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Der Wettlauf um die Digitalisierung - Potenziale und Hürden in Industrie, Gesellschaft und Verwaltung

Der Wettlauf um die Digitalisierung - Potenziale und Hürden in Industrie, Gesellschaft und Verwaltung

Kai Lucks

 

Verlag Schäffer-Poeschel Verlag, 2020

ISBN 9783791046761 , 670 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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87,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Der Wettlauf um die Digitalisierung - Potenziale und Hürden in Industrie, Gesellschaft und Verwaltung


 

Vorwort


Wir befinden uns in der Industriegesellschaft 5.0, und zwar in ihrer kritischsten Phase. Es geht um die allumfassende Digitalisierung: in der Wirtschaft, in unserem sozialen Zusammenleben, in der Verwaltung und Staatsführung. Früher hielt Deutschland führende Positionen. Bei uns entstand das World Wide Web. An der Bundeswehr-Universität München wurden in den 80er Jahren die ersten selbstfahrenden Autos entwickelt und das Deep-Learning-Verfahren LSTM, ein künstliches neuronales Netz, wurde in den 90ern an der TU München erfunden. Die Umsetzung in marktgängige Produkte fand aber nicht bei uns statt. Angestoßen durch Entwicklungen im Dunstkreis der Stanford-Universität und um die Möglichkeiten, die das Internet eröffnete, bildete sich im Silicon Valley ein Industriecluster heraus, das mittlerweile die Welt dominiert. Im Zentrum heute die sogenannten »Big Five«, bestehend aus Microsoft, Apple, Amazon (Alphabet), Google und Facebook.1

Deutschland, das schon zahlreiche Industrien verloren hatte und noch verlieren sollte, partizipierte an dieser Entwicklung kaum. Selbst Unternehmen, die eigentlich prädestiniert für internetbasierte Geschäfte waren, gingen in Deutschland unter, wie etwa das Versandhaus Quelle. Bis auf wenige Unternehmen, die vom Internet profitieren konnten, fiel unser Land dramatisch zurück.

Jetzt stellt Deutschland die Weichen, die dafür entscheidend sind, ob wir Rückstände aufholen können, ob wir fähig sind, Widerstände und verkrustete Strukturen aufzubrechen, ob wir uns im globalen Wettlauf gegenüber den führenden Nationen USA und China stabile Positionen erkämpfen können und damit unseren Wohlstand sichern. Wenn wir das nicht schaffen, dann ist Deutschlands Rolle in der Welt gefährdet. Wir können dann unsere wirtschaftlich-sozialen Standards nicht mehr halten. Unsere Gegner würden das als Beweis sehen, dass unsere politische und freiheitliche Grundordnung den Systemen der USA und Chinas unterlegen ist. Deren Konzepte können und dürfen wir aber nicht ohne Weiteres übernehmen, überspitzt ausgedrückt: das Digital-Kartell der USA und die Digital-Diktatur Chinas. Kann das »Modell Deutschland«, das als Sozialstaat für attraktive Arbeitsplätze, für Wissenschaft, für freiheitliches Denken und Umweltschutz steht, überhaupt gegen die radikalen Digital-Ansätze in den USA und China erfolgreichen Widerstand leisten?

Die aktuellen Herausforderungen unseres Landes werden in diesem Buch im Kontext von Zeit und Raum erarbeitet, denn:

»Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.« (August Bebel)

»Nur dem, der die Weite kennt, wird die Heimat fruchtbar.« (Stefan George)

Das vorliegende Werk schlägt deshalb einen großen Spannungsbogen. Teil 1 behandelt die historische Entwicklung von den ersten Ansätzen »diskreter« also nicht analoger Denkweisen und Technologien. Schwerpunkt sind hier die Wandlungen in der Neuzeit, besonders die sogenannten »Disruptionen«. Diese sind technologisch, wirtschaftlich, gesellschaftlicher Natur.

Alle sprechen heute von der »Industrie 4.0«. Dieses Schlagwort offenbart aber mehrere Mängel: Vor allem dürfen wir den Blick nicht auf Technik und Industrie einengen. Es handelt sich bei allen grundlegenden Entwicklungsschüben vielmehr um gesamt gesellschaftliche Erscheinungen, ausgelöst durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse aber auch durch neue Denkansätze, die zu Umwälzungen in der Arbeitswelt, im Sozial- und Staatswesen führten.

