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Marken- und Produktpiraterie - Strategien und Losungsansatze zu ihrer Bekampfung

Marken- und Produktpiraterie - Strategien und Losungsansatze zu ihrer Bekampfung

Marcus von Welser, Alexander González

 

Verlag Wiley-VCH, 2020

ISBN 9783527821594 , 350 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz DRM

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61,99 EUR

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Marken- und Produktpiraterie - Strategien und Losungsansatze zu ihrer Bekampfung


 

A. Entwicklung


I. Von den Anfängen zum Massenphänomen


1

Während das Problem Produktpiraterie zunächst hauptsächlich die Luxusartikelindustrie traf und sich die Fälscher darauf beschränkten, Kleidung und Accessoires wie Handtaschen, Uhren und Sonnenbrillen zu fälschen, sind heute sämtliche Industriebereiche betroffen. Von einfachen Produkten wie Kugelschreibern bis hin zu Hightech-Produkten wird inzwischen fast alles nachgebaut. Viele Erzeugnisse der Hochtechnologie treffen bereits kurze Zeit nach ihrem Markteintritt auf ihr deutlich billigeres Pendant aus Fernost. Dabei schrecken die Fälscher auch vor sicherheitsrelevanten Bereichen nicht zurück. Nach einer jährlich von der Europäischen Kommission veröffentlichten Statistik wurden im Jahr 2018 insgesamt 69 354 Beschlagnahmefälle in der Europäischen Union gemeldet. Dabei wurden über 26 Millionen gefälschte Artikel durch die Zollbehörden beschlagnahmt.1 Die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) und das EUIPO (European Union Intellectual Property Office) haben in einer im Jahr 2019 veröffentlichten Studie das Volumen des weltweiten Handels mit Piraterieware im Jahr 2016 auf 509 Milliarden US-Dollar geschätzt.2 Nach dieser Studie hat sich der Anteil der Piraterieware am Welthandel in den Jahren 2013-2016 von 2,5% auf 3,3% gesteigert. Eine weitere Studie von EUROPOL und EUIPO aus dem Jahr 2019 hat die jährlichen Verluste für einzelne ausgewählte Industriesektoren in der EU untersucht.3 Nach Schätzungen soll der jährliche wirtschaftliche Verlust für einige Branchen teilweise im zweistelligen Milliardenbereich (in Euro) liegen. Beispielsweise soll der jährliche wirtschaftliche Verlust für die EU-Wirtschaft im Bereich Kleidung, Schuhe und Accessoires bei über 26 Milliarden Euro liegen (vgl. Abbildung 1.1).

2

Die deutsche Generalzolldirektion meldete im Jahr 2018 insgesamt 37 698 Grenzbeschlagnahmefälle für Deutschland.4 Dabei wurden über 5 Millionen Produkte beschlagnahmt. Der Gesamtwert der von den deutschen Zollbehörden beschlagnahmten Waren lag im Jahr 2018 bei über 196 Millionen Euro.5 In manchen Jahren wird die Statistik überproportional von einzelnen Beschlagnahmeaktionen beeinflusst. Im Jahr 2006 berichtete beispielsweise die Oberfinanzdirektion Hamburg von einem Fall, in dem 117 Container mit Plagiaten beschlagnahmt werden konnten. Bei der Beschlagnahmeaktion, die sich über mehrere Monate erstreckte, wurden über 1 Million Paar gefälschter Turnschuhe, etwa 75 000 gefälschte Uhren, gut 120 000 gefälschte Textilien sowie zahlreiche weitere Plagiate aufgefunden. Die den Fälschungen entsprechenden Originale hatten nach Auskunft der Oberfinanzdirektion Hamburg einen Handelswert von 383 Millionen Euro. Diese hohen Grenzbeschlagnahmezahlen sind nicht nur auf den Anstieg der Produktpiraterie, sondern auch auf die wachsenden Aufmerksamkeit zurückzuführen, die Unternehmen diesem Problem widmen. So stieg die Anzahl der Grenzbeschlagnahmeanträge in der EU von 981 im Jahr 2000 auf 34 931 im Jahr 2017.7 Das Diagramm in Abbildung 1.2 zeigt die zahlenmäßige Entwicklung der Grenzbeschlagnahmeanträge in der EU von 2014 bis 2017.

Abbildung 1.1: Jährliche wirtschaftlicher Verlust pro Industriezweig in Millionen Euro (Quelle: EUIPO/EUROPOL)6

3

Kaum ein Produkt erscheint zu banal, um nicht Fälscher anzuziehen. So berichtete das Zollfahndungsamt Hamburg in einer Presseerklärung über die Beschlagnahme von über 5 000 Europaletten. Die mit einer gefälschten Kennzeichnung versehenen Paletten wiesen eklatante Mängel auf und verstießen gegen das Gerätesicherheitsgesetz. Aufgrund von Konstruktionsfehlern hätten die gefälschten Europaletten die Last, für die Original-Europlatten ausgelegt sind, nicht tragen können und hätten daher beim Beladen ein erhebliches Sicherheitsrisiko dargestellt. Häufiger geraten jedoch technologische Erzeugnisse ins Visier von Produktpiraten. Nicht selten liegt den Nachbauten staatliche Wirtschaftsspionage oder private Wirtschaftsausspähung zugrunde. Neben den Bundessicherheitsbehörden (Bundesnachrichtendienst, Bundeskriminalamt, Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) informieren unter anderem auch die Landesverfassungsämter über dieses Phänomen und geben Hilfestellung bei der Entwicklung von Abwehrstrategien.8 Informationen finden sich auch auf der Internetseite der Europäischen Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums, die dem EUIPO angegliedert ist.9

