Suchen und Finden

Titel

Autor

Inhaltsverzeichnis

Nur ebooks mit Firmenlizenz anzeigen:

 

Dieser Kuss verändert alles

Dieser Kuss verändert alles

Alison Roberts

 

Verlag CORA Verlag, 2020

ISBN 9783733729387 , 130 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

Geräte

1,99 EUR

Mehr zum Inhalt

Dieser Kuss verändert alles


 

1. KAPITEL

Wenn Blicke töten könnten …

Dr. Anna Bartlett geruhte endlich, im OP zu erscheinen, und wirkte alles andere als begeistert, dass Luke ohne sie angefangen hatte.

Natürlich hatte er ihre Nachricht erhalten, dass sie in der Notaufnahme aufgehalten wurde, weil sie bei einem schwer verletzten Unfallopfer eine Thorakotomie durchführen musste. Aber was erwartete sie? Dass er die Operation verschob, bis sie hier auftauchte?

Bestimmt nicht. Sein Patient wartete schon zu lange darauf. Außerdem hatte Luke nicht ahnen können, wie lange Dr. Bartlett mit dem Notfall beschäftigt sein würde. Deshalb hatte er das einzig Logische getan – und sich einen anderen Assistenten besorgt. Kinderherzchirurg James Alexander hatte Zeit gehabt und war gern bereit gewesen, dem zurückgekehrten leitenden Chefarzt der Abteilung zur Seite zu springen.

Luke war achtzehn Monate weg gewesen, und in der Zeit hatte James am Krankenhaus St. Piran angefangen. Er wohnte ganz in der Nähe, seine Frau Charlotte arbeitete als Oberärztin in der Kardiologie. Das war nur eine von vielen Veränderungen, die Luke bei seiner Rückkehr vorgefunden hatte … schwer vorstellbar, dass er einmal Teil dieser Welt gewesen war. Aber er hatte auf schmerzhafte Weise erfahren müssen, dass sich das Leben von einer Minute zur anderen schlagartig veränderte.

Erschüttert durch den Tod seines jüngeren Bruders hatte Luke beschlossen, als Arzt zur Armee zu gehen. Damals war ihm klar, dass nichts mehr so sein würde, wie es war, und doch war er wieder da, am selben Platz, im selben Job.

Um die Scherben seines alten Lebens aufzusammeln und zu kitten?

Wenn es ihm selbst schon merkwürdig vorkam, so war es kein Wunder, dass Anna Bartlett in ihm einen Störenfried sah. Jeder hier im Krankenhaus hatte gewusst, dass seine Stelle nur vorübergehend neu besetzt worden war, doch augenscheinlich hatte niemand damit gerechnet, dass er schon so bald aus dem Kriegsgebiet zurückkehren würde. Vielleicht hatte Anna insgeheim gedacht, er käme vielleicht gar nicht wieder?

Obendrein war es nicht das erste Mal, dass Luke ihr einen Posten wegschnappte. Vor drei Jahren, als es um die Leitung der Herzchirurgie ging, hatte man sich gegen sie und für ihn entschieden.

Oh ja, das könnte den tödlichen Blick erklären, mit dem sie ihn bedachte, als sie nun den OP betrat. Einen Schritt vom Team entfernt, das sich um den OP-Tisch versammelt hatte, blieb sie stehen. Sie trug Mundschutz und sterile Kleidung und hielt die Hände sorgsam vom Körper weg.

Anna Bartlett war schlank und für eine Frau sehr groß. Und auch wenn ihre grünen Augen ihn im Moment an harte, ungeschliffene Smaragde erinnerten, so waren es Augen, die ein Mann nicht so schnell vergaß. Das Gleiche galt für ihre Haltung. Dr. Bartlett stand vollkommen ruhig da, eine Ärztin, die sich ihrer Kompetenz bewusst und zu eiserner Disziplin fähig war.

