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Robert Habeck - Eine exklusive Biografie

Robert Habeck - Eine exklusive Biografie

Claudia Reshöft

 

Verlag FinanzBuch Verlag, 2020

ISBN 9783960925415 , 208 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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19,99 EUR

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Robert Habeck - Eine exklusive Biografie


 

Kapitel 1
Der Anfang von allem


In den Sechzigerjahren gibt das Wirtschaftswunder in Deutschland wieder Hoffnung. Der Wohlstand, von dem große Teile der Bevölkerung profitieren, hat die Menschen großzügig gemacht. Im Geldausgeben. Und auch, wenn es darum geht, sich einstiger Überzeugungen zu entledigen oder sie zu verdrängen.

Doch die Nachwehen des Zweiten Weltkriegs sind noch nicht vergessen, und gegen das Schweigen der bleiernen Zeit bildet sich Widerstand. Denn an vielen Schaltstellen der jungen Demokratie sitzen noch immer einstige Mitläufer und Mittäter des Nazi-Regimes, die mithilfe eines Persilscheins auf ihre Posten bei der Polizei, in der Justiz oder an die Universitäten zurückgekehrt sind. Vornehmlich die Studenten machen Rabatz. Linke Bewegungen fordern in außerparlamentarischer Opposition eine vollständige Entnazifizierung. Sie setzen ein Zeichen gegen die verbreitete Prüderie, indem sie freizügig ihre sexuelle Selbstbestimmung feiern. Und setzen dem Einfordern blinden Gehorsams eine antiautoritäre Erziehung entgegen. Angeheizt durch den gewaltsamen Tod des Studenten Benno Ohnesorg, der 1967 bei Protesten gegen den Schah von Persien von einem Polizisten erschossen worden war, und durch den Anschlag auf Rudi Dutschke, der zur Symbolfigur des Widerstands geworden war, lehnen sich die Studenten gegen das »spießige« Establishment auf, in teils gewalttätigen Demonstrationen und Aktionen.

In Deutschland rumort es also wieder, 24 Jahre nach Kriegsende. Und der Sozialdemokrat Willy Brandt, der von konservativen Kräften als Vaterlandsverräter diffamiert wird, wird mit einer sozialliberalen Koalition Bundeskanzler.

Im nördlichsten Bundesland scheinen die Studentenproteste weit weg. Auch in Lübeck, Brandts Heimatstadt. Die wohlstandssatten Endsechzigerjahre scheinen eine gute Zeit zum Kinderkriegen zu sein. Auch für den Apotheker Hermann Habeck und seine Frau Hildegard, die als Flüchtlinge aus dem Osten in der traditionsreichen Hansestadt vorübergehend eine neue Heimat gefunden haben. Am 2. September 1969 kommt ihr Sohn Robert zur Welt, zwei Jahre später folgt ein zweiter Sohn: Hinrich, schmaler und feingliedriger als der Erstgeborene. Ernster und stiller sagen die, die ihn kennen.1 Später in seinem Leben, aber weit vor dem älteren Bruder, wird Hinrich sich bei den Grünen engagieren, Naturwissenschaften studieren, sich mit den Prozessen und Strukturen von Lebewesen beschäftigen und ein Netzwerk bilden, das diese Erkenntnisse ingenieurwissenschaftlich umsetzen kann.2

Das bürgerlich-konservative Elternhaus schafft für die beiden Jungs den idealen Rahmen, um behütet und frei von materiellen Nöten den Weg ins Leben zu finden. Weder Robert noch seine Eltern ahnen, dass fast fünfzig Jahre später der Stern-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges ihn mit Willy Brandt vergleichen wird.

Kindheit am Meer


Robert ist fünf Jahre alt, als seine Eltern beschließen, von der Trave an die Kieler Förde zu ziehen.3 Nach Heikendorf. Das einstige Bauerndorf am Ostufer hatte sich nach Ende des Kriegs in den Schlafvorort der nahen und in weiten Teilen zerstörten Landeshauptstadt gewandelt. Und die Siedlung Möltenort, direkt am Fördesaum gelegen, hatte sich durch die Zuwanderung von mit ihren Booten geflüchteten Ostpreußen zu einem der größten Fischereihäfen Schleswig-Holsteins entwickelt.4 Die Anerkennung als Seebad tat ihr Übriges, damit Heikendorf sich zu einer prosperierenden Gemeinde entwickeln konnte.

Kalifornien und Brasilien liegen nicht weit entfernt. Zwei Strandabschnitte, denen irgendwann mal irgendjemand aus einer Laune heraus diese ewigen Sonnenschein verheißenden Namen gab. Sie klingen nach großer weiter Welt. Dahin wird es Robert ziehen, auch wenn es anfangs nicht danach aussieht.

Er wächst auf in der adretten Mittelklasse-Wohngegend von Alt-Heikendorf. Das weiß verputzte Elternhaus ist von einer dichten, grünen Hecke umgeben. Von hier aus sind es 750 Meter zu Fuß bis zur »Apotheke am Dorfplatz«, die Vater Hermann nun führt und sechs Jahre später, nach dem Bau des neuen Rathauses, in »Apotheke am Rathaus« umbenennen wird. Genauso viele Schritte sind es bis nach Möltenort, dessen Hafen mit seinen Kuttern und ihren strahlend weißen Bugen und bunten Kajüten, den Fischernetzen und Takelagen das Fernweh und die Romantik weckt. Kein Gedanke daran zeichnet sich ab, dass diese idyllische Szenerie ein paar Jahre später die Kulisse bilden wird, vor der Robert wortreiche Gefechte führen wird. Dann, wenn er in der Landeshauptstadt angekommen ist, die am gegenüberliegenden Fördeufer bei klarer Sicht deutlich zu erkennen ist.

