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Der Gemeinderat in Baden-Württemberg

Der Gemeinderat in Baden-Württemberg

Werner Sixt, Klaus Notheis, Jörg Menzel, Eberhard Roth

 

Verlag Kohlhammer Verlag, 2019

ISBN 9783170361928 , 216 Seiten

3. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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17,99 EUR

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Der Gemeinderat in Baden-Württemberg


 

Erster TeilKommunalverfassungsrecht


I.Rechtsstellung, Wirkungskreis, Organe der Gemeinden


1.Rechtsstellung der Gemeinden


1Die Rechtsstellung der Gemeinden in Deutschland, so auch in Baden-Württemberg ist gekennzeichnet durch das Recht zur Selbstverwaltung. Diese Autonomie ist bezogen auf ihren verfassungsrechtlich geschützten Wirkungskreis (Rn. 2). Innerhalb dessen können sie selbstverantwortlich und mit eigenen Organen ausgestattet arbeiten. Folge dieses Selbstverwaltungsrechtes ist, dass die Gemeinden nicht nur der verlängerte Arm des Staates bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, sondern eigenständige Aufgabenträger sind. Als solche sind sie aber auch nicht losgelöst vom Staate. Vielmehr sind sie, wie in § 1 Abs. 1 GemO beschrieben, sowohl Grundlage wie auch Glied des demokratischen Staates.

Entstanden ist die heutige Ausprägung der kommunalen Selbstverwaltung durch die sog. Stein’schen Reformen des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts. Beispielhaft sei verwiesen auf die Preußische Städteordnung von 1808, also vor gut zweihundert Jahren, unter dem Preußischen Innenminister Reichsfreiherr vom Stein.

Institutionell ist das kommunale Recht zur Selbstverwaltung sowohl durch das Grundgesetz wie auch durch die Landesverfassung Baden-Württemberg garantiert.

Das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland fixiert das Recht der Kommunen zur Selbstverwaltung inhaltlich wie folgt (Art. 28 Abs. 2 GG):

„Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände (gemeint sind damit die Landkreise) haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenkreises nach Maßgabe der Gesetze das Recht zur Selbstverwaltung. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung. Zu diesen Grundlagen gehört eine den Gemeinden mit Hebesatzrecht zustehende wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle.“

Die Landesverfassung für Baden-Württemberg garantiert das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen in Art. 71 LVerf so:

„(1) Das Land gewährleistet den Gemeinden und Gemeindeverbänden (gemeint sind damit die Landkreise) sowie den Zweckverbänden das Recht zur Selbstverwaltung. Sie verwalten ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung. Das Gleiche gilt für sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten in den durch Gesetz gezogenen Grenzen.

(2) Die Gemeinden sind in ihrem Gebiet die Träger der öffentlichen Aufgaben, soweit nicht bestimmte Aufgaben im öffentlichen Interesse durch Gesetz anderen Stellen übertragen sind. Die Gemeindeverbände haben innerhalb ihrer Zuständigkeit die gleiche Stellung.“

Diese Verfassungsbestimmungen machen deutlich, dass die Gemeinden mit Hoheitsrechten ausgestattete Träger öffentlicher Aufgaben sind und nicht nur soziologisch definierte Gemeinwesen. Zu diesen Hoheitsrechten zählen die Gebietshoheit, die Personalhoheit, die Finanz- und Abgabenhoheit, die Planungshoheit, die Rechtsetzungshoheit sowie die Organisationshoheit.

2.Wirkungskreis und Aufgaben der Gemeinden


2a) Allgemeines. Der Wirkungskreis der Gemeinden ist bestimmt durch die grundsätzliche Allzuständigkeit der Gemeinden für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben im Gemeindebereich. Ausgenommen von diesem Grundsatz sind solche Aufgaben, die durch die Gesetzgeber in Bund und Land anderen öffentlichen Aufgabenträgern zugewiesen sind (§ 2 Abs. 2 GemO). Der Wirkungskreis der Gemeinden ist somit nicht fest fixiert und nicht zahlenmäßig abschließend geregelt. Er ist bezogen auf die Einflussrechte des Staates und der Rechtsverpflichtung zur Aufgabenerfüllung weiter aufzuteilen. Andere Einflussgrößen, die die kommunale Aufgabenerfüllung bestimmen, sind Größe, örtliche Gemeindestruktur und Eigenart sowie Finanzkraft einer Gemeinde.

3b) Freiwillige Aufgaben/Pflichtaufgaben. – aa) Freiwillige Aufgaben. Die Aufteilung des kommunalen Aufgabenkreises in freiwillige Aufgaben und Pflichtaufgaben spricht die Frage der Rechtsverpflichtung der Kommunen zur Aufgabenerfüllung an. Bei Aufgaben, die zum Kreis der freiwilligen Aufgaben der Kommunen gehören, haben die Gemeinden die volle Eigenverantwortung darüber, ob sie eine solche Aufgabe erfüllen wollen und wenn bejaht, wie und in welchem Umfang sie die Aufgabenerfüllung bewerkstelligen wollen.