Das hatte James vorhin im Waschraum auch zu ihm gesagt. Die Chirurgin galt als erfahren und nahezu penibel, eine Frau, die keine Kompromisse machte, wenn es um das Wohl ihrer Patienten ging. Single, und das freiwillig. Wahrscheinlich, weil kein Mann mit dem Beruf mithalten konnte, dem sie sich mit Leib und Seele verschrieben hatte.

„Sie ist gut“, hatte James hinzugefügt. „Sehr gut. Sie können sich freuen, dass sie als Ihre Assistentin dableibt. Mit dem Ruf, den sie sich hier erworben hat, könnte sie überall hingehen.“

Jetzt begrüßte James sie als Erster. „Anna! Das ging aber schnell.“ Er warf ihr einen prüfenden Blick zu und runzelte die Stirn. „Nichts mehr zu machen, hm?“

„Nein.“ Der Versuch, einen Notfallpatienten zu retten, war fehlgeschlagen. Mit einem einzigen Wort hakte Anna Bartlett das Thema ab und wandte sich dem nächsten zu. „Möchten Sie, dass ich übernehme?“

„Wenn Luke nichts dagegen hat, gern. Eigentlich hätte ich längst Visite machen müssen, und heute Nachmittag habe ich eine volle OP-Liste.“ James verschloss mit dem Elektrokauter ein Blutgefäß und blickte dann auf. „Luke? Haben Sie Anna schon kennengelernt?“

„Nein.“ Seine Antwort war genauso lakonisch wie ihre.

Er fuhr mit der langen, vertikalen Inzision in der Brust des Patienten fort und sah nicht auf, bis James sich vorbeugte, um die Blutung zu kontrollieren.

Anna stand jetzt näher am Tisch. Der Mundschutz bedeckte ihre untere Gesichtshälfte, und ihre Haare waren von der grünen Kappe verborgen. Luke sah nur diese ausdrucksvollen grünen Augen – und den vorwurfsvollen Ausdruck darin.

Okay, schon verstanden, dachte er grimmig. Gestern hätte er sie kennenlernen sollen, die Frau, die ihn anderthalb Jahre lang vertreten hatte. Aber er musste sich mit einem Wasserrohrbruch herumschlagen und hatte außerdem Probleme mit dem Stromanschluss, nachdem sein Haus so lange leer gestanden hatte. Deshalb konnte er sein Handy nicht aufladen, als der Akku den Geist aufgab.

Dr. Bartlett hatte nicht gewartet, obwohl er höchstens eine Dreiviertelstunde später kam als verabredet. Stattdessen war sie nach Hause gegangen, ohne ihm eine Nachricht zu hinterlassen, von seiner OP-Liste für heute einmal abgesehen.

Und jetzt erdolchte sie ihn mit Blicken, obwohl sie zu spät war! Hätte er ihr den roten Teppich ausrollen sollen? Nun, für solche Mätzchen hatte er keine Zeit.

„Wenn Sie assistieren wollen, sollten Sie jetzt anfangen“, sagte er scharf. „Ich unterbreche meine Operationen nicht gern, und ich ziehe es vor, dann anzufangen, wann ich es für richtig halte.“

Betretenes Schweigen breitete sich aus, als James zurücktrat und Anna seinen Platz einnahm. Luke wandte sich an die Instrumentierschwester, die neben dem Rollwagen stand.

„Sternumsäge, bitte.“

Sie zuckte unter dem herrischen Ton zusammen, reichte ihm aber schnell das Gewünschte. Gleich darauf zerstörte das hohe Sirren der Säge die Stille im OP.

Das also war Luke Davenport.

Der Kriegsheld, von dem sie in den letzten Tagen so viel gehört hatte. Nicht genug damit, dass sie als bisherige Leiterin der Abteilung ins zweite Glied zurücktreten musste, so rieb nun jeder Salz in die Wunde, indem er ihr erzählte, wie großartig Luke war. Ein hoch talentierter Chirurg. Ein tapferer Soldat. Ganz allein hatte er seine Kameraden aus tödlicher Gefahr gerettet, nachdem sie unter Beschuss geraten waren. Hatte sie aus dem brennenden Fahrzeug gezerrt und trotz seiner komplizierten Beinfraktur Erste Hilfe geleistet, bis Verstärkung kam.