Robert besucht das örtliche Gymnasium, die Heinrich-Heine-­Schule. Und er schreibt Tagebuch,5 um das emotionale Chaos der Pubertät zu sortieren, dem ein noch größeres folgen soll.

Das Unwahrscheinliche ist möglich


Im Mai 1986 führt die Schultheater-AG William Shakespeares’ Sommernachtstraum auf. Robert, der in der Zwischenwelt der Adoleszenz seinen Weg erkundet, ist »das Herumirren der Liebenden …, das Sich-Finden und Sich-Verlieren« der Protagonisten im Zauberwald nicht fremd.6 Er ist gerade dabei zu erforschen, wie ein Sich-immer-wieder-neu-erfinden gelingen kann.

Ein warmer Mairegen geht am Theaterabend über Heikendorf nieder und lässt die Zuschauer beim Verlassen der Aula schlagartig aus der liebestrunkenen Komödie erwachen. Denn was da vom Himmel tropft, birgt bedrohliches Potenzial. Eine Woche zuvor, in der Nacht zum 26. April, war in Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl nahe der ukrainischen Stadt Prypjat ein Reaktor explodiert. Der GAU, vor dem die Atomkraftgegner immer gewarnt hatten, war eingetreten.

In den ersten zehn Tagen stieg über der Ukraine Radioaktivität von mehreren Trillionen Becquerel in die Erdatmosphäre auf. Und regnete dann andernorts nieder. Vor allem die Region nordöstlich von Tschernobyl sowie viele europäische Länder, darunter auch Deutschland, wurden radioaktiv kontaminiert.

Nach dem lauen Guss der Sommernachtstraum-Nacht ziehen am nächsten Tag wieder Schönwetterwolken über den Himmel. Doch nichts mehr ist wie zuvor. Eine gespenstische Stimmung liegt über der Republik. Die Informationen seitens der sowjetischen Regierung fließen spärlich und unzuverlässig, offizielle Stellen in Deutschland wissen selbst nichts Genaues. Wie gefährlich ist der Regen? Wie stark die Strahlung? Unsicherheit greift um sich. Spielplätze verwaisen. Blattgemüse vergammelt am Stängel. Kühe, die nun eigentlich auf die Sommerweide entlassen werden sollten, bleiben im Stall. Ihre Frischmilch versauert in den Kühlregalen, vor dem GAU produzierte H-Milch ist rasch vergriffen. Auch beim Fleisch von Weidetieren können die Verbraucher nicht sicher sein, ob es nicht ebenso belastet ist wie die wild geernteten Pilze, die für viele Jahre von den Speisenplänen verschwinden werden.

Schon seit Langem haben Atomkraftgegner vor Szenarien wie diesen gewarnt. Mit teils gewalttätigen Großdemonstrationen tobt der Widerstand gegen das 1986 in Betrieb genommene Atomkraftwerk im elbnahen Brokdorf. Zehn Jahre länger dauert bereits der Kampf der Anti-AKW-Bewegung im benachbarten Brunsbüttel. Und seit 1984 bremsen die Demonstranten mit Sitzblockaden die Castor-Transporte mit dem strahlenden Atommüll auf ihrem Weg in das Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben aus. Robert hat davon gehört, doch erst mit der Havarie von Tschernobyl wird das hypothetisch beschworene Szenario auch für ihn zur konkreten Bedrohung.

Mit dem radioaktiv verseuchten Mairegen sickert die Ahnung in sein Leben, dass Gewissheiten sich von einem Moment zum nächsten auflösen können. Dass einem Schlimmeres als eine verpatzte Liebesgeschichte oder schlechte Noten zustoßen könne. Dass auch er nicht verschont bleiben würde von den Ereignissen in einer Welt, die größer ist als sein etwas über 8000 Seelen zählender Heimatort. Der Heikendorfer spürt, wie stark sein eigenes junges Leben von den Entscheidungen beeinflusst wird, die andere Menschen treffen. In der Bonner Politik und in den internationalen Schaltzentralen der Macht.7 Er begreift, dass er ein Teil dieser Welt ist, die nur zu ändern ist, wenn er etwas wagt: seine persönliche Freiheit gegen Willkür zu verteidigen und die Umstände zu ändern. Auf die ihm eigene Weise.

Robert ist bis zu den frühen Maitagen 1986 weit davon entfernt, ein Revolutionär zu sein.8 Er gehört nicht zu denen, die null Bock haben auf Schule und den ganzen anderen Kram, der einen daran hindert, das Leben zu genießen. Der nach Aussagen seiner Lehrer »eher angepasste, etwas verträumte, aber zuverlässige und hochengagierte« Gymnasiast aus dem behüteten Elternhaus interessiert sich plötzlich für Politik und Hintergründe.9 Er ist jetzt bald 17 und will die Instrumentarien der Macht und Willkür des Staats begreifen. In der Politik-AG im neuen Schuljahr diskutieren sie über das Vermummungsverbot bei Demonstrationen, den Sinn und das Für und Wider von Hausbesetzungen, über Rassentrennung. Seine Meinungen und Kommentare zur Bundeswehr, zum Einsatz von Gewalt und Töten von Menschen fließen in die Schülerzeitung Heulboje ein, deren Redaktion er gemeinsam mit Freunden leitet.

Seine Lehrer erinnern sich unisono an ihn als einen »bemerkenswert...