt vor. Sie hatte ihn selbst nach zehn Jahren nicht vergessen, wie sehr sie sich auch bemühte. Und jetzt war der Kerl in ihrem Haus und hielt sie an der Wand gefangen. Es war der reinste Albtraum.

„Kane.“ Eine Frage war nicht nötig. Sie wusste genau, wen sie vor sich hatte. Sie verstand nur nicht, weshalb. „Was in aller Welt tust du hier?“

Sein warmer Atem fächelte durch ihr Haar und über ihre Stirn, und sein kräftiger Körper presste sich immer noch an sie. Rhiannon verabscheute sich selber dafür, dass sie sich jedes Zentimeters von ihm derart bewusst war, jedes Atemzugs, den er tat, und dass sein Duft unzählige Erinnerungen weckte.

Deshalb wehrte sie sich erneut. „Lass mich los!“

Er rührte sich nicht, und die Spannung zwischen ihnen wurde immer unerträglicher. „Nur wenn du versprichst, nicht wieder mit diesem Ding auf mich einzuschlagen, was immer es ist.“

„Du kannst froh sein, dass ich nichts Größeres gefunden oder nicht tiefer gezielt habe. Du hast mich zu Tode erschreckt. Was fällt dir ein, hier mitten in der Nacht herumzuschleichen? Wie bist du überhaupt hereingekommen? Du hast kein recht, einfach hier hereinzuspazieren und – und …“

Die Belustigung in seiner Stimme war unüberhörbar. „Eine Frau allein im Haus, die es mit jemandem aufnimmt, den sie für einen Einbrecher hält – das ist schon ein Geniestreich. Weshalb sollte ich denn nicht hier sein? Ich war die letzten Jahre mindestens so oft auf Brookfield zu Gast wie du. Kannst du dir nicht denken, dass ich noch einige Sachen hier habe?“

Seine Frage verwirrte sie, und eine leichte Panik bildete sich in ihrer Magengrube. Sie atmete ein paar Mal tief durch und merkte plötzlich, dass sie sich seiner nicht ganz so stark bewusst war, wenn sie sich nicht rührte. Entschlossen holte sie tief Luft und versuchte, ihre Gedanken zu sammeln.

„Brookfield ist jetzt mein Haus. Mattie hat es mir vererbt“, erklärte sie. „Du kannst hier nicht einfach hereinschneien, wenn dir danach ist. Falls du wirklich noch Sachen hier hast, hättest du sie tagsüber abholen oder, besser noch, sie dir schicken lassen können.“ Auf diese Weise wäre sie ihm wenigstens nicht begegnet. „Nochmals: Wie bist du hereingekommen? Bist du eingebrochen? Wenn ja …“

„Ich habe einen Schlüssel.“

Er hatte einen Schlüssel – seit wann?

„Gib ihn mir – sofort!“ Sie blickte zu dem dunklen Kreis hinauf, aus dem sein Gesicht zurzeit bestand. „Und würdest du mich freundlicherweise endlich loslassen?“

Es entstand eine lange Pause, dann trat Kane zurück. Ein kühler Luftzug ersetzte die Hitze seines Körpers, und Rhiannon fröstelte plötzlich. Sie hob ihre freie Hand und rieb sich fröstelnd den Oberarm.

„Also, weshalb bist du hier? Eingeladen habe ich dich garantiert nicht.“

Diesmal zögerte er nur kurz. „Wir müssen miteinander reden.“

Rhiannon sah ihn verblüfft an und ging in Richtung Küche. In der Dunkelheit mit ihm zu reden wäre zu verwirrend. „Wir haben nichts zu bereden. Und selbst wenn: Falls du es noch nicht gemerkt haben solltest, es gibt eine neue Erfindung namens Telefon. Du hättest mich anrufen können, anstatt mich mitten in der Nacht zu Tode zu erschrecken. Dies ist ein Einbruch, Mister.“