Anna zweifelte nicht daran, dass er dazu fähig war. Ein Blick in seine Augen hatte ihr gezeigt, dass Luke Davenport genauso ehrgeizig und willensstark war wie sie. Zwei feine senkrechte Falten zwischen den dunklen Brauen verstärkten noch den intensiven Ausdruck dieser unglaublich blauen Augen. Unwillkürlich hatte Anna kurz den Atem angehalten.

Dass er sie wie eine Medizinstudentin behandelte, passte ihr zwar nicht, aber es überraschte sie auch nicht. Dieser Mann hatte Dinge gesehen, die sie sich nicht einmal ansatzweise vorstellen konnte.

Alle waren glücklich, dass er wieder da war. Anna hingegen hatte Mühe, ihre Enttäuschung zu verbergen. Aber sie lächelte und tat, als wäre sie heilfroh über die Chance, einem solchen Helden assistieren zu dürfen.

Kein Wunder, dass der Kerl ein Ego von hier bis zum Mond hatte. Er hatte es gestern nicht einmal für nötig gehalten, sich persönlich vorzustellen. Sie war wenigstens so höflich gewesen und hatte ihn benachrichtigt, dass sie nicht pünktlich zur OP kommen konnte. Und wie reagierte er darauf? Mit einem Tadel, vor dem gesamten Team! Ich unterbreche meine Operationen nicht gern. Anna hörte wieder seine tiefe Stimme und die scharfen, fast feindseligen Worte. Luke Davenport war es nicht nur gewohnt, Befehle zu geben, sondern auch, dass sie ausgeführt wurden!

Anna war schon niedergeschlagen gewesen, weil sie trotz aller Anstrengungen das Leben des Notfallpatienten nicht hatte retten können. Aber jetzt sank ihre Stimmung auf den Nullpunkt. Aus früherer Erfahrung mit schwierigen Situationen wusste sie, dass es nur eins gab, um wieder aus diesem Tief zu kommen: Sie musste sich auf ihre Arbeit konzentrieren. Ausschließlich auf ihre Arbeit.

Was in diesem Fall nicht schwer war. „Du meine Güte“, entfuhr es ihr, als die Rippenspreizer positioniert waren und den Grund für diese Operation freilegten. „Sehen Sie sich das an.“

Das Perikard, die Membran, die das Herz wie ein Beutel umschloss, war zu einem dicken weißen Panzer geworden. Diese Vernarbung, Folge einer Virusinfektion, hinderte das Herz daran, normal zu schlagen, und Luke würde eine Perikardektomie vornehmen, um die harte Schicht vom Herzgewebe zu entfernen. Es war ein hoch komplizierter Eingriff, den Anna schon oft gesehen, aber noch nie selbst durchgeführt hatte.

Sie hätte es vorgezogen, erst einen Bypass zu legen, um den Eingriff am ruhenden Herzen vorzunehmen. Luke hingegen ersparte dem Patienten die Risiken, die mit dem Anschluss an eine Herz-Lungen-Maschine verbunden waren. Das bedeutete jedoch, dass er das Skalpell am schlagenden Herzen führen musste.

„Ihre Untersuchungen haben das Ausmaß der Verkalkung gezeigt.“ Luke klang erstaunt nach ihrem überraschten Ausruf. „Es ist ein Wunder, dass das Herz überhaupt funktioniert.“

„Vor drei Wochen ist er bei der Arbeit zusammengebrochen. Vorher gab es nicht die geringsten Anzeichen, wie ernst sein Zustand ist.“

Anna beobachtete, wie Luke das Skalpell ansetzte. Das scharfe Instrument verschwand fast in seiner großen Hand, aber er...