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Wenn lieben weh tut - Ein Kommunikations-Ratgeber für Partner in der Borderline-Beziehung

Wenn lieben weh tut - Ein Kommunikations-Ratgeber für Partner in der Borderline-Beziehung

Manuela Rösel

 

Verlag Starks-Sture-Verlag, 2019

ISBN 9783939586265 , 144 Seiten

7. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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13,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Wenn lieben weh tut - Ein Kommunikations-Ratgeber für Partner in der Borderline-Beziehung


 

2. Liebe als Grundbedürfnis, das verkannte Zentrum des Geschehens


Jede Menge Definitionen


Die Liebe - ein, wenn nicht sogar das zentrale Thema in der Borderline-Problematik. Und ausgehend vom Sinn dieses Buches für den Betroffenen wie auch für den Partner und Angehörigen der Mittelpunkt des Geschehens. Insofern möchte ich dieser Thematik angemessenen Platz und Raum widmen und Zitate bekannter Autoren und Psychologen wie Erich Fromm, Peter Schellenbaum und Marshall Rosenberg an dieser Stelle platzieren.

Eine Therapeutin konfrontierte mich einmal mit der Aussage, dass Borderline-Persönlichkeiten nicht lieben können. Anfangs hat mich diese Erkenntnis erschreckt, dann habe ich mich entschlossen, dieser Aussage auf den Grund zu gehen. Zunächst stellen sich hier viele Fragen: Was ist Liebe und wozu braucht der Mensch sie? Ich habe Antworten gesucht und gefunden. Viele entsprechen dem, was dem Großteil der Menschen in Bezug auf diesen Begriff vertraut ist.

So bezeichnet ein Lexikon die Liebe als die stärkste Zuneigung, die ein Mensch für einen anderen empfinden kann, ein Gefühl inniger und tiefer Verbundenheit mit dem Nächsten.

Erich Fromm sieht in der Liebe intensive positive Zuwendung zum eigenen Sein, zur Umwelt und zum Leben. Nur durch sie lässt sich die Quelle der Angst, nämlich das Bewusstsein des Abgetrenntseins, überwinden. Der Begriff „Abgetrenntsein“ bezieht sich hierbei auf das Bewusstsein des Menschen, seiner Vergänglichkeit ausgeliefert zu sein. Die daraus resultierende Hilflosigkeit und Einsamkeit verlieren nur dann ihre Macht, wenn wir lieben. Gelingt dies nicht, entstehen Schuld und Scham, „beweist“ sich die angenommene Wertlosigkeit und potenziert sich die Angst. Ein höllischer Kreislauf, der nur durch das durchbrochen werden kann, was verzweifelt gebraucht und gesucht wird, aber in sich nicht gefunden werden kann, da die Angst es nicht zulässt…. Laut Erich Fromm ist die wichtigste Voraussetzung für die Liebe, dass beide Partner sich „aus der Mitte ihrer Existenz heraus miteinander verbinden, wenn also jeder sich selbst aus dem Zentrum heraus erlebt“. Der Mensch muss sich also seiner Identität bewusst sein, Mittelpunkt seines Handelns und Erlebens sein, sich frei und unabhängig fühlen und er selbst sein können. Ohne diese Basis ist eine gesunde Liebe nicht möglich, da der Mensch nur dann eine Bindung mit einem Partner eingehen kann, wenn er mit sich selbst „im Reinen“ ist.

Sullivan, ein amerikanischer Psychiater, meint: „Wenn die Zufriedenheit oder die Sicherheit eines anderen für mich ebenso bedeutsam wird, wie meine eigene Zufriedenheit oder Sicherheit, dann ist dies der Zustand der Liebe.“

Theodor Reik, ein kritischer Schüler Freuds, geht noch weiter und kommt zu einer für viele Menschen grausamen Erkenntnis: „Ein Mensch, der sich nicht selbst akzeptiert und seine Selbstachtung nicht wiedererlangt, wird nicht lieben können. Wer nicht Mut und Selbstvertrauen hat, wird niemals die Zuneigung eines anderen gewinnen können.“ Es taucht die Frage der Bewertung auf, weil das Problem, das alle Menschen haben, in der Selbstbewertung besteht, obwohl sie sich dessen meist nicht bewusst sind. Warum sind diese Menschen mit sich selbst unzufrieden? Sie kommen sich unbewusst betrogen und unzulänglich vor, weil sie Vergleiche anstellen zwischen dem, was sie sind, und dem, was sie sein möchten; zwischen dem, was sie leisten, und dem, was sie leisten möchten. Sie fühlen sich gehindert, weil sie unbewusst fürchten, dass sie versagt haben. Sie sehen, dass sie unfähig sind, ihre Erwartungen an sich selbst zu erfüllen. Wer den anderen nur kritisiert, beschimpft, fordert, wie das in fortgeschrittenen Stadien von Partnerauseinander-setzungen so beliebt ist, zerstört die Voraussetzungen der Liebe. Er wird so unattraktiv, dass nur ein Verblödeter ihn lieben könnte, und er macht dem anderen deutlich, dass er ihn nicht liebt. Wer nur Kritik, Schimpfe und Forderungen bekommt, kann ja gar nicht (für den anderen) liebenswert sein. Was mir wichtig ist, was mir wertvoll ist, das schütze und behüte ich, das will ich nicht verlieren, das sollte ich erhalten wollen. Du liebst einen Menschen, indem du ihm deutlich machst, wie wertvoll er für dich ist.

