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Was wirklich wirkt - Kompass durch die Welt der sanften Medizin

Was wirklich wirkt - Kompass durch die Welt der sanften Medizin

Natalie Grams-Nobmann

 

Verlag Aufbau Verlag, 2020

ISBN 9783841224422 , 247 Seiten

2. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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Was wirklich wirkt - Kompass durch die Welt der sanften Medizin


 

Prolog


Auf der Suche nach einer echten Alternative

Vielleicht geht es Ihnen wie vielen anderen Menschen auch, die enttäuscht sind von der modernen Medizin: Sie fühlen sich nicht gut behandelt. Nicht unbedingt weil die verschriebenen Medikamente nicht wirken, sondern vor allem weil es uns Ärzten an Zeit fehlt, wir Ihnen nicht gut genug zuhören. Viele haben den Eindruck, für den Arzt oder die Ärztin nur noch ein »Fall« zu sein. Andere befürchten schädliche Nebenwirkungen, unnötige Operationen oder zu viele Antibiotika. Und wieder andere bemängeln, dass sich Medizin nur um Symptome kümmere, nicht um die »wahren« Ursachen der Beschwerden. Insbesondere die Hochleistungs- und Apparatemedizin wirkt auf viele Patienten und Patientinnen kühl, distanziert und unverständlich; man fühlt sich ihr regelrecht ausgeliefert. Diese Enttäuschungen führen mitunter zu einer generellen Skepsis gegenüber der »Schulmedizin« und zu einer anhaltenden Suche nach sanften Alternativen. Verständlich – eine sanfte, behutsame Medizin, die uns ganzheitlich behandelt und vielleicht auch noch ohne Nebenwirkungen auskommt: Wer wünschte sich das nicht?

Als Ärztin und Mutter begegne ich täglich einer großen Verunsicherung bei Gesundheitsfragen. In Klinik und Praxis habe ich die oft harte Realität der Medizin erlebt. Diese weiß in vielen Fällen zwar Antwort auf Fragen nach körperlichen Beschwerden – im Umgang mit Patienten als Menschen hinterlässt sie jedoch oft Fragezeichen und Ohnmachtsgefühle. In Kindergarten und Schule wiederum treffe ich auf besorgte Eltern auf der Suche nach möglichst einfachen Antworten, die niemandem wehtun, vor allem nicht den eigenen Kindern. Auch Freunde und Bekannte wenden sich mit Sorgen und Fragen an mich, die man noch vor wenigen Jahren mit dem gesunden Menschenverstand beantwortet hätte. Das Erstaunliche: Insbesondere gut gebildete Menschen, die mitten im Leben stehen, die Beruf, Haushalt und Familie meistern, finden sich im Dickicht aus medizinischem Halb-, Schein- und Unwissen oft nicht mehr zurecht. Die ständig verfügbare Flut aus Informationen, Ratschlägen, Gesundheits- und Ernährungstipps führt nicht etwa zu mündigen Patienten, wie man meinen könnte, sondern im Gegenteil zu einer zunehmenden Überforderung oder gar Misstrauen gegenüber Ärzten und der Medizin im Allgemeinen. Dabei spielen Google, YouTube, Soziale Medien oder Messenger-Elterngruppen eine nicht zu unterschätzende Rolle. Nicht zuletzt, weil neben wertvollen Informationen auch Lügen und Mythen kursieren, die Verwirrung stiften und Ängste schüren.

Diese Mythen und Halbwahrheiten möchte ich benennen – genau so, wie sie uns allen im Alltag begegnen – und unter die Lupe nehmen. Die Kapitelüberschriften sind deshalb so formuliert, wie wir sie oft hören – von Kolleginnen und Kollegen bei der Arbeit, von Eltern im Kindergarten, im Familien- und Freundeskreis, gerne als persönliche Anekdoten oder spektakuläre Geschichten, die sich auf Facebook in Windeseile verbreiten. Dabei wird es immer schwerer, einen klaren Blick zu bewahren: was stimmt, was stimmt nicht, was ist harmlos, wo lauern Gefahren? Wem kann ich überhaupt noch vertrauen? Und woher soll ich bitte schön die Zeit nehmen, das alles selbst zu überprüfen?

Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, alles zu wissen. Und das ist auch gar nicht nötig. Es genügt vollkommen, mitzudenken und die richtigen Fragen zu stellen, zum Beispiel: Gibt es nachprüfbare Beweise für die Aussage, oder ist es nur eine Behauptung? Oder: Von wem kommt die Information, und welche Interessen könnten dahinterstehen? Nach der Lektüre der einzelnen Kapitel, so hoffe ich, haben Sie neue Perspektiven und nützliche Gegenfragen an der Hand, die Ihnen helfen, sich besser orientieren zu können. Dieses Buch soll Ihnen ein Kompass sein: durch den Dschungel der Halbwahrheiten der sogenannten Alternativmedizin. Und gleichzeitig ein kleiner Leitfaden für grundsätzliche Gesundheitsfragen.

Denn wenn uns eine Krankheit ans Bett fesselt, uns Schmerzen plagen oder wir Mitmenschen krank und leidend sehen, bleibt manchmal erschreckend wenig Raum für sachliche Argumente und einen kühlen Kopf, gerade auch, wenn in Extrem- und Akutsituationen Eile geboten ist. Wenn etwa das eigene Kind hohes Fieber entwickelt, eine Krebsdiagnose gestellt wurde oder ein akuter Zusammenbruch erfolgt ist, ist einfach jeder Strohhalm der Hoffnung recht.

Ich weiß, wovon ich rede. Als Medizinstudentin hatte ich bei einem Autounfall großes Glück, nicht ums Leben gekommen zu sein. Auf einer Landstraße war mir plötzlich ein Auto entgegengekommen, der Fahrer hatte die Kurve geschnitten und steuerte auf meiner Fahrbahnseite direkt auf mich zu. Um einen frontalen Crash zu vermeiden, wich ich aus, doch direkt neben der Fahrbahn befand sich eine Böschung, und ich verlor sofort die Kontrolle über meinen Wagen. Während der Unfallverursacher weiterfuhr, überschlug ich mich mehrfach und krachte in die Bäume. Das Auto erlitt einen Totalschaden, doch ich selbst blieb durch unglaubliches Glück bis auf ein leichtes Schleudertrauma und ein paar Schrammen unverletzt. Zumindest dachte ich das und widmete mich schon kurz nach dem Unfall wieder meinem Studium.

Als ich ein paar Wochen später immer wieder ohnmächtig wurde und unter Herzrasen litt, konnte ich mir das nicht erklären. Ich ging zu Fachärzten, doch auch die konnten keine körperlichen Ursachen finden, weder am Herzen noch in der Schilddrüse noch sonst irgendwo. Auf die Idee, einen Zusammenhang mit dem Autounfall herzustellen, kam niemand, auch ich nicht, und mit jedem ergebnislosen Arztbesuch nahm meine Ratlosigkeit zu. Eine Kommilitonin überredete mich schließlich, eine Heilpraktikerin und Homöopathin aufzusuchen. Ich überlegte ein paar Tage – und ging dann hin. Was hatte ich schon zu verlieren?

