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Die Glaubenskriegerin - Ich kämpfte um Allahs Aufmerksamkeit und fand Gottes liebevollen Blick

Die Glaubenskriegerin - Ich kämpfte um Allahs Aufmerksamkeit und fand Gottes liebevollen Blick

Esther Ahmad, Craig Borlase

 

Verlag SCM Hänssler im SCM-Verlag, 2020

ISBN 9783775174756 , 336 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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15,99 EUR

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Die Glaubenskriegerin - Ich kämpfte um Allahs Aufmerksamkeit und fand Gottes liebevollen Blick


 

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Eins


Ich wurde in dem Augenblick, als ich auf diese Welt kam, verwundet. Nicht, dass es ein Problem bei meiner Geburt gegeben hätte – ich kam stark und gesund zur Welt, mit einem Schrei, der laut genug war, um die Bäume erzittern zu lassen. Auch mit meiner Mutter war alles in Ordnung. Sie weinte vor Freude, als sie mich sah, nahm mich an ihre Brust und blickte liebevoll auf mein volles schwarzes Haar und meine großen Augen. Sie hieß mich willkommen, wie sie ihre ersten beiden Babys empfangen hatte, als diese vor einem beziehungsweise zwei Jahren geboren worden waren.

Die Wunde kam von meinem Vater. Er wollte einen Sohn. Ich war seine dritte Tochter.

Als meine Mutter zum ersten Mal ein Mädchen zur Welt brachte, hatte er es als Allahs Willen akzeptiert. Beim zweiten Mal war er schon etwas zurückhaltender gewesen. Aber drei Töchter zu bekommen? Das war nicht gut. Warum war er noch nicht mit einem Sohn gesegnet worden? Wie konnte ein Mann sein Haupt stolz erheben, wenn seine Frau ihm nichts als Töchter schenkte?

Statt mich nach meiner Geburt zu besuchen und mir einen Namen zu geben, wie er es bei meinen Schwestern getan hatte, weigerte er sich, mich zu sehen. Er kümmerte sich nicht um meine Mutter und betrachtete mich nicht voller Stolz. Er ging nicht in die Moschee, um zu beten oder den Ulema einzuladen, uns zu Hause zu besuchen, wie jeder gute Vater es tun sollte. Im Gegensatz zu meinen Schwestern und den anderen Kindern, die in unserer Nachbarschaft geboren wurden, bekam ich keinen Besuch von einem Gelehrten. Niemand flüsterte den Gebetsruf in meine neugeborenen Ohren, um mich darüber zu informieren, dass es keinen Gott außer Allah gibt und Mohammed der Bote Gottes ist.

Stattdessen vergrub sich mein Vater in seiner Arbeit. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang war er in der Stadt unterwegs, um Gewürze zu kaufen und zu verkaufen, wie auch sein Vater es vor ihm getan hatte. Wenn er spätabends nach Hause kam, mied er bewusst das Zimmer, in dem meine Mutter weinte, umgeben von Verwandten und Freunden, die vergeblich versuchten, sie zu trösten. Er ignorierte die Tränen meiner Mutter und die behutsamen Hinweise der Leute, die ihm rieten, nicht verärgert zu sein und zu akzeptieren, dass auch eine dritte Tochter ganz klar Allahs Wille war.

Nach drei Tagen gab er nach. Er ging ins Schlafzimmer, wo meine Mutter mich leise stillte. »Die Geschäfte laufen gut«, sagte er, um seinen Sinneswandel zu erklären. »Vielleicht will Allah mich ja doch segnen.«

Er erkundigte sich nach dem Wohlbefinden von meiner Mutter und mir, dann wandte er sich wieder zum Gehen. »Wir werden sie Zakhira nennen«, sagte er, als er zur Tür hinausging.