Peter Schellenbaum („Das Nein in der Liebe“) sieht in der Liebe eine Erweiterung des Ich zu einem Du. Sie ist der Sinn des Lebens, weil sich durch sie die Isolation überwinden lässt. Liebe ist die Akzeptanz der Fremdheit des geliebten Menschen, ein Einswerden, ohne sich zu verlieren, und sie ist eine tiefe Einsicht in das Selbst. Sie ist die aktive, uneigennützige Hingabe an das Du, Verschmelzung und Abgrenzung in einem und somit die Erweiterung des Ich.

Entgegen der verbreiteten Annahme, dass Lieben ein Gefühl ist, sieht Marshall Rosenberg in der Liebe ein Grundbedürfnis des Menschen. Ihr sind weitere Bedürfnisse wie Nähe, Vertrauen, Zärtlichkeit, Intimität, Verbundenheit, Sicherheit u. v. m. untergeordnet. Individuell nach den Werten und Bedürfnissen jedes Menschen, werden dabei Prioritäten gesetzt. Je nachdem, wie diese Bedürfnisse erfüllt werden, zeigen sich entsprechende Gefühle. Glücklich, fasziniert, hellwach, aufgekratzt, neugierig, lustvoll…, wenn das Bedürfnis nach Liebe sich erfüllt. Wird dem Bedürfnis nach Liebe und seinen Unterbedürfnissen nicht entsprochen, fühlen wir uns ängstlich, mutlos, unsicher, deprimiert, einsam…

Hier findet sich auch eine Erklärung dafür, warum jeder Mensch den Begriff Liebe anders definiert. Die prioritären Bedürfnisse, die jeder Mensch in Bezug auf sein Beziehungsverhalten wahrnimmt, sind so individuell wie der Mensch selbst. Wo für den einen Wertschätzung und Respekt an erster Stelle stehen, empfinden andere Nähe und Zuwendung als wesentlich. Trotzdem sind in der Summe die Bedürfnisse aller Menschen in der Liebe gleich, sie gliedern sich nur individuell unterschiedlich auf. („Lieben leicht gemacht“, Manuela Rösel)

All diese Erkenntnisse vermitteln, trotz ihrer oft unterschiedlichen Aussagekraft, ein faszinierendes Bild. Im Hinblick auf die Problematik Borderline sehe ich eine alles überschattende Sehnsucht nach Liebe. Ein unstillbares Bedürfnis nach Zuwendung, Wahrnehmung, Nähe, Sicherheit und vielen der Liebe untergeordneten Bedürfnissen, ohne jedoch durch den Mangel an Identität tatsächlich eine Chance zu haben, zu lieben und geliebt zu werden, um der Isolation zu entrinnen. Sich an das Du hinzugeben und dabei das Ich zu finden, Ängste zu überwinden und das Leben in sich zu integrieren, scheint undenkbar.

Die Liebe ist der Sinn des Lebens. Wenn ich mir Rosenbergs Auflistung (Kapitel „Gefühle und Bedürfnisse – Gewaltfreie Kommunikation“) für unerfüllte Bedürfnisse ansehe, kann ich einen Großteil dieser schmerzhaften Emotionen diesem massiven Defizit der Borderline-Betroffenen zuordnen. Ich halte es für sehr wichtig, sich dieses Zusammenhanges bewusst zu sein. Wut, Zorn, Verbitterung, Gemeinheit beziehen sich auf unerfüllte und nicht identifizierte Bedürfnisse und niemals auf die Person, der als Ursache der überflutenden, schmerzvollen Gefühle die Verantwortung für die gefühlten Schmerzen übertragen wird.

Es ist in der Partnerschaft, dem Leben und der Gemeinschaft mit einem Borderline-Erkrankten, von höchster Wichtigkeit, sich darüber im Klaren zu sein, dass niemand die Ursache für das Ausagieren emotionaler Überflutungen ist. Die Unfähigkeit, hinter den Gefühlen ein Bedürfnis wahrzunehmen und das Unvermögen eine sinnvolle Strategie für die Erfüllung der Bedürfnisse zu finden, ist die Ursache von Hilflosigkeit und Verlassenheitsgefühlen (Ich möchte dies immer wieder betonen, denn es ist unsagbar schwer, sich dies vor Augen zu führen, wenn man sich ausagierendem Verhalten ausgesetzt sieht). Hier potenziert sich das Drama in sich, der Erkrankte verlässt sich selbst, indem er im Strudel verinnerlichter Machtlosigkeit buchstäblich ertrinkt. Trotzdem liegt der Umgang mit Emotionen, Bedürfnissen und Strategien in der Verantwortlichkeit der betroffenen Person.

Wenn wir die Gesamtheit der Erkenntnisse der oben angeführten Psychologen überdenken, werden wir zu der scheinbaren Konsequenz gelangen, dass Borderline-Persönlichkeiten tatsächlich nicht in der Lage sind zu lieben. Dass sie zwar mit aller Intensität durch heftige, schmerzhafte Emotionen ihre Defizite signalisiert bekommen, sich aber durch das Ausagieren konträr zu einer sinnvollen Strategie verhalten, sich dieses lebensnotwendige Bedürfnis zu erfüllen.

Kann man lieben lernen?


Hier mag der Betrachter dieser durchaus philosophischen Frage hin- und hergerissen sein. Wenn Identität eine Grundlage für die Fähigkeit des Liebens ist, wenn gleichzeitig Achtsamkeit in sich und für den anderen existent sein müssen, dann sind Zweifel durchaus angebracht. Der unstillbare Wunsch nach...