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Die Teufelsnonne - Historischer Roman

Die Teufelsnonne - Historischer Roman

Tina Berg

 

Verlag BookRix, 2019

ISBN 9783739632261 , 395 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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0,99 EUR

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Die Teufelsnonne - Historischer Roman


 

1


Pauline war auf dem Rückweg vom Dorfbrunnen zur Schenke. Ihr Rücken schmerzte, denn die beiden randvoll mit Wasser gefüllten Holzeimer in ihren Händen wogen schwer. Das Mädchen war harte Arbeit gewöhnt, doch in diesem trockenen Sommer musste sie besonders oft zum Brunnen laufen, damit die Gemüsebeete ihrer Mutter nicht verdorrten.


Die Feldfrüchte auf dem Markt waren wegen des Kriegs sehr teuer. Daher war der große Gemüsegarten hinter dem Haus für die Gastwirtsfamilie immer wichtiger geworden.


Pauline gönnte sich eine kurze Pause, stellte die Eimer ab und blickte zum Horizont. Lörisfelden war von sanften bewaldeten Hügeln umgeben. Im ersten Moment glaubte die junge Frau an eine Sinnestäuschung, denn die Hitze flimmerte über dem Boden. Doch dann wurde die Befürchtung zur Gewissheit.

Eine große braune Staubwolke wallte an der Kimmung auf. Und es ertönte ein Grollen, das nicht von einem aufziehenden Gewitter stammen konnte. Der Himmel war nämlich immer noch tiefblau und wolkenlos.

Nein, der Lärm wurde durch zahlreiche Pferdehufe verursacht. Unwillkürlich bekreuzigte Pauline sich. Die Angst war ihr in die Glieder gefahren. Trotzdem schaffte sie es, ihre Eimer zu greifen und im Laufschritt zu ihrem Elternhaus zurückzukehren. Dabei verschüttete sie einiges an Wasser, aber das war ihr egal.

„Die Soldaten kommen!“, rief Pauline. Sie stürmte in die Gaststube, obwohl sie dort mit ihren Wassereimern nichts verloren hatte. Doch ihr Vater schalt sie nicht aus. Er wirkte genauso verstört wie die Stammgäste, die bei ihren Worten aufblickten. Heinrich Kröger zog seine buschigen Augenbrauen zusammen.

„Bist du sicher, Tochter?“

„Ich habe doch den Staub gesehen, den ihre Rosse aufgewirbelt haben, Vater. Es ist genauso wie im vorigen Jahr!“

Heinrich Kröger nickte verbittert. Bereits Anno Domini 1620 hatte das Dorf eine durchziehende Armee ertragen müssen. Wie Heuschrecken waren die Spanier bei ihrem Vormarsch gegen die Niederländer in Lörisfelden eingefallen. Der kleine westfälische Flecken hatte sich gerade erst von den Plünderungen erholt. Und nun sollte der ganze Teufelstanz von vorne losgehen!

„Wir müssen uns fügen“, murmelte der Wirt. „Pauline, du hältst dich im Hintergrund, soweit es geht. Aber du wirst beim Bedienen mithelfen müssen. Soldatenkehlen sind immer ausgedörrt.“

Pauline nickte verdrossen. Normalerweise ging nur die dralle Schankmagd Anna ihrer Mutter beim Servieren von Bier und Schnaps zur Hand, während ihr Vater hinter der Theke das Regiment führte. Heinrich Kröger versuchte, seine Tochter von den lüstern betatschenden Gästen fernzuhalten. Doch Soldaten warfen mit ihren Kreuzern, Silbergroschen und Gulden nur so um sich, wenn sie ihre Trinkgelage abhielten. Und die Wirtsfamilie war auf Einnahmen angewiesen, denn die Steuerlast im Bistum Münster drückte schwer.

Also würde Pauline in den sauren Apfel beißen müssen. Sie durchquerte schnell die Schankstube und stellte die Eimer im Garten ab. Viel lieber hätte sie in den Beeten gearbeitet, denn vom Spitzkohl und den Gelbrüben hatte sie keine Zoten und Gehässigkeiten zu erwarten.

Vom Garten aus konnte Pauline die Dorfstraße nicht sehen. Doch sie hörte bereits das nun sehr laute Hufdonnern und die Begeisterungsschreie des Kriegsvolks beim Anblick der Schenke.

Am liebsten würde ich sie mit einem Bösen Blick alle zur Hölle schicken!

Kaum war Pauline dieser Gedanke gekommen, als sie auch schon vor sich selbst erschrak. Seit sie vor längerer Zeit den alten Wolf getötet hatte, war ihre vermaledeite Gabe nicht mehr zum Einsatz gekommen.

Auch im letzten Herbst, als die Spanier erschienen waren, hatte Pauline nicht ihre unheimliche Macht ausgespielt. Stattdessen war sie gemeinsam mit vielen anderen Dorffrauen in die Wälder geflohen, um nicht von den Söldnern geschändet zu werden. Pauline wollte nicht in der Hölle schmoren, weil sie ihren Bösen Blick bei anderen Menschen anwendete. Der Wolf war ein Raubtier gewesen, und damals hatte sie noch nichts von ihrer Fähigkeit gewusst. Doch wenn sie nun bewusst den Bösen Blick benutzte, dann war sie gewiss eine von diesen Hexen. Hochwürden predigte fast jeden Sonntag über die Verderbnis dieser Teufelsdirnen. Pauline wollte auf gar keinen Fall eine von ihnen werden.

