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Agile Werte leben - Mit Improvisationstheater zu mehr Selbstorganisation und Zusammenarbeit

Agile Werte leben - Mit Improvisationstheater zu mehr Selbstorganisation und Zusammenarbeit

Robert Wiechmann, Laura Paradiek

 

Verlag dpunkt, 2020

ISBN 9783960889212 , 268 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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32,90 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Agile Werte leben - Mit Improvisationstheater zu mehr Selbstorganisation und Zusammenarbeit


 

2Ruf zum Abenteuer


»Die ganze Welt ist eine Bühne,

und alle Frau’n und Männer bloße Spieler.

Sie treten auf und gehen wieder ab,

sein Leben lang spielt mancher eine Rolle,

durch sieben Akte hin.«

William Shakespeare, Dramatiker

Essay: Ein Instrument macht noch keine Musik

David Cummins, Geschäftsführer Ministry Group

Mal angenommen, Sie möchten zu Hause mehr Musik haben. Sie gehen also los und kaufen einige Instrumente. Würden Sie anschließend sagen, dass Sie eine musikalische Familie haben, weil Sie jetzt ein Cello, ein Klavier, eine Gitarre und eine Bassdrum besitzen und vorhaben, noch ein Akkordeon zu kaufen? Natürlich nicht. Ich habe aber den Eindruck, dass die Instrumente viel zu häufig als Musik verkauft werden.

Angenommen, Sie wünschen sich eine musikalische Familie. Und Sie kennen eine andere Familie in Ihrer Stadt, die sehr musikalisch ist. Bitten Sie diese Familie um Rat, welche Instrumente Sie kaufen sollen? Oder finden Sie selbst heraus, welche Musik Ihre Familie gerne spielen würde und wählen die Instrumente entsprechend aus? Wenn Sie Ihre Instrumente dann haben, können Sie natürlich von anderen lernen, wie man sie spielt. Sie können darüber lesen, Unterricht bei Musiklehrern nehmen und mit anderen sprechen, die schon länger als Sie das Instrument spielen. Aber wenn Sie schließlich mit Ihrer Familie zusammen spielen, ist das, was dabei herauskommt, völlig individuell, hoffentlich schön und sehr wahrscheinlich unerwartet.

Ich habe von Teams und Unternehmen gehört, die agil wurden – also eine agile Denkweise angenommen haben –, indem sie bestimmte Methoden und Tools implementiert haben. Dies ist aus meiner Sicht jedoch sehr selten der Fall und üblicherweise nur bei Softwareunternehmen zu beobachten, deren Produkte es zulassen, mit Standardverfahren zu beginnen. Ich persönlich hinterfrage nach wie vor, inwieweit eine agile Einstellung auf diese Weise etabliert werden kann.

Die weite Verbreitung von agilen Methoden in den letzten eineinhalb Jahrzehnten führt dazu, dass viele sie für den Schlüssel zu Agilität halten. Es gibt in der agilen Community eine Redewendung, die diesem Irrglauben entgegenwirkt: »Man tut nicht agil, man ist agil.« Um es in anderen Worten zu sagen: Agilität ist eine Denkweise. Und eine Denkweise wird von Prinzipien und Werten geprägt.

Das 2001 veröffentlichte Agile Manifesto enthielt keine Anleitung für Methoden, sondern begann mit Glaubenssätzen (Dingen, die die Autoren im Vergleich zu anderen Dingen mehr wertschätzen) und wurde durch eine Liste von agilen Prinzipien ergänzt.

Vielleicht hatten wir bei Ministry Glück, als wir damit anfingen, mit unseren digitalen Projekten agil zu werden. Glück, weil keine der Methoden, die sich aus der agilen Bewegung entwickelt hatten, zu der Art von Projekten passte, die wir auf dem Tisch hatten. Als wir anfingen, uns mit agilen Praktiken zu beschäftigen, waren wir eine kleine Digitalagentur, die meistens mehrere Projekte gleichzeitig entwickelte. Eine Person war üblicherweise über einen Zeitraum von mehreren Wochen oder Tagen in mehreren Projekten involviert und hatte mit unterschiedlichen Teams zu tun. Scrum einzusetzen funktionierte hier nicht.

Um eine agile Denkweise zu entwickeln, mussten wir uns die Prinzipien genau anschauen und überlegen, was sie für uns bedeuten und wie wir Prozesse entwickeln können, die es uns ermöglichen, agil zu arbeiten. Die Prinzipien, die wir für uns aus dem Manifest abgeleitet haben, sind: Einbeziehung, Verpflichtung, Vertrauen, Mut zur Veränderung, iterative Prozesse, kontinuierliche Verbesserung und autonome Entscheidungen.

Warum, Was, Wie

Bevor Sie damit beginnen, eine agile Denkweise zu etablieren, ist es wichtig, dass Sie Ihre Beweggründe kennen (das Warum). Sie möchten nicht agil werden, weil alle anderen es sind oder weil man es eben macht. Wahrscheinlich möchten Sie agil werden, weil Sie glauben, dass Agilität Ihrem Unternehmen dabei hilft, besser, innovativer und effektiver in dem zu werden, was das Unternehmen tut.