Im Gegensatz zu vielen Ärzten nahm sich die Heilpraktikerin Zeit, um über mich und meine Krankengeschichte zu reden. Sie war es auch, die mir half, meine aktuellen Probleme als verspätete Reaktion auf den Verkehrsunfall zu erkennen. Zur Behandlung verschrieb sie mir Globuli und riet mir zu einer Psychotherapie, um die Folgen des Unfalls aufzuarbeiten. Ganz ehrlich, vorher wäre ich nicht auf die Idee gekommen, die Hilfe eines Psychotherapeuten in Anspruch zu nehmen. Ich litt unter der leider weit verbreiteten Auffassung, dass man da nur hinging, wenn man ernsthaft verrückt war. Doch nach dem ausgiebigen Gespräch mit der Heilpraktikerin, die mir das Gefühl gab, mich selbst wieder besser zu verstehen, ließ ich mich sowohl auf die Globuli als auch die Psychotherapie ein. Und tatsächlich verschwanden die Ohnmachtsanfälle und das Herzrasen. Ich war unglaublich erleichtert, und im Überschwang der Gefühle hegte ich keinerlei Zweifel daran, was mich gerettet hatte. Es war meine homöopathische Erweckung. Die Heilpraktikerin behandelte mich zwar auch noch mit traditioneller chinesischer Heilmassage, Akupunktur und Schröpfköpfen sowie einem Gerät, das positive Schwingungen in meinen Körper bringen sollte, aber in mir stand ganz klar fest: Es war die Homöopathie, die mich geheilt hatte.

Anstatt zu fragen, ob und, wenn ja, was da auf welche Art tatsächlich gewirkt hatte, entschloss ich mich, parallel zu meinem Medizinstudium eine Ausbildung zur Homöopathin und TCM-Ärztin (Traditionelle Chinesische Medizin) anzufangen. Wie viele meiner Kommilitonen stand ich den angeblichen Alternativen – von denen die Homöopathie nur die bekannteste und beliebteste war und bis heute ist – einigermaßen aufgeschlossen gegenüber, immerhin gab es zu der Zeit in Deutschland neben Tausenden von Heilpraktikern und Laien-Homöopathen auch gut 7000 (aktuell etwa 5400) Ärzte mit einer Zusatzausbildung. Und nach meiner positiven persönlichen Erfahrung mit der Homöopathie stellte ich im Grunde keine kritischen Fragen mehr. Es fühlte sich gut an, mir ging es besser, fertig. Wie im Medizinstudium gab es auch hier massig Stoff auswendig zu lernen – viel Zeit für kritisches Hinterfragen war also eh nicht –, und so kam mir die Homöopathie eher wie ein Parallelwissen vor, das sich den gängigen wissenschaftlichen Methoden entzog. Nicht etwa, weil eine Wirkung wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden konnte, sondern weil die wissenschaftlichen Methoden einfach noch nicht gut genug waren, um die Wirkweise zu erklären. Diese vollkommene Umkehr der Beweislast ist mir heute peinlich, obwohl ich weiß, dass es sich dabei um einen der typischen Denkfehler handelt, dem Anhänger vermeintlicher Alternativen aufsitzen. Damals aber ließ ich Zweifel nicht aufkommen, zu überzeugt war ich von Samuel Hahnemanns über zweihundert Jahre alter Lehre und dem 2000 Jahre alten chinesischen Heilwissen – und der Vorstellung, in Zukunft als Homöopathin und TCMlerin anderen Menschen helfen zu können.

Ich promovierte über die Sicherheit von Traditionellen Chinesischen Heilkräutern, besuchte Studentenkurse zu Homöopathie und TCM und machte Praktika in Naturheilkunde-Kliniken. Neben meiner Ausbildung als »ganz normale« Ärztin im Krankenhaus und auch in Praxen niedergelassener Ärzte sammelte ich am Wochenende weiter Erfahrungen als »Alternativheilerin«. Dabei wurde mir insbesondere die Bedeutung des Faktors Zeit bewusst. Während wir bei der Visite in der Klinik selten eine volle Minute am Bett der Patienten verbrachten und es auch in der Praxis immer möglichst schnell gehen musste, um überhaupt das Pensum bewältigen zu können, erschien mir die Arbeit als Homöopathin im Vergleich dazu wie ein Meer aus Zeit. Erstgespräche von ein bis drei Stunden waren hier normal (so sieht es die Homöopathie als Lehre vor, und man kann sie als Homöopath...