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Manipulationstechniken - So wehren Sie sich

Manipulationstechniken - So wehren Sie sich

Andreas Edmüller, Thomas Wilhelm

 

Verlag Haufe Verlag, 2020

ISBN 9783648137895 , 364 Seiten

5. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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18,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Manipulationstechniken - So wehren Sie sich


 

1 Die häufigsten Fehler beim Überzeugen


Sie wissen, wie spannend, knifflig, schwierig, unberechenbar, kräftezehrend und sogar nervenaufreibend es sein kann, jemanden von etwas zu überzeugen. Sie kennen das gute Gefühl, es geschafft zu haben: »Ja, du hast Recht!« – das hören wir alle sehr gern. Sie wissen auch, wie unheimlich schwer oder spielerisch leicht es oft fällt, sich den Argumenten des Gesprächspartners zu entziehen. Härteste Abwehrarbeit und elegantes Ins-Leere-laufen-Lassen – beide Extreme und alle Abstufungen dazwischen sind aus eigener Erfahrung bestens bekannt. Es kann übrigens sehr unterhaltsam und emotional befriedigend sein, Überzeugungsversuche des Gesprächspartners einfach abzublocken und keinen Millimeter vom eigenen Standpunkt abzuweichen (»Richtig nett, wie er sich abmüht! – Herrje, da sehe ich ja schon die ersten Schweißperlen!«). Wir wissen auch, wie es ist, die eigene Meinung zu verändern, Argumente zu würdigen, neue Überzeugungen zu bilden und alte Meinungen abzulegen. Alle diese Erfahrungen umreißen den Themenkreis unseres Buches: Es geht um das Spiel des Überzeugens in der ganzen Vielfalt seiner Facetten.

In unseren Konfliktlösungs- und Verhandlungsseminaren starten wir häufig mit einem Experiment, bei dem den Teilnehmern schnell klar wird, dass es beim Überzeugen nicht nur auf Beharrlichkeit und Redegewandtheit ankommt.

Für unser Experiment teilen wir die Teilnehmer in Gruppen auf. Jede Gruppe bekommt die Aufgabe, sich in die Lage einer Familie zu versetzen, die gemeinsam in Urlaub fahren will. Die Herausforderung besteht darin, sich auf ein gemeinsames Urlaubsziel zu einigen.

Die Spielregeln: Es wird keine Einigung akzeptiert, bei der die Familienmitglieder ihren Urlaub an verschiedenen Orten verbringen. Sie dürfen den Einigungsprozess nicht zu einem Streit eskalieren lassen.

Jedes Familienmitglied erhält eine kurze Rollenbeschreibung, die seine Argumentation bestimmen soll. Folgende Rollen gibt es:

  • Vater: Er möchte nach Garmisch fahren, weil er das Bergsteigen liebt.
  • Mutter: Sie schwärmt für Mallorca. Sie will am Strand liegen und die Sonne genießen.
  • Sohn: Er will zum Fischen nach Schottland.
  • Tochter: Sie bevorzugt Südfrankreich, denn sie fährt gern Rennrad und dort gibt es anspruchsvolle Fahrradstrecken.
  • Großmutter: Sie möchte nach Holland, um Windmühlen zu malen.

Anfangs ist man noch sachlich


Nachdem jeder seinen Urlaubswunsch vorgestellt hat, beginnt meist eine leidenschaftlich geführte Argumentationsphase. Jedes Familienmitglied versucht, die jeweils anderen Familienmitglieder für das eigene Urlaubsziel zu gewinnen. Dabei werden entweder Argumente für die eigene Position vorgebracht oder man versucht, die der anderen zu entkräften. Natürlich funktioniert das nicht so leicht, da jeder erst einmal Widerstand leistet und sein eigenes Ziel durchsetzen will.

Später wird es unfair


Erkennen die Familienmitglieder, dass sie durch rationales Argumentieren nicht weiterkommen und nur auf Widerstände bzw. Gegenargumente stoßen, greifen sie schnell und voller Einsatzfreude zu weniger freundlichen, manipulativen Methoden. Hier ist die Bandbreite groß: Es werden versteckte, manchmal auch offene Drohungen ausgesprochen (Eltern gegenüber den Kindern); man versucht, Mitleid zu heischen (Großmutter spricht davon, dass es ihr letzter Urlaub sein könnte); man schmiedet Koalitionen und versucht, einzelne Familienmitglieder zu isolieren usw. Kurz: Es dauert keine fünf Minuten in diesem Spiel, da begegnet uns die ganze Palette unfairer Beeinflussungsmethoden. Sicher, das Ganze ist nur ein Spiel. Aber eines, in dem die Teilnehmer wie in einem Spiegel ihr Kommunikationsverhalten im Alltag sehr präzise wiedererkennen. »Das ging ja zu wie im richtigen Leben!« ist der Grundtenor der kurzen Auswertungsphase.

1.1 … und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!