Für mich persönlich bedeuten unabhängigere Teams, die gute Entscheidungen treffen, effektiver arbeiten und dabei zufriedener sind, bessere Produkte sowie mehr und zufriedenere Kunden.

Egal, um was für Produkte es sich handelt: Was Sie tun, sollte Wert schaffen – für Ihre Kunden, aber auch für Sie selbst und vielleicht auch für die Gemeinschaft und die Welt. Geld verdienen (der Standardzweck eines Unternehmens) ist auch eine Form von Wertschöpfung. Sie ist jedoch für die Kunden wenig interessant und für die Teammitglieder nicht besonders motivierend. In einer agilen Denkweise ist die Wertschöpfung für Kunden und Mitarbeiter des Unternehmens ein fester Bestandteil der Werte und Prinzipien.

Das Wie befasst sich dann nicht damit, was beim Agilwerden offensichtlich erscheint (die Implementierung von Methoden), sondern es geht um die Werte selbst. Die Werte zu leben, sie zu verinnerlichen, ist der Weg, um agil zu sein. Die Frage »Wie machen wir es?« kann dann mit den Worten »mit Vertrauen«, »mit Engagement« oder »mutig« beantwortet werden.

Nur mit einem tieferen Verständnis für das Warum, Was und Wie kann das Team beginnen, auf wirklich agile Weise zu handeln. Das bedeutet auch, nach neuen und besseren Möglichkeiten zu suchen, damit zu experimentieren und sie zu testen, um Werte für den Kunden zu schaffen.

Vertrauen, Einbeziehung und Verpflichtung zu fördern, ist wirksamer, als (beispielsweise) auf einem täglichen Stand-up-Meeting zu bestehen. Wenn verstanden wird, dass wir von allen Teammitgliedern Input brauchen und auf allen Ebenen des Unternehmens zusammenarbeiten müssen, kann dies zu täglichen Stand-ups führen oder zu etwas noch Besserem, das dem aktuellen Bedarf entspricht.

Der wichtigste Wert: Vertrauen

Agilität als eine Möglichkeit zu betrachten, mit der mehr Wert geschaffen werden kann, führt dazu, dass ein Teil der Kontrolle aufgegeben wird, da diese Kontrolle das Erzielen der besten Ergebnisse einschränkt. Die Kontrolle abzugeben bedeutet nicht, die Kontrolle zu verlieren. Kontrollverlust bedeutet, keine Kontrolle mehr zu haben, was zu Chaos führt. Kontrolle abzugeben bedeutet, dass die Kontrolle weiterhin existiert, jedoch nicht mehr an einem einzigen Punkt.

Hierfür müssen wir auf allen Ebenen Vertrauen haben. Die Vorgesetzten müssen den Teammitgliedern vertrauen, und die Teammitglieder müssen den Vorgesetzten, sich gegenseitig und sich selbst vertrauen. Damit dies funktioniert, braucht das Team die notwendigen Informationen, Mittel und die Berechtigung, um gute Entscheidungen treffen zu können.

Da Vertrauen der zentrale Wert ist, um agil zu werden, und keiner der anderen Werte sich ohne Vertrauen entwickeln kann, führt Vertrauen wie ein roter Faden durch alle anderen Werte. Vertrauen tritt nicht im luftleeren Raum auf und etabliert sich nicht über Nacht, nur weil wir sagen, dass es so sein sollte. Ohne Mut, Offenheit, Einbeziehung, Fokus, Respekt, Kommunikation und Feedback kann Vertrauen nicht gefördert werden und nicht wachsen. Und ohne Vertrauen kann keiner der anderen Werte keimen und gedeihen.

Die Werte und Prinzipien in der echten Welt etablieren

Leider ist es nur selten möglich, Prinzipien und Werte einfach dadurch zu etablieren, dass man sie ausspricht. Das Verkünden des Vorhabens ist der erste Schritt, auf den aber sofort die Untersuchung der Systeme und Strukturen folgen müssen. Es gibt offenkundige Strukturen, die geändert werden müssen, um Werte leben zu können.

Bei Ministry war es zum Beispiel fast unmöglich, Verpflichtung zu leben, da viele verschiedene Projektteams Forderungen an Einzelpersonen stellten. Unsere strukturelle Veränderung war die Schaffung interdisziplinärer Teams, die jeweils die gleichen Projekte und Verpflichtungen hatten.

Gleichzeitig ermöglichten unsere sogenannten X-Teams die Einbeziehung der Teammitglieder in die gesamten Projekte, während Aufgaben zuvor wie mit einem Förderband an verschiedene Disziplinen übergeben worden waren. Jetzt machten Preisschätzungen und Projekt-Features den Anfang, weiter ging es mit Design und Entwicklung, und alle Disziplinen waren über das Projekt informiert und hatten Einfluss auf die Ergebnisse.

Die Einbeziehung des Kunden und iterative Prozesse haben dazu geführt, dass wir das Blackbox-Gefühl ablegen konnten, das viele Kunden in der Vergangenheit erlebt hatten. Gemeinsam mit dem Kunden wird bis zum Launch und häufig darüber hinaus jede Phase eines Projekts konzipiert, entwickelt und mit der Realität der Bedürfnisse und Wünsche abgeglichen....