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Langes Stillen - Natürlich, gesund, bedürfnisorientiert - Neue Erkenntnisse aus der großen Umfrage zum Thema

Langes Stillen - Natürlich, gesund, bedürfnisorientiert - Neue Erkenntnisse aus der großen Umfrage zum Thema

Kathrin Burri

 

Verlag Kösel, 2020

ISBN 9783641259297 , 208 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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13,99 EUR

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Langes Stillen - Natürlich, gesund, bedürfnisorientiert - Neue Erkenntnisse aus der großen Umfrage zum Thema


 

 EINFÜHRUNG

Warum dieses Buch?

Über die Hälfte aller Mütter stillt bereits nach sechs Monaten ab.1 Die Gründe dafür sind vielfältig: Weil man das eben so macht, weil es in Ratgebern empfohlen wird, weil das Umfeld sie drängt, weil der Wiedereinstieg ins Berufsleben ansteht. Doch ich möchte behaupten, dass viele Mütter nicht wissen, dass viele stichhaltige Argumente für ein ausgedehntes Stillen sprechen und keine nach sorgfältiger Prüfung dagegen.

Durch meine eigenen Stillgeschichten und meine Arbeit als Doula inspiriert und geprägt, möchte ich das längere Stillen enttabuisieren und anderen Familien Mut machen, sich für das lange Stillen einzusetzen, Empfehlungen kritisch zu hinterfragen und bei Schwierigkeiten kompetente Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ich möchte aufzeigen, dass häufiger als gedacht auch nach dem ersten Geburtstag ausgiebig gestillt wird, und diese längere Stillzeit auch absolut normal ist. Dies geschieht aber meist hinter verschlossenen Türen aus Angst vor Anfeindungen durch das Umfeld oder durch den Druck, sich sonst rechtfertigen zu müssen.

Aber was ist eigentlich »ausgedehntes Stillen«? Hast du dir schon einmal überlegt, ab wann du persönlich von längerem Stillen noch als »normal« sprichst? Was ist für dich »normal« in Bezug auf die Stilldauer? Bist du selbst stillend oder kennst Familien, in welchen ausgiebig gestillt wird? Oder hast du (noch) keine Erfahrung mit Stillen, interessierst dich aber dafür?

Mit diesem Buch möchte ich gerne erreichen, dass die Vorurteile gegenüber Familien, in welchen die Kinder eine ausgedehnte Stillzeit genießen dürfen, schwinden. Und dass aus der Stillzeit nie ein Wettbewerb unter Müttern entsteht.

Vorab möchte ich erwähnen, dass es nie nur einen Weg gibt, sein Kind gesund und bedürfnisgerecht zu ernähren. Es gibt unzählige, und jeder Weg ist so einzigartig und individuell wie der Mensch selbst. Jede Mutter und jede Familie sollte für sich den stimmigen Weg finden und gehen. Wenn Stillen auf diesem Pfad nicht passend oder vorgesehen ist, ist das einzig und allein die Entscheidung dieser Frau beziehungsweise Familie und sollte vom Umfeld respektiert werden. Wenn es erst gar nicht funktioniert, ist das kein Grund für ein schlechtes Gewissen oder Angst, dem Kind könne es an etwas fehlen. Frauen sind keine schlechten Mütter, wenn sie nicht stillen, denn niemand ist verpflichtet, zu stillen. Objektive Informationsbeschaffung vor dem Entscheid, nicht stillen zu wollen, ist allerdings ratsam, denn manchmal gibt es ungenaue Vorstellungen vom Stillen, wenn unter anderem durch Ammenmärchen Verunsicherungen hervorgerufen werden, wie beispielsweise, dass man auf gewisse Nahrungsmittel verzichten müsse, dass das Kind nicht fremdbetreut werden könne, dass mit einem bestimmten Aussehen der Brust oder Brustwarze nicht gestillt werden könne oder dass durchs Stillen ein Hängebusen vorprogrammiert sei.