Und doch hatte sie sich bisher nicht getraut, dem Pfarrer in der Beichte ihre unerwünschte Fähigkeit zu gestehen.

Das infernalische Getöse im Inneren der Wirtschaft riss sie aus ihren Grübeleien. Die Soldaten waren offenbar in die Schankstube eingefallen und waren so durstig wie die Ochsen auf dem Weg zur Tränke.

Pauline richtete noch schnell ihr Kopftuch und zupfte ihr Kleid zurecht. Sie wischte ihre schweißnassen Handflächen an dem grauen Leinenstoff ab, atmete tief durch und betrat die Gastwirtschaft ihrer Eltern.

Mutter und Anna hatten bereits alle Hände voll zu tun, um die gefüllten Bierhumpen an den Mann zu bringen. Die dörflichen Stammgäste hatten das Hasenpanier ergriffen, als die Soldaten einfielen. Nun beherrschten die prahlerischen Landsknechte den kleinen Schankraum, der bis auf den letzten Platz gefüllt war.

Pauline hielt scheu den Blick gesenkt, als müsste sie sich für ihr Dasein entschuldigen. Trotzdem bemerkte sie, dass einer der unerwünschten Gäste ein ganz besonderer Patron war. Eine Gestalt, wie sie nur in Nachtmahren auftaucht.

Dabei schien dieser Mann noch nicht einmal besonders hochgewachsen zu sein. Pauline konnte es nicht genau sagen, denn er hockte ja auf einer Holzbank, so wie seine Spießgesellen. Doch die anderen Schlagetote hielten einen respektvollen Abstand zu ihm. Es musste sich um den Anführer handeln.

Wie die übrigen Soldaten trug dieser Mann einen weichen wallonischen Reiterkragen über Wams und Lederkoller, außerdem umgeschlagene Stiefelschäfte, Silbersporen und einen blutroten Mantel. Den mit einer langen Feder geschmückten Hut hatte er vor sich auf den Tisch gelegt.

Sein Kopf war schmal, die linke Augenhöhle wurde von einer schwarzen Klappe bedeckt. Die Pupille des gesunden rechten Auges wies eine sehr dunkle undefinierbare Farbe auf.

Doch es war hauptsächlich seine Stimme, die Pauline innerlich durcheinanderbrachte. Er redete mit teuflischer Sanftheit, die nur notdürftig seine brutale Unmenschlichkeit übertünchte. Pauline wandte ihm schnell den Rücken zu, um andere Landsknechte zu bedienen. Doch seine Worte entgingen ihr nicht, obwohl er für einen Soldaten recht leise sprach.

„Potz Blut, das Kriegsglück hat uns verlassen! Aber die Pfaffenarmee wird am Ende nicht siegreich bleiben, eher fahre ich zur Hölle.“

Der Sprecher gehörte offenbar zum Heer des evangelischen Herrschers Christian von Braunschweig, der auch „der tolle Halberstädter“ genannt wurde. Hochwürden predigte jeden Sonntag, dass alle Protestanten und Lutheraner Teufelsknechte seien. Pauline wusste nicht, warum überhaupt momentan Krieg geführt wurde. Die Spanier, die im Vorjahr Lörisfelden verheert hatten, waren rechtgläubige Katholiken gewesen. Diese heute angekommenen Reiter waren Protestanten. Pauline glaubte nicht, dass ihr Heimatdorf von diesen Männern etwas Besseres zu erwarten hatte. Vor allem nicht mit einem solchen Anführer.

Nun ergriff einer der anderen Landsknechte das Wort.

„He, Wirt – hat man in eurem Bauernkaff schon von dem Obristen Schwarzdolch Büttner und seinem Fähnlein gehört?“

„Nein, Herr“, antwortete Paulines Vater unterwürfig. So redete er nur, wenn er es mit dem Grafen, einem Geistlichen oder einem Steuereintreiber zu tun hatte. Oder mit einem schwer bewaffneten Soldaten.

Heinrich Krögers Antwort schien die Kerle zu amüsieren. Sie lachten, als ob der Wirt ein begnadeter Possenreißer wäre.

„So, man kennt mich hier also nicht. Das macht nichts. Wenn wir wieder fort sind, wird man noch sehr lange von Schwarzdolch Büttner sprechen.“

Diese Worte waren wieder aus dem Mund des Anführers gekommen. Und obwohl er keine richtige Drohung ausstieß, lief es Pauline bei seiner Äußerung eiskalt den Rücken herunter. Ein Bierkrug entglitt ihren Fingern. Das Gefäß zerschellte auf dem Boden.

Die Landsknechte wieherten erneut wie die Ackergäule.

Pauline stürzte zur Theke und holte schnell Nachschub. Doch ihr Vater schalt sie nicht aus. Er stand nämlich immer noch gehorsam wie ein Ministrant vor dem Tisch des Obristen. Schwarzdolch Büttner hatte längst einen Bierkrug aus den Händen von Anna empfangen. Er trank und wischte sich den Schaum von den schmalen Lippen.

„Wirt, man hört von einem schönen Mädchen in dieser öden Gegend. Die Kleine soll angeblich den Bösen Blick haben. Weißt du etwas darüber?“

Pauline hätte am liebsten aufgeschrien, als ihr Vater diese Frage gestellt bekam. Woher wusste Schwarzdolch Büttner von ihrem größten Geheimnis? Der Leibhaftige musste es ihm verraten haben, denn die Protestanten steckten doch sowieso mit dem Satan unter einer Decke.

Das hatte...