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Young God - Kriminalroman

Young God - Kriminalroman

Katherine Faw, Jürgen Ruckh

 

Verlag Polar Verlag, 2020

ISBN 9783945133965 , 228 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz DRM

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10,99 EUR

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Young God - Kriminalroman


 

EINS


NIKKI IST AM AUSFLIPPEN. Vor ihr springt ein Junge vom Felsen. Sie äugt über den Rand, sieht ihm nach.

»Nikki.«

Sie krümmt ihre Zehen. Der Fluss ist träge und gelb, windet sich meilenlang neben dem Feldweg, bevor er sich plötzlich in Stromschnellen verwandelt und sich weiß und blasig über diesen Felsvorsprung ergießt.

»Nikki.«

Achtzehn oder zwanzig Meter unter ihr ist das Schwimmloch.

»Nikki.«

»Wie tief geht’s da runter?«

»Dreißig Meter.«

Wesley hockt zu ihren Füßen. Er will seinen Schwanz in sie stecken. Nikki zieht alle ihre Falten im Bikini glatt, er hat ein kräftiges Pink. Hat Mama gehört. Aber jetzt ist Mama zu alt, um ihn zu tragen. Nikki ist seit ewigen Zeiten dreizehn.

»Springst du?«, sagt Wesley.

»Nikki«, sagt Mama.

Nikki stemmt ihre Hände in die knochigen Hüften.

»Was?«

»Du«, sagt Mama.

Mama zeigt auf Nikki.

»Musst dort runter.«

Mama deutet auf die Schultasche.

»Damit er und ich.«

Mama zeigt mit dem Finger auf sich und Wesley.

»Springen können.«

Sie lässt ihren Finger vom Felsen stürzen.

»Jetzt.«

Mama ist unten am Rand des Schwimmlochs. Nikki ist es schummrig, als sie zu Wesley zurücksieht. Zu ihrer Linken kriechen die Berge wie ein langsames blaues Tier. Es sind nur die Ausläufer. Uneben und grün.

Letzten Sommer ist hier ein kleines Mädchen gestorben. Sie ist von der falschen Stelle gesprungen. Als sie den Fluss absuchten, fand man sie eingeklemmt in einer Höhle. Mama hat das Nikki auf dem Weg hierher erzählt. Hat sich dabei umgedreht und Nikki auf dem Rücksitz wie ein seltsames Wesen angesehen. Wie sie es immer tut, wenn sie ihre Tochter ansieht. Der Kopf des kleinen Mädchens war zerschmettert wie ein von einem Hund zerbissener Basketball, hat Mama gesagt.

»Du musst da drüben runter«, sagt Wesley.

»Ich weiß«, sagt Nikki.

»Dann tu es.«

Wesley schlägt seine Bierdose gegen einen Strauch, der aus einer Felsspalte wächst. Das hier ist die Absprungstelle. Es klappt nur von hier, von nirgendwo anders. Nikki geht in die Knie und setzt einen Fuß nach dem andern. Noch ein großer Schritt und sie greift nach dem Strauch. Jetzt schleudert der Fluss seinen weißen Schaum nach ihr.

»Ich springe zuerst.«

»Nein«, sagt Nikki.

»Nimm einfach den Weg runter«, sagt Wesley.

»Nein.«

»Nikki«, sagt Mama.

»Gott«, sagt Nikki.

Da sie sterben wird, hätte sie es gern, dass man sich an sie erinnert und von ihr auf der Rückbank im Auto spricht und dabei erschaudert. Das stellt sich Nikki vor. Sie lässt den Strauch los und steht auf.

»Nikki.«

Sie rutscht einen Schritt nach vorne und springt.

»SCHEISSE, SCHEISSE, SCHEISSE«, sagt sie.

SIE KRACHT IN DAS SCHWIMMLOCH. Sinkt, als ob sie Gewichte an den Beinen hätte, bis sie sich erinnert, dass sie ja strampeln kann. Nach Luft schnappend kommt sie hoch, und tastet ihren ganzen Kopf ab. Der Fluss lässt jeder Hexe die Titten gefrieren. Fröstelnd schaut sie zum Wasserfall hoch und lacht in sich hinein. Es sind mindestens sechzig Meter, denkt sie.

Wesley ist ein Strichmännchen, das den ganzen langen Fall hinunterstrampelt. Seine Shorts blähen sich. Sein Schreien wird laut. Sein Aufklatschen wirft einen Schwall kaltes Wasser über Nikkis Kopf. Sie kreischt.

Sie schwimmt von ihm weg. Wesley drückt ihr mit einer Hand den Kopf unter Wasser, hält ihn dort. Sein Bauch hat das haarige Gelb jedes anderen Umrisses, den sie vage sehen kann. Sie tritt gegen ihn. Versucht ihm die Shorts zu den haarig gelben Knien hinunterzuziehen.

Nachdem er sie hochlässt, spritzt er ihr eine Ladung Wasser ins Gesicht. Dann treibt er grinsend auf dem Rücken weg. Sie schwimmt ihm nach. Schiebt sich aus dem Wasser und packt ihn am Kopf. Er drückt ihr die Taille und sie quiekt.