Wichtig! Innerhalb des freiwilligen Aufgabenkreises zwingt kein Gesetz die Kommunen zur Aufgabenerfüllung; sie sind bezüglich der Art der Aufgabenerfüllung nicht eingeengt. Ihre generelle Verpflichtung nach § 10 Abs. 2 GemO zur Schaffung erforderlicher Einrichtungen im Rahmen der Daseinsvorsorge haben sie aber unabhängig davon in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.

Jede Gemeinde kann also in diesem Aufgabenbereich die Aufgabenträgerschaft sowie die Art und Weise der Aufgabenerfüllung eigenverantwortlich entscheiden. Sie wird die Entscheidung zur Aufgabenwahrnehmung an ihrer Größe, Verwaltungs- und Finanzkraft sowie an ihrer Struktur (z. B. Gemeinde mit zentralörtlicher Funktion, landwirtschaftlich strukturierte Gemeinde, Industriegemeinde) und deren Gegebenheiten orientieren. Zur Entscheidung über die Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung gehört auch, ob dazu eine eigene Einrichtung (z. B. eine Kindertagesstätte) betrieben wird, ob der Betrieb solcher Einrichtungen durch freigemeinnützige Verbände oder auch durch private Institutionen finanziell gefördert wird.

Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge können Gemeinden grundsätzlich auch durch die Errichtung wirtschaftlicher Unternehmen erfüllen. Die Gemeindeordnung schränkt jedoch die Errichtung und den Betrieb solcher Unternehmen insofern ein, als der öffentliche Zweck diese Unternehmen rechtfertigen muss und sie nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit und zum voraussichtlichen Bedarf stehen müssen (s. Rn. 287 ff.). Soweit die Gemeinde außerhalb der öffentlichen Daseinsvorsorge tätig werden will, muss gewährleistet sein, dass der Zweck des Unternehmens nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen privaten Anbieter erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Weitere Einschränkungen bestehen für die Errichtung und den Betrieb von Unternehmen in privater Rechtsform.

Beispielhaft seien für den freiwilligen Aufgabenbereich der Gemeinden genannt:

–  Einrichtungen des Sports (Sportstätten verschiedenster Art, Bäder) sowie die Sportförderung von Vereinen durch die pachtweise Überlassung gemeindeeigener Sportstätten sowie die finanzielle Förderung von Kinder- und Jugendabteilungen oder auch Förderzuschüsse für die Unterhaltung und Pflege von vereinseigenen Sporteinrichtungen;

–  Einrichtungen der Jugendpflege und sozialen Sicherung (dazu gehören Jugendhäuser, Jugendtreffs, Altenpflegeheime, Betreute Altenwohnungen, Sozialstationen);

–  Einrichtungen und Veranstaltungen der Kunst, Kultur und der Erwachsenenbildung (Büchereien und andere Mediotheken, Museen, Theater, Konzerthäuser einschließlich der Ensembles, Festhallen, Kulturveranstaltungen verschiedenster Art, Volkshochschulen, Musik- und Kunsthochschulen, kommunale Partnerschaften, Bürgerzentren);

–  Erholungseinrichtungen, Einrichtungen der Gesundheitsförderung (Parkanlagen, Lauf- und Gymnastikstrecken);

–  Einrichtungen zur Förderung der Wirtschaft, des öffentlichen Personennahverkehrs, des Tourismus, Messen, Märkte, Messehallen, Kur- und Badebetriebe einschließlich der Förderung privater Einrichtungen;

–  Förderung der Land- und Forstwirtschaft;

–  Versorgungseinrichtungen (Wasserversorgung, Energieversorgung, Fernwärme).

4bb) Pflichtaufgaben. Im Unterschied zu den freiwilligen Aufgaben besteht für die Gemeinden im Bereich der Pflichtaufgaben eine gesetzliche Verpflichtung zur Aufgabenerfüllung. Diese kann je nach gesetzlicher Ausgestaltung ohne weitere Vorbedingung für alle Gemeinden oder nur für Gemeinden bestimmter Größe bzw. Struktur bestehen. Sie kann auch auf bestimmte Bedarfsfälle beschränkt sein. Dann spricht man von bedingten Pflichtaufgaben.

Wichtig! Allen Pflichtaufgaben gemeinsam ist, dass die gesetzlich davon betroffenen Gemeinden sich der Aufgabenerfüllung nicht entziehen können.

Die Kommune hat somit bezüglich der Aufgabenfüllung als solcher überhaupt kein Ermessen, sondern muss ihr nachkommen (§ 2 Abs. 2 GemO). Pflichtaufgaben sind jedoch gleichwohl gemeindeeigene Aufgaben, aber eben mit dem Unterschied zu rein freiwilligen Aufgaben solche, bei denen der Gesetzgeber eine Aufgabenerfüllung zwingend verlangt. Eine materielle Privatisierung, also die volle Aufgabenerfüllung durch private Dritte solcher Aufgaben, scheidet grundsätzlich aus. Ausnahmen sind möglich, wenn der Gesetzgeber in einem das Aufgabengebiet regelnden Gesetz die Einbeziehung privater Dritter ausdrücklich vorsieht.

Wichtig ist für die nur gesetzlich mögliche Übertragung neuer Pflichtaufgaben, dass dabei auch Bestimmungen über die Deckung der für die Gesetzesausführung anfallenden...