Obwohl ich mit einem Namen aufwuchs, der »Reichtum« bedeutete, fühlte ich mich wie eine Bettlerin. Die Geschichte von meinen ersten drei Tagen verfolgte mich überall, wo ich hinging. Es war das Erste, was die Leute erwähnten, wenn ich ihnen begegnete. Ich hörte irgendwann auf, zu zählen, wie oft ich von meiner Mutter bei einem Treffen mit der erweiterten Familie vorgestellt wurde und hörte: »Ah, das ist also das Mädchen, das dein Mann nicht ansehen wollte, he?«

Der Klang ihrer schnalzenden Zungen, während sie im Tratsch schwelgten, drehte das Messer in meinem Innern um. Von meinem Vater nicht geliebt zu werden war eine Sache, aber die Tatsache, dass alle anderen es wussten, machte die Wunde nur noch tiefer.

Je älter ich wurde, desto mehr Fragen stellte ich Allah. Meine Schwestern verhöhnten mich regelmäßig, weil ich diejenige war, die mein Vater nie wollte. Und wenn ich mich neben ihnen zum Gebet kniete, presste ich mein Gesicht in die muffig riechende Matte und betete im Stillen, während sich meine Augen mit Tränen füllten. Warum hatte mein Vater mich nicht akzeptiert? Warum hatte Allah mich zu einem Mädchen gemacht? Warum wurde ich von meinem ersten Atemzug an bestraft?

Ich bekam nie eine Antwort.

Stattdessen begann ich, die Gefühle zu benennen, die sich in mir regten. Leere. Einsamkeit. Rastlosigkeit. Gab es nichts, was ich tun konnte, um meinen Vater dazu zu bringen, mich zu sehen?

Meine Mutter wurde erneut schwanger und gebar in die offenen Arme meines Vaters den Sohn, den er immer gewollt hatte. Auch ein weiteres Mädchen kam hinzu und es gab Zeiten, in denen es schien, als würden sich die Dinge für mich endlich ändern. Zum Beispiel gab es eine Phase, in der mein Vater uns Kinder eins nach dem anderen mit auf den Markt nahm. Er war absolut fair und – wann immer ich an der Reihe war – erlaubte er mir, das Huhn auszusuchen, das wir abends essen würden, oder die Gewürze, die meine Mutter zu Hause benötigte.

»Ich weiß, dass du eine gute Wahl treffen wirst, Zakhira«, sagte er dann zu mir. »Du bringst Glück. Du hast mir viel Geld eingebracht.«

So wertvoll diese Erinnerungen auch sein mögen, was sich mir am meisten einprägte, waren die anderen Gespräche, die auf dem Markt stattfanden. Immer, wenn wir auf einen seiner alten Freunde trafen, starrten sie mich an und fragten: »Wer ist das? Ist das die Dritte? Die, die du nicht ansehen wolltest?«

Mein Vater sagte nie, dass es ihm leidtat, und ich sprach auch nie mit ihm oder meiner Mutter darüber. Es war nicht die Art von Gespräch, das ein Mädchen in Pakistan mit ihren Eltern hat. Ich hatte keine andere Wahl, als selbst mit meinem Schmerz fertigzuwerden.

Das Beten half. Ich lernte, mir nachts die Decke über den Kopf zu ziehen und zu Allah zu rufen. Ich flüsterte dabei in meiner eigenen Sprache, Urdu, während mir die Tränen über die Wangen flossen.

Als ich sieben Jahre alt war, kam ich in die Schule, wie meine älteren Schwestern vor mir. Dort stieß ich unerwartet auf eine ganz neue Möglichkeit, mit meinen Problemen umzugehen: Ich entdeckte, dass ich meinen Vater stolz machen konnte. Schon nach einigen Unterrichtswochen wurden meine Eltern zu einem persönlichen Treffen mit meinem Lehrer eingeladen. Ich saß neben meinem Vater und meiner Mutter und hatte den Blick auf meine Füße gerichtet, während meine Beine von der Stuhlkante herunterbaumelten.

