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Herrschaft der Niedertracht - Warum wir so nicht regiert werden wollen!

Herrschaft der Niedertracht - Warum wir so nicht regiert werden wollen!

Robert Misik

 

Verlag Picus, 2019

ISBN 9783711753991 , 144 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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11,99 EUR

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Herrschaft der Niedertracht - Warum wir so nicht regiert werden wollen!


 

1


KLIMAKATASTROPHE


Hetzen, aufhussen, die Dosis steigern. Politik mit Gefühlen, aber mit miesen


Das Böse wird nicht sagen, ich bin das Böse, sondern es wird sagen: Ich bin gegen die Hypermoral. Die Niedertracht wird das kalte Lächeln der verfolgenden Unschuld aufsetzen. Die Lüge wird sich als alternativer Fakt ausgeben, als die verschwiegene Wahrheit, so wie der Wahn behaupten wird, er sei die kühle Vernunft. Die Gemeinheit tarnt sich als Notwehr, der Rechtsradikalismus als die Mitte. »Das, was ich heute sage, hat vor zwei Jahren noch als rechtsradikal gegolten«, sagt der junge Mann im Fernsehen, der vor ein paar Jahren noch eine Willkommenskultur forderte und heute der feuchte Traum von rechten Hasspredigern wie Steve Bannon ist – und es fällt ihm nicht einmal auf, dass dieser Satz sehr viel über ihn aussagt und über die Verschiebungen der Tonlage, die er selbst vorangetrieben hat. Na, da sind wir aber froh, will man ihm ins Wort fallen, dass der Rechtsradikalismus heute nicht mehr Rechtsradikalismus genannt wird. Und dass seine Protagonisten mit ihrem Sprachgift dafür sorgen, dass das Abnorme zum Normalen verdreht wird. Unter dem jungen Mann dient ein Vizekanzler, der in Interviews einfach behauptet, niemals ein Neonazi gewesen zu sein, obwohl seine Jugend in Neonazi-Gruppen mit Fotos dokumentiert ist und er mit einer solchen Gang sogar in polizeilichen Gewahrsam genommen wurde. Nun gut, dem Mann, den man auch in seinen Kreisen nachsagt, nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte zu sein, mag man zutrauen, dass es ihm nicht einmal aufgefallen ist, dass die Leute, mit denen er durch den Wald robbte, Neonazis waren. Ist die volle, reine Wahrheit in hohen Staatsämtern seit jeher eine Tugend, die selten vorkommt, so haben die jetzigen Regierenden die Kunst der ungenierten Flunkerei doch erheblich vergröbert. Der Kanzler etwa behauptete, die Arbeiterkammern würden Demonstranten die Zugfahrt zu Protestaktionen bezahlen, nur wenige Tage später erklärte er, ein Redakteur der Financial Times habe sich dafür entschuldigt, seine Regierung »far right« genannt zu haben. Beides war nicht nur dreist erfunden, sondern blöde noch dazu, da die Schwindelei ja schnell aufflog.

Aber wir leben in einer Welt der Lüge von Orwell’schen Ausmaßen, weshalb sie die Wahrheit nicht fürchten müssen, da sie die Lüge nur selten und dann auch nur mit Mühe zu erhellen vermag. Sie machen die Lüge zur Wahrheit und die Wahrheit zur Lüge, den Hass zur Liebe, die Liebe zum Hass, sie verwandeln die Tugend in Laster, das Laster in Tugend, den Blödsinn in Verstand, den Verstand in Blödsinn. Mehr als ein Jahr ist es jetzt her, dass sie in Verantwortung gehievt wurden, oder, wie man mit Blick auf manche Verantwortungsträger auch sagen könnte, in Unverantwortung. Mit ihnen wurden wir einer Art des Regierens ausgesetzt, einer Art des Regierens, die ausgebrochen ist so wie Kriege ausbrechen. Da kann ja auch nie jemand etwas dafür. Die brechen aus. Eine Tragödie.

Also was ist da über uns gekommen? Einfach eine neue Regierung, die eben jetzt tut, was Regierungen zu tun pflegen, nämlich regieren? Die Regierung regiert, die Opposition opponiert und kritisiert, die Zivilgesellschaft fordert – das wäre dann so in etwa das gewohnte Arrangement.

Wie die Amerikaner so einen verrückten Präsidenten wählen konnten, fragen sich die Kommentatoren und merken gar nicht, dass hier ein genauso verrücktes Wahlergebnis zustande kam. Wir haben eine Regierung aus einer rechtspopulistischen ÖVP und einer rechtsradikalen Partei, der FPÖ. Sie regieren in trauter Einigkeit, die Menschen mögen das, sagen uns die Meinungsforscher. Die Menschen mögen, dass eine Regierung nicht streitet, sagen sie, mit Blick auf frühere Regierungen, in denen die Koalitionäre einander belauerten und wechselseitig am Regieren hinderten, was kein schönes Bild abgab, aber wenigstens auch dafür sorgte, dass man einander wechselseitig am größten Unsinn hinderte.