Nicht immer klappt es mit dem Stillen wie gewünscht. Medizinisch gesehen ist zwar nur ein geringer Prozentsatz der Mütter nicht in der Lage, voll zu stillen, doch es können auch andere Anfangsschwierigkeiten den Stillstart stark beeinträchtigen. Auch wenn viele denken, Stillen sei ein Instinkt, liegt es meist daran, dass diese soziale Fähigkeit mangels Vorbildern in der eigenen Familie, bei Freundinnen oder in der näheren Umgebung nicht vorgelebt wird und es deshalb zu Verunsicherung kommen kann. Früher hat ein Dorf eine Familie in der Anfangszeit unterstützt. Heute leben wir teilweise isoliert und oftmals mit begrenzten sozialen Kontakten.

Darüber hinaus kann auch die Geburt einen großen Einfluss auf das Stillen haben. Es ist sehr ratsam, sich Gedanken über den idealen Geburtsort und die anwesenden unterstützenden Personen zu machen. Ist eine Geburt in den eigenen vier Wänden die stimmige und für sich richtige Wahl des Geburtsortes, damit keine unnötigen Störfaktoren das Bonding, also die zwischenmenschliche Bindung, negativ beeinflussen? Möchte man lieber im nahe gelegenen Krankenhaus gebären, klärt man am besten vorgeburtlich in einem individuellen Gespräch ab, wie unter anderem die Unterstützung beim Stillen aussehen wird. Braucht man zwingend eine Neonatologie im Haus? Oder ergibt es Sinn, nach genauer Prüfung durch Besichtigung und Gesprächen einen etwas weiteren Weg in Kauf zu nehmen, um eine passendere und individuellere Betreuung zu erhalten? Gibt es ein Geburtshaus in der Nähe für den Mittelweg, wo sich die Hebammen und Pflegefachfrauen mehr Zeit für die frisch gebackene Familie nehmen können?

Auch bei der Wahl der anwesenden Begleiter darf man auf sein Bauchgefühl vertrauen. Soll neben dem Partner/der Partnerin oder an deren Stelle lieber die eigene Mutter, die Schwester, die Freundin oder eine Doula als Geburtsbegleiterin Unterstützung bieten, welche dafür sorgt, dass die Wünsche der Gebärenden respektiert und umgesetzt werden und der Raum gewahrt wird, um ein erstes Stillen in Ruhe zu gewährleisten? Ebenfalls lohnt es sich, sich genau zu überlegen, wer die Geburt betreuen soll und wer die Wochenbettbetreuung sowie die Stillberatung übernehmen wird. Führt man in der Schwangerschaft Gespräche und stellt gezielt Fragen, kann man sich ein Bild davon machen, wie die Unterstützung konkret aussehen wird. Dabei sind Empfehlungen zu Stillberaterinnen von stillenden Freundinnen oder Bekannten oft sehr hilfreich. Die meisten Frauen bemühen sich in der Schwangerschaft um eine Nachsorgehebamme des Vertrauens, welche sie nach der Rückkehr aus dem Krankenhaus oder Geburtshaus weiter betreut. Auch eine Doula kann mit ihrem Netzwerk wertvolle Angebote rund ums neue Familienleben vermitteln.

Wir werden heutzutage viel zu wenig gelehrt, auf die innere Stimme, das Bauchgefühl oder gar unser Herz zu hören. Denn in der Stillbeziehung mit dem eigenen Kind darf eine Frau auf ihren Mutterinstinkt zählen. Aber auch dieser muss erst erwachen. Durch die Ausschüttung der Hormone während der Geburt, sofern die Geburt nicht durch Medikamente beeinflusst wurde, wird die Milchproduktion optimal in Gang gesetzt und der Bindungsprozess positiv beeinflusst. Was aber noch nicht heißt, dass es beim Stillen keine Hürden geben kann. Wünschenswert wäre, wenn jede Mutter und ihr Kind in den ersten zwei Stunden nach der Geburt absolut keine Störung erleben würden. Sind keine medizinischen Indikationen gegeben, muss das Baby theoretisch in dieser ersten wichtigen Bindungszeit weder gewogen, gewaschen noch angezogen werden. Es darf ausgiebig gekuschelt und geruht werden. Durch die Ruhe, die innere Verbindung und das langsame Ankommen aller Beteiligten, darf und kann sich ein Urvertrauen entwickeln, welches die Mutter spüren lässt, was genau ihr Kind und sie selbst brauchen. Diese Wünsche müssen aber unbedingt am Geburtsort kommuniziert werden, sodass darauf Rücksicht genommen wird.