Ein Fehler liegt in der Zählung der sogenannten »industriellen Revolutionen« der Neuzeit. Eher einig sind wir uns über die Definition der »ersten industriellen Revolution«, die wir um die Jahre zwischen 1750 und 1780 ansetzen: die Mechanisierung, deren ausgeprägteste Erscheinungen der Webstuhl und die Dampfmaschine sind. Auch die Definition der »zweiten industriellen Revolution« findet zumeist Anhänger: der Zeitraum um 1850 bis 1870, geprägt durch die Elektrifizierung und Massenproduktionen. Gänzlich übersehen haben die Protagonisten der »Disruptionslehre« die dramatischen Entwicklungen zwischen 1885 und 1915, die wir hier mit dem Schlagwort »Mobilisierung« belegen. In dieser Periode wurde das Auto nicht nur »erfunden«, sondern auch bereits zu einem weltweiten Massenphänomen geführt. In diesen Zeitraum fallen große Fortschritte der Chemie. Eine entscheidende Entdeckung war dabei der Phosphatdünger. Ohne diesen wäre die Ernährung der heutigen Menschheit nicht möglich. Ohne diesen hätten die Bevölkerungsexplosionen nicht stattgefunden, damals schwerpunktmäßig in Europa und den USA. Wenn wir diese disruptive Phase einrechnen, dann leben wir heute nicht im Zeitalter der »Industrie 4.0«, sondern wir zählen bereits zur »Industrie 5.0«. Dies setzt natürlich voraus, dass wir uns über die disruptive Rolle der »Automatisierung« einig sind, deren schubartiger Fortschritt zwischen 1950 und 1960 stattfand und die bisher mit dem Begriff »Industrie 3.0« belegt wurde. Diese geht genau genommen gleitend in die aktuelle Technikentwicklung über, von der Elektronik getrieben, zunächst analog, dann zunehmend digital.

Die Entstehung des Internets ist sicherlich die Entwicklung, die unser heutiges Leben am entscheidendsten verändert hat. Dessen Entwicklung geht zurück auf Militäranwendungen in den USA im Zuge des Zweiten Weltkriegs. Daraus entstand das Arpanet, unmittelbarer Vorläufer des Internets. Das Internet brachte eine ganz neue Branche hervor, die in diesem Buch als I/SD bezeichnet wird. Dieses Kürzel steht für Internet-/Smart-Data- und Smart-Devices-getriebene Geschäfte. Die Herleitung und Prägung dieses Begriffes war notwendig, um das Kerngebiet zu bestimmen, das entscheidend für die aktuelle industriell-gesellschaftliche Auseinandersetzung ist. Im Allgemeinen wird hier nicht ausreichend differenziert. Wir treffen überall einen Begriffswirrwarr an. In den USA spricht man vorwiegend von der IT-Branche. Aber diese Definition reicht nicht aus, denn es sind ja auch internetgetriebene Online-Geschäfte, Plattformen und digitale Geschäftsmodelle einzubeziehen, die nicht reine IT sind. Andererseits haben sich klassische IT-Segmente wie die Mikroelektronik vor und unabhängig vom Internet entwickelt. Die Grenzen zwischen den beiden Segmenten zeichnen sich am deutlichsten in den Marktbewertungen ab: Die I/SD-getriebenen Geschäfte weisen aufgrund ihrer hohen Wachstumsraten sehr viel höhere Börsen-Multiples aus. Diese Grenzen sind zweifellos nicht ganz scharf zu ziehen, da auch innerhalb der Segmente ständig neue Wachstumsimpulse und Reifeprozesse zu beobachten sind.

Das I/SD-Segment bezeichnet die Branche, um die derzeit gerungen wird, das eigentliche »Krisengebiet«. In dieses Feld lassen sich Unternehmen einordnen, damit kann diese Branche auch bewertet werden. Die Gewichtsverhältnisse zwischen den USA, China und Deutschland liegen heute etwa bei 16 zu 4 zu 1. Andere Vergleiche stützen diese Gewichtsverhältnisse. Dies kennzeichnet die dramatische Lage, in der sich Deutschland befindet. Der europäische Verbund hilft uns dabei kaum, denn die anderen Länder bringen zu wenig auf die Waagschale, die europäischen Aktivitäten sind fragmentiert und die Zusammenarbeit ist eher schwach.

Dieses Buch setzt sich zudem mit den treibenden Technologien auseinander, die hinter I/SD stehen. Auch hier gibt es nur wenig Gemeinsamkeiten, wie diese zu definieren und voneinander abzugrenzen sind. Dazu werden in diesem Buch Systematiken angeboten. Im Zentrum steht zweifellos derzeit die sogenannte »künstliche Intelligenz« – mit ganz unterschiedlichen Verständnissen, was unter diesen Begriff fällt und was nicht. Landläufig wird mit den Begriffen fahrlässig umgegangen, gerade auch in den USA. Dies birgt letztlich das Risiko zu Fehlallokationen bei Entwicklungsinvestitionen. China hat dafür ein Investitionsprogramm von 300 Mrd. USD verabschiedet. Die aus der I/SD-Industrie der USA bereitgestellten Investitionen dürften sich in ähnlicher Größe bewegen. Europa legt dagegen 20 Mrd. € auf die Waage, Deutschland gerade mal 3 Mrd. €. Vielleicht kann jede einzelne Milliarde bei uns fokussierter auf die »neue« KI ausgegeben werden als in den USA und in China, denn der Börsenwert der »Big...