Abbildung 1.2: Grenzbeschlagnahmeanträge in Tausend (Quelle: Europäische Kommission)

II. Ursachen


4

Die Zunahme der Produktpiraterie hat mehrere Ursachen. Zum einen ist die Herstellung von Piraterieware in aller Regel billiger als die Herstellung von Originalware. Zum anderen können Produktfälscher nicht selten Preise erzielen, die an die Preise der Originalware heranreichen. Durch die Einsparung von Kosten für Forschung, Entwicklung und Marketing sowie die Zahlung niedrigster Löhne können Produktfälscher sehr billig produzieren und ihre Waren dann zu hohen Preisen, oft zum Preis der Originalprodukte verkaufen. Aufgrund der hohen Gewinnspannen zieht die Piraterie das organisierte Verbrechen an, das über ausreichend Kapital und erprobte Organisationsstrukturen verfügt. Hinzu kommt, dass das Risiko der Rechtsverfolgung nicht nur in den bekannten Herstellerländern, sondern auch in der Europäischen Union nach wie vor eher gering ist. Dies ist auch dem Umstand geschuldet, dass viele Rechteinhaber die Möglichkeiten der Rechtsverfolgung nicht ausschöpfen. Oft sind sich die Unternehmen des Ausmaßes der Fälschungen eigener Produkte überhaupt nicht bewusst. Der unerwünschte Know-how-Transfer von den Rechteinhabern auf die Fälscher wird dadurch begünstigt, dass sich manche Unternehmen – in der Hoffnung, Kosten zu sparen – auf abenteuerliche Joint Ventures in Billiglohnländern einlassen. Schließlich erleichtert das Internet die Anbahnung von Geschäften. Insbesondere Online-Plattformen bieten Produktpiraten nahezu ideale Vertriebswege. Die Anonymität der Anbieter bietet einen – vermeintlichen – Schutz vor rechtlicher Verfolgung. Der einfache Zugang über das Internet ermöglicht es Verbrauchern, nicht nur während des Urlaubs beim Straßenhändler Fälschungen zu erwerben, sondern auch vom heimischen Wohnzimmer aus. Kopiert werden in aller Regel nur erfolgreiche Produkte, die sich bereits im Markt etabliert haben.

5

Erzeugnisse bekannter Hersteller werden nicht selten von verschiedenen Nachahmern kopiert. So wurde beispielsweise der Einkaufskorb der Halfar System GmbH schon von mehreren Fälschern nachgeahmt (vgl. Abbildung 1.3).

Abbildung 1.3: Korb von Halfar System GmbH und Nachahmung (Quelle: Halfar System GmbH)

6

Der Originalkorb der Halfar System GmbH ist geschützt durch das EU-Design 712468-0001.

7

Nicht anders erging es der Vielzweckschere aus dem Hause der ZWILLING J.A. Henckels AG. Auch hier tauchen immer wieder – unterschiedlich detailgetreue – Fälschungen auf.

Abbildung 1.4: Original Vielzweckschere (Quelle: ZWILLING J.A. Henckels AG)

Abbildung 1.5: Fälschungen der Vielzweckschere (Quelle: ZWILLING J.A. Henckels AG)

8

Die niedrigen Produktionskosten insbesondere in China ermöglichen es den Produktpiraten, erhebliche Gewinnspannen zu realisieren. Die OECD und das EUIPO haben in einer im Jahr 2019 veröffentlichten Studie China als das mit Abstand wichtigste Herkunftsland herausgestellt.10

III. Formen


9

Piraterie tritt in verschiedenen Formen auf. Zum einen lässt sich danach unterscheiden, welche Rechte betroffen sind. So verletzen manche Produktfälschungen beispielsweise Patente, Gebrauchsmuster, Urheberrechte oder eingetragene Designrechte / Geschmackmuster ohne allerdings eine fremde Kennzeichnung zu übernehmen. Andere Produkte verletzen allein die Markenrechte. Zuweilen wird die Wortmarke nicht übernommen, sondern lediglich die Aufmachung eines Produktes nachgeahmt.

10

Die Terminologie im Bereich Produktpiraterie ist oft nicht einheitlich. Neben Fälschungen ist oft die Rede von Raubkopien und Plagiaten. Die Begriffe sollten allerdings auseinander gehalten werden. Raubkopien sind urheberrechtlich unzulässige Vervielfältigungen von Software, Musik und Filmen. Als Plagiate werden demgegenüber in aller Regel Nachahmungen von designrechtlich oder urheberrechtlich geschützten Produktgestaltungen bezeichnet.

11

Kein Unterfall der Produktpiraterie sind die so genannten Parallelimporte. Dabei handelt es sich um solche Waren, die vom Originalhersteller in Drittländern auf den Markt gebracht wurden und unter Verstoß gegen gesetzliche...