Ich hörte, wie der Lehrer ausführlich berichtete, was für eine gute Schülerin ich sei: »Sie ist sehr brav, immer respektvoll und sehr ordentlich. Sie ist die Schlauste in ihrer Klasse und sorgt gerne dafür, dass die anderen Mädchen still sitzen und mich nicht stören.«

Ich blickte auf und sah, dass meine Mutter mich anstarrte. Durch den Schlitz in ihrem Schleier konnte ich ihre Augen tanzen sehen und ich wusste, dass sich unter dem schwarzen Stoff ein Lächeln verbarg, das so breit war wie ein Ozean. Doch es war die Reaktion meines Vaters, die mich am meisten überraschte.

»Ja.« Er sah den Lehrer geradewegs an und breitete seine Hände weit aus, als wollte er ein Geschenk entgegennehmen. »Wir sind sehr stolz auf sie.«

Seine Stimme klang finster, doch seine Worte waren wie Honig für mich. Ich konnte fühlen, wie sie tief in mich eindrangen, wohltuend und heilend.

Es überraschte mich nicht, dass er mich während jenes Treffens kein einziges Mal ansah und die Worte meines Lehrers auch nie gegenüber anderen erwähnte. Es überraschte mich nicht, dass meine Schwestern mich später an diesem Tag erneut und mit noch größerem Eifer ärgerten. Doch ich schwor mir, besser zu werden und noch fleißiger zu arbeiten. Vielleicht würde mich mein Vater dann endlich ansehen.

Mein Verhältnis zu meiner Mutter war sehr eng, vielleicht deshalb, weil mein Vater so kalt und distanziert war. Sie und ich unterhielten uns ununterbrochen. Ich liebte es, nach Schulschluss neben ihr herzulaufen, während sie sich ihren Weg durch das Chaos und die Farben des örtlichen Marktes bahnte. Dann duckten wir uns gemeinsam in ein niedriges Gebäude, vorbei an den dünnen Vorhängen, die in der Türöffnung hingen. Diese Vorhänge markierten das Ende der Außenwelt und den Beginn des Königreichs meiner Mutter. Dort, in jenem Raum mit niedriger Decke, erhellt von Lampen, die leise über unseren Köpfen summten, führte meine Mutter ihre Schneiderei.

Es war ein magischer Ort. Ich pflegte mich auf einen Stuhl direkt neben sie zu setzen und mich mit großen Augen umzusehen, während meine Mutter und ihr Team aus zwei weiteren Frauen zwischen Bergen von leuchtend bunten Stoffen dasaßen. Der Raum war erfüllt von endlosen Flüssen aus Seide und Baumwolle, Schachteln mit Knöpfen und dem konstanten Rattern der drei elektrischen Nähmaschinen. Sie waren alt und verbeult, doch sie konnten wahre Wunder vollbringen. Sie verwandelten lebloses Material in Kleider, die genauso schön waren wie die, die ich in Zeitschriften sah.

Ich wollte unbedingt so viel wie möglich über diese Maschinen lernen. Ich löcherte meine Mutter mit Fragen über ihre Funktionsweise. Ich war ein wenig enttäuscht, als meine Mutter mir das Pedal zeigte, das den Motor startete und stoppte. Bis zu jenem Punkt hatte ich wirklich geglaubt, die Maschinen hätten ein Eigenleben. Doch ich kam bald über diese Enttäuschung hinweg und begann meine Mutter anzuflehen, mir zu erlauben, eine der Maschinen selbst auszuprobieren.

»Wenn du älter bist«, sagte sie. Sie führte mich zu einem Kleid, an dem nur noch die Knöpfe fehlten. »Zuerst musst du lernen zu nähen, wie ich es gelernt habe.«

Es kamen nie Männer durch den Vorhang herein. Auch meine älteren Schwestern besuchten die Werkstatt nur selten und ich kann mich nicht erinnern, dass mein Bruder je kam. Manchmal musste ich die Aufmerksamkeit meiner Mutter mit meiner jüngeren Schwester teilen, aber das war nicht so schlimm. Es gab genug Magie für uns beide in diesem kleinen Raum.

Alle...