„Nicht, wenn man einen Schlüssel besitzt. Hätte ich keine Reifenpanne gehabt, wäre ich früher hier gewesen“, ertönte seine tiefe Stimme hinter ihr, während sie den Tennisschläger an die Wand stellte und nach dem Lichtschalter tastete. „Ich war aus sicherer Quelle unterrichtet worden, dass du erst in einer Woche hierher ziehen würdest.“

Was ging ihn ihr Umzugstermin an? Rhiannon drückte stirnrunzelnd auf den Schalter. Doch nichts geschah. „Es gab keinen Grund, eine weitere Woche zu warten.“

„Ich habe schon versucht, Licht zu machen. Der Strom muss ausgefallen sein.“

Na großartig. Rhiannon trat beiseite, stieß mit der Hüfte an die Kante der Anrichte und keuchte vor Schmerz. Instinktiv wich sie zurück und taumelte gegen Kane, der sofort die Arme hob und sie mit seinen großen Händen hielt.

Sie brauchte unbedingt Licht, um solche zufälligen Körperkontakte mit ihm zu vermeiden. Um ihm in die Augen zu sehen und ihn eindeutig aufzufordern, das Haus auf der Stelle zu verlassen.

Geistesabwesend strich er mit den Fingern über den Seidenstoff ihres Morgenrocks und machte ihr bewusst, wie spärlich sie bekleidet war.

Der Wind peitschte den Regen gegen die Fensterscheiben. „Gibt es hier nicht irgendwo Kerzen?“, fragte Kane ein wenig verärgert mit seinem wohl tönenden Bariton.

„Ja.“ Rhiannon zuckte heftig mit den Schultern und befreite sich aus seinem Griff. Vorsichtig tastete sie sich an der Anrichte entlang, öffnete eine Schublade und suchte blindlings darin. Sie erinnerte sich nicht, dass Kerzen und Streichhölzer zu jenen Dingen gehörten, die sie heute schon ausgepackt hatte. Aber es musste hier einfach Kerzen geben. Ganz bestimmt.

Das jahrhundertealte Brookfield lag mitten in der Wildnis. Dies war garantiert nicht der erste Zusammenbruch des Stromnetzes in einer stürmischen Januarnacht.

Sie hörte, dass Kane sich ebenfalls bewegte. Die nächsten Minuten war nur das Öffnen und Schließen der Schubläden zu hören. Endlich ertasteten ihre Fingerspitzen das Gesuchte.

„Ich habe die Kerzen gefunden!“

Auf der anderen Seite der großen Küche raschelte es ebenfalls. „Und ich habe hier Streichhölzer. Bleib, wo du bist. Ich komme zu dir herüber.“

Rhiannon lehnte sich mit dem Rücken an der Anrichte und wartete mit angehaltenem Atem. Ihre Haut prickelte, während sie versuchte, Kane in der Dunkelheit zu erkennen. Dabei war das gar nicht nötig. Sein Duft ging ihm voran. Deshalb drehte sie sich zu ihm und hielt die Kerze wie einen Miniaturschild vor sich.

„Hier.“

Sie nahm an, dass Kane ihr die Kerze abnehmen würde. Doch es raschelte erneut, und sie musste die Augen schließen gegen das helle Licht, während er die Flamme an den Kerzendocht hielt.

Als sie die Lider wieder öffnete, sah sie sein Gesicht im warmen Kerzenschein. Ja, Kane war älter geworden, ebenso wie sie. Doch sein markantes Gesicht war noch genau so hübsch wie damals. Es war nicht einfach gewesen, dem Mann so lange aus dem Weg zu gehen. Doch bis zu Matties Beerdigung war es ihr irgendwie gelungen. Und dort hatte sie Wichtigeres zu tun gehabt, als nachzusehen, wie er inzwischen aussah. Außerdem war es ihr völlig egal.

Im dämmrigen Licht waren seine Augen so dunkel, dass sie richtig schwarz...