Das ist nun nicht mehr der Fall. Man bremst sich nicht, man feuert sich an, stachelt sich auf, lizitiert sich hoch. Hand in Hand sind die Koalitionäre bei der Sache, und die einzige Konkurrenz, der einzige innere Streit dieser Regierung ist der Überbietungswettbewerb, der Überbietungswettbewerb darin, wer der schlimmere Finger, der autoritärere Typ, die fieseste Figur ist, wer wüster die Opposition attackiert, wer glaubwürdiger verkörpert, Ausländer zu sekkieren, Flüchtlinge abzuschrecken, Migranten zu quälen. Werden an einem Tag Lehrlinge von Rollkommandos aus der Lehrstelle weg in Schubhaft genommen, sind am nächsten Tag zehnjährige Mädchen an der Reihe, die aus dem Klassenzimmer geholt werden. All das nicht selten unter dem Banner der Abwehr eines radikalen Islamismus, von dem sich die Berufsparanoiden in Regierungsämtern verfolgt fühlen, dessen Zwilling sie aber in Wirklichkeit sind.

Jener Kanzler, der tagein, tagaus den Teufel der »Einwanderung ins Sozialsystem« an die Wand malt, Menschen »aus der sozialen Hängematte« werfen will, der über Hilfsorganisationen sagt, sie betrieben »NGO-Wahnsinn« und der die Caritas, die Organisation der Kirche mit zigtausend ehrenamtlichen Helfern, als linksradikalen Asylbusiness-Konzern hinstellt, der also eine permanente Rhetorik der Spaltung betreibt, dieser Klassenprimus der Diffamierung stellt sich dann hin und erklärt, die Opposition versuche »unsere Gesellschaft zu spalten«, und warum keiner der Bück- und Kniefallredakteure beim Interview fragt, ob er noch alle Sinne beisammen hat, weiß man nicht so recht. Die Protagonisten in Regierungsämtern: Virtuosen des politischen Meineids, Könner des affektierten Stillschweigens genauso wie des lauten Gekläffs, gemein, kleinlich, mal kalt herzlos menschenfeindlich, mal spöttisch-hetzerisch. Spricht aus dem Kanzler meist die Verachtung, die sich im Griff hat, der herzlose Karrierist, ja Bürokrat, ein Haider ohne Hetze hat ihn einmal einer seiner engen Vertrauten genannt (und das tatsächlich als Lob gemeint), dann aus seinen Koalitionären das Überschießende der sprachlichen Mordlust, der Spaß an der Hetzjagd, das Feixende von Spießgesellen, denen man die Freude an der eigenen Bösartigkeit von Weitem ansieht.

Wir können die einzelnen Maßnahmen der Regierung hier aufzählen, auf sie wird später genauer einzugehen sein, von Arbeitsmarktmaßnahmen, vom Kürzen der AMS-Budgets, von den Daumenschrauben für Menschen, die nach einem Arbeitsleben ihren Job verlieren, bis zu gestrichenen Deutschkursen. Wir können die Maßnahmen aufzählen, die sie gesetzt haben, oder jene, die sie verabredet haben, wie die Streichung der Notstandshilfe, die dafür sorgen wird, dass, wer länger als ein Jahr arbeitslos ist, gleich auch Auto, Häuschen und Lebensversicherung verliert.

Österreich heute:

Eine Köchin wird gekündigt, weil sie nicht zwölf Stunden arbeiten will.

Lehrlinge, die ihr Betrieb dringend braucht und die sich angestrengt haben, werden abgeschoben.

Die Polizei kontrolliert Burschen und schikaniert sie im Park, nur weil sie schwarz sind, und das Ganze wird nur deshalb zum Skandal, weil die Burschen besser Hochdeutsch sprechen als die Polizisten.

Den Kindern der Altenpflegerin wird die Familienbeihilfe gekürzt. Den Schweizer Managern wird sie erhöht. Den Arbeitslosen die Notstandshilfe gestrichen, dafür das Geld reichen Schönheitschirurgen zugeschanzt, die für ihre Privatsanatorien jetzt auch hübsche Summen aus der Krankenversicherung bekommen, die wir alle mit unseren Beiträgen bezahlen. Es wäre natürlich eine Verleumdung, würde man mutmaßen, dass das mit den Freunderlnetzwerken der Schönheitschirurgen und mit etwaigen Wahlkampfspenden zu tun hat.

Der Neid regiert die Welt, aber Österreich regiert er auf noch rohere Art und Weise.

Denn wir werden dieser Regierung nicht gerecht, wenn wir sie an ihren Maßnahmen messen, wobei die Maßnahmen ja schon reichen würden. Lasst sie doch arbeiten, beurteilt sie an ihren Taten, haben uns die Kommentatoren gesagt, die immer ganz schnell damit sind, sich an die Herrschaft, an die Macht ranzuschmeißen, die Bückredakteure, Anschmiegkommentatoren und Stets-zu-Diensten-Moderatoren, vor einem Jahr und ein paar Monaten noch, und ja, die damals wie heute angemessene Antwort wäre, dass es eher darum ginge, sie daran zu hindern, die Taten, die Schandtaten sein werden, überhaupt zu setzen. Aber es sind ja nicht die Maßnahmen, die diese Regierung ausmachen, nicht einmal wenn wir die ganze Liste ihrer vollbrachten und geplanten Schandtaten aufzählten. Diese Taten sind in gewisser Weise noch das Unspektakulärste an ihr.

Österreich hat eine national-autoritäre Regierung, die im rabiat-populistischen Stil kommuniziert und sich gegen jede Opposition, gegen jedes Widerwort wendet, sie will, dass abweichende Meinungen nicht mehr existieren oder wenn, dann so marginalisiert sind, ins Lächerliche gezogen, mit Häme übergossen, dass sie kein Gehör mehr finden, sie dreht das übliche Spiel in...