»Hör auf«, sagt Nikki.

»Nikki«, sagt Mama.

Nikki schlingt ihre Beine um Wesley. Dann windet sie sich von ihm los. Sobald er frei ist, taucht er ab. Schwimmt zum Ufer. Nikkis Rücken bekommt von einem Springer einen Schwall ab.

»Pass auf«, blafft sie.

Langsam schwimmt sie Wesley hinterher.

»Was zum Teufel war das?«

»Was?«, sagt Nikki.

Nikki zieht sich ans Ufer hoch. Ein Haufen Felsbrocken.

»Du hast mich rufen hören«, sagt Mama.

Nikki schüttelt sich den Fluss aus ihrem Haar und schaut sie nicht an. Wesley ist schon eine ganze Weile am Ufer, genauso lang, wie Nikki gebraucht hat, um hierher zu schwimmen, teils in Rückenlage, teils unter Wasser. Wesley lümmelt neben Mama.

»Setz dich auf diese Tasche.«

Nikki setzt sich genau dort hin, wo sie gerade steht. Ihr Hintern küsst den Fels.

»Du kannst von Glück sagen, dass ich noch nicht das Jugendamt gerufen habe«, sagt Mama.

»Mir egal«, sagt Nikki.

Aber Mama ist schon am Gehen. Nikki sieht ihr nach, wie sie in Richtung der Bäume läuft, hinter denen der Fußweg liegt. Zuhause hatte Mama das sauerste Gesicht der Welt gemacht, als Nikki mit dem pinken Bikini aus dem Bad kam.

»Was stimmt mit ihr nicht?«, sagt Nikki.

Sie lehnt sich auf ihre Hände gestützt zurück. Wesley schnippt seine Zigarette über den Uferrand.

»Pass auf die Tasche auf«, sagt er.

Wesley lässt sich Zeit, Mama hinterherzugehen. Er nimmt die Arme hoch und faltet die Hände über dem Kopf. Aus ihm könnte etwas werden, denkt Nikki. Aber er ist noch zu jung. Sie rutscht zu der Schultasche hinüber. Sie überlegt sich, wie es wäre, sie ins Wasser zu werfen und wie die beiden ausflippen würden.

Sie spürt, dass ein Mann sie beobachtet. Ihr Puls beschleunigt sich. Aber als sie schaut, ist es nur ein kleiner Junge.

»Was?«, sagt sie.

Oben auf dem Felsen tauchen Mama und Wesley aus den Bäumen auf.

»Hau ab«, sagt Nikki.

Sie winkt. Mama ist nicht nah genug am Strauch, obwohl sie an der Kante steht und hinuntersieht, sich dabei das Bein kratzt.

»Mama«, sagt Nikki.

Mama tut, als ob sie nicht hören kann und wendet ihr den Rücken zu, um mit Wesley zu reden. Nikki verdreht die Augen.

Von hier unten sieht der Wasserfall nicht besonders hoch aus. Nicht mehr als zwanzig Meter, denkt Nikki. Jemand springt ab und rudert mit den Armen, und sie zuckt nur die Schultern. Mama lacht über etwas von Wesley. Ihre Ferse rutscht zuerst weg.

Sie versucht sich zu fangen, aber da ist kein Busch zum Festhalten. Mama fällt die Felswand herunter, nicht den Wasserfall. Bevor sie mit einem riesigen Klatsch ins Wasser fällt schlägt ihr Kopf gegen zwei Felszacken.

Rings um Nikki wird die Luft weggesaugt.

MÄNNER WATEN in das Schwimmloch. Nikki sieht ihnen zu. Sie sieht den Wasserfall hinter ihnen.

Wesley greift die Schultasche und zieht sie am Arm hoch. Er sagt etwas.

»Los! Los! Los!«

Er zieht sie den Feldweg lang.

Nikki will Mama nicht sehen, egal ob ihr Kopf wie ein Basketball aussieht, den ein Hund zerbissen hat oder nicht.

SIE STARRT SICH IM SPIEGEL des Badezimmerschranks an. Sie hat sich ein Tuch um Mund und Nase gebunden, sodass nur ihre Augen heraussehen.

»OH. MEIN GOTT.«

Zwei Mädchen stöhnen im Fernseher. Wesley guckt immer nur Girlie-Pornos. Er sieht aus, als ob er schläft, aber als sie ihm ihre Hand aufs Knie legt, öffnet er die Augen. Sie liegen Seite an Seite auf der Couch.

Nikki klettert ihm auf den Schoß. Wesley starrt sie an. Weil seine Pupillen klein wie Stecknadelköpfe sind, haben seine Augen das grünste Grün. Er berührt ihr Haar.

»Das Pink gefällt mir.«

Mit Kool-Aid Brausepulver gefärbt. Nikki küsst ihn. Sie streckt die Zunge heraus. Die Mädchen in ihrer Wohngruppe sagen, es sei schlecht, ohne Zunge zu küssen. Er schiebt sie an den Hüften vor und zurück. Nach einer Weile macht er ihr die Shorts auf und lässt sie aufstehen und sie...