Obwohl das Stillen die Mutter-Kind-Bindung stärkt, ist es nicht die einzige Form, die Nähe zum Baby zu fördern. Sofern es mit dem Stillen nicht von Anfang an klappt, braucht die Mutter eine individuelle Anleitung und Unterstützung. Ausgebildete Stillberaterinnen sind für alle Arten der Babyernährung die richtigen Ansprechpersonen. Ich ermuntere dich, dich nicht zu scheuen, fachlichen Rat einzuholen und dich nicht durch Aussagen von nicht in der Säuglingsernährung ausgebildeten Personen verunsichern zu lassen. Auch eine selbstständige externe Stillberaterin darf nach der Geburt hinzugezogen werden, solltest du andere Hilfe benötigen, als dir angeboten wird.

Im Laufe der letzten rund 15 Jahre habe ich unzählige Mütter mit langer Stillerfahrung kennengelernt und gemerkt, dass ihnen und auch mir Informationen, Erfahrungsberichte und Austausch fehlten, was längeres Stillen anbelangte. So begann ich, mich intensiv mit dem Thema zu befassen, zu recherchieren, zu diskutieren und mich zu vernetzen. Ich habe immer offen über unsere Stillbeziehungen gesprochen und Fragen beantwortet, wenn es welche gab. Während meiner Arbeit zu diesem Buch habe ich mich sehr oft gefragt, wie das Thema bei den Lesern ankommen wird. Wenn irgendwo in der Presse oder in sozialen Netzwerken über das längere Stillen gesprochen wurde, habe ich viel zu oft ganz fürchterliche Kommentare gelesen. Es waren Kommentare wie: »Zum Glück hat mein Kind einen normalen Verstand und von selbst nach sechs Monaten nicht mehr gestillt werden wollen.«; »In Entwicklungsländern lass ich mir das ja noch gefallen, aber hier?«; »Stillen ist nicht nur ›Essen‹. Wenn ich das schon lese.« Möchte ich solche Aussagen wirklich riskieren? Jeder hat seine eigene Meinung zu verschiedenen Themen. Oft aber treffen diese herablassenden und fachlich nicht fundierten Aussagen mitten ins Herz. Ich wünsche mir Akzeptanz und Höflichkeit. Mein Buch soll weder dogmatisch noch hetzerisch wirken, sondern vielmehr aufklärend und verbindend sein. Wie ich schon erwähnt habe, finde ich es enorm wichtig, dass jede Frau für sich entscheiden darf, welchen Weg sie gehen will.

Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, richtig oder falsch. Bei einem so emotionalen und persönlichen Thema erhitzen sich oft die Gemüter. Gegner des Langzeitstillens werden nicht müde, diese Mütter zu beurteilen, zu verurteilen, ja gar zu beleidigen. Meist entstehen solche Haltungen aus Unwissen oder falsch interpretierten Normen. Mehr dazu im hinteren Teil des Buches. Dabei will jede Frau, welche länger als der Durchschnitt stillt, nur das Beste für ihr Kind. Ausnahmen, bei welchen eine psychische Krankheit hinter einem Abhängigmachen des eigenen Kindes steht, sind sehr selten.

Zu bedenken ist, dass die wenigsten Frauen absichtlich eine lange Stilldauer...