Man kann niemanden zwingen, von etwas überzeugt zu sein. Diese Einsicht des gesunden Menschenverstandes wird oft nicht beherzigt. So mancher Zeitgenosse glaubt, andere nur lange, intensiv und ausdauernd genug mit Argumenten beharken zu müssen, um sie zu überzeugen. »Dir werde ich meine Meinung jetzt einfach einhämmern!« lautet hier das Motto. Andere wiederum warten darauf, dass ihnen das Superargument einfällt, dessen innewohnender Kraft sich ihr Gegenüber einfach beugen muss – ein Argument also, dem sich niemand, der einigermaßen vernünftig und guten Willens ist, verschließen kann. »Na warte, ich kriege dich noch – ob du willst oder nicht!« lautet ihr Schlachtruf.

Hinter diesen Vorgehensweisen stecken zwei unrealistische bzw. falsche Annahmen.

Erstens: Will man jemanden für die eigene Idee oder Position gewinnen, muss man ihn nur so lange gekonnt verbal bearbeiten, bis er diese übernimmt. Das ist falsch! Durch argumentatives Trommelfeuer gelingt es vielleicht, den Gesprächspartner momentan zu überreden und ihn durch Ermüdung entweder in die Scheinzustimmung oder die Abnutzungskapitulation zu treiben. Aber das alles heißt nicht, dass er überzeugt wurde. Es heißt eigentlich nur, dass er nicht mehr mag.

Zweitens: Wenn es ein gutes (oder vielleicht sogar ein optimales) Argument gibt, dann muss es derjenige, der damit konfrontiert wird, zwangsläufig akzeptieren. Der andere hat die bessere Qualität des eigenen Arguments unbedingt zu erkennen. Aber das ist leider falsch! Ein gutes Argument garantiert nicht automatisch, dass es vom Gegenüber auch akzeptiert wird. Wenn es so wäre, dann hätte Galileo Galilei mit Sicherheit ein ruhigeres Leben gehabt.

In Überzeugungssituationen lassen wir uns gern von dem Bild leiten, dass Überzeugen eine Tätigkeit sei, bei der man nur »die richtigen Knöpfe drücken« müsse. Viele meinen, der Erfolg dieser Handlung oder Tätigkeit hänge ganz von uns als Überzeuger ab. Es ist zwar richtig, dass man Überzeugen als eine Art Tätigkeit oder Handlung auffassen kann – die Sprachphilosophen reden hier von Sprechakten –, der Sprechakt des Überzeugens aber ist eine weitaus komplexere Handlung, als viele denken. Man vollzieht sie in der Kommunikation mit anderen Menschen. Zu solchen Sprechakten gehören:

  • Informieren
  • Warnen
  • Versprechen
  • Überzeugen
  • Überreden

Wenn ich zum Beispiel sage: »Ich werde morgen sicher zur Party kommen«, so vollziehe ich mit dieser Äußerung den Sprechakt des Versprechens. Ob ich den Sprechakt erfolgreich vollzogen habe, hängt dabei letztendlich ganz von mir und natürlich noch von einigen Konventionen ab, die bestimmen, was überhaupt als Versprechen gilt. Beim Sprechakt des Überzeugens verhält es sich dagegen anders. Wie ich diesen zu vollziehen habe, wird nicht durch Konventionen geregelt. Denn der Erfolg einer solchen Handlung hängt nicht nur von mir, sondern ganz wesentlich von meinem Gesprächspartner ab. Und den können die unterschiedlichsten Dinge überzeugen. Deshalb ist mit dem Überzeugen kein festes Bündel von Tätigkeiten verknüpft, die ich nur in einer bestimmten Reihenfolge ausführen muss, damit sich mein Gesprächspartner in meine Richtung bewegt. Allein schon aus diesen Überlegungen folgt, dass es sich beim Überzeugen nicht um ein sprachliches Standardverfahren mit Erfolgsgarantie handeln kann. Sie sollten trotzdem weiterlesen. Überzeugen ist nämlich auch kein reines Glücksspiel!

Der Erfolg guter Überzeugungsarbeit hängt eindeutig von der Reaktion meines Gesprächspartners ab. Und hier kommt eine unserer Grundthesen ins Spiel.

Achtung: So leistet man Überzeugungskraft

Wenn man jemanden von etwas überzeugen möchte, hat man ihm stets Entscheidungsfreiheit zu lassen. Der Gesprächspartner muss sich aus freien Stücken dem neuen Standpunkt anschließen und ihn sich zu eigen machen können.

Wenn sich jemand überzeugen lässt, entscheidet er sich also ganz bewusst für eine bestimmte Position. Was wir als Überzeuger dazu beitragen können, ist, ihn bei seiner Entscheidungsfindung kompetent zu unterstützen.

1.2 Ein bisschen Manipulation kann doch nicht schaden!


So mancher glaubt, besonders geschickt vorzugehen, wenn er sein Gegenüber manipuliert. Doch wenn zum Überzeugen die Entscheidungsfreiheit des anderen gehört, dann können wir Manipulation als Überzeugungsmethode nicht akzeptieren. Denn durch offenen oder versteckten manipulativen Druck wird die Entscheidungsfreiheit eingeschränkt. Überzeugen heißt gerade...