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Schatten über der Insel

Schatten über der Insel

George Tenner

 

Verlag epubli, 2020

ISBN 9783750279322 , 284 Seiten

2. Auflage

Format ePUB

Kopierschutz DRM

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4,99 EUR

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Schatten über der Insel


 

2. Kapitel


 

Mittwoch, 6. Juli 2005

 

Lasse Larsson bummelte die Heringsdorfer Friedensstraße entlang. Zurzeit hatte er etwas Luft. Die Aktenberge waren soweit abgearbeitet, dass Kriminalhauptkommissarin Inge Mohaupt mit ihrer Tochter in Urlaub fahren konnte. Nächste Woche würden die beiden an einen schönen Sonnenstrand nach Bulgarien fliegen. Larsson konnte das nicht verstehen. Für ihn gab es keinen besseren Strand mit viel Sonne, als den auf Usedom. Vor der Buchhandlung blieb er wie angewurzelt stehen. Die Gorki-Buchhandlung verkaufte auch Zeitungen. Er schaute auf das Bild, das ihn von einem der Blätter entgegenstarrte und auf die Bildunterschrift: »Das beweist auch diese Satellitenaufnahme des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde.« Die gesamte Ostsee war abgebildet. Man konnte deutlich die grünen Schlieren sehen, die die Quallenbedrohung deutlich machten.

»Wegen des warmen Wassers entstehen erste giftige Algen«, las Larsson weiter, »und aufgrund der anhaltenden Hitze dürfen die Wälder bei Warnstufe 4 auf Darß und Zingst nicht mehr betreten werden. Die für Usedom zuständige Landrätin Dr. Barbara Syrbe erwägt, diesem Schritt zu folgen. Ein riesiger Algenteppich, der inzwischen so groß ist wie Deutschland, hat auch Usedom erreicht! Droht Badeverbot in der Ostsee?«

Als Larsson aufschaute, sah er, wie eine Frau auf der anderen Straßenseite ihn interessiert beobachtete. Obwohl er ihr eine ganze Zeit den Rücken zudrehte, hatte er ihren Blick instinktiv gefühlt. Bevor er die Straße überquert hatte, war ihm die brünette Frau schon einmal aufgefallen. Sie mochte Mitte vierzig sein, sah gepflegt und ordentlich gekleidet aus. Was sie von anderen Leuten unterschied, war die etwas laute Sprechweise, die sie zu ihrem Begleiter pflegte. Sie schienen einen Meinungsunterschied auszutragen. Larsson hatte das nicht sonderlich interessiert. Aber nun stand die Frau auf der anderen Straßenseite und starrte ihn unvermittelt an.

Larsson ging einige Schritte weiter. Als er sich wieder nach der Frau umdrehte, sah er, dass sie über die Straße auf ihn zukam. Er blieb stehen und wartete. »Sie meinen nicht etwa mich?«, fragte Larsson und lächelte ihr entgegen.

»Ich habe eine Empfehlung von einem Freund erhalten, der mir sagte, dass sie ziemlich erfolgreich Fälle aufklären. Sie sind doch Kriminalhauptkommissar Larsson?«

»Ja, das bin ich. Sieht man mir das an?«

»Haben Sie einen Moment Zeit für mich?«, fragte die Frau in dringlichem Ton, ohne auf seine scherzhafte Frage einzugehen.

Larsson taxierte sie noch einmal. Obwohl er nach wie vor den Eindruck hatte, dass sie zu laut auftrat, hatte sie nun sein ungeteiltes Interesse. »Wer bitte hat mich Ihnen empfohlen?«

»Der Direktor des Flughafens.«

»Hans-Jürgen Markmann?«

»Ja, wir kommen immer mit dem Flugzeug aus Köln. Einmal hatte ich ein Problem mit verloren gegangenem Gepäck und war völlig verzweifelt. Da hat er mir sehr geholfen. Wir hatten uns ein Haus gekauft, das unmittelbar am Flughafen lag. Es ist im vorigen Monat leider abgebrannt.«

Larsson dachte an die Brandserie, die Usedom seit einiger Zeit heimsuchte. »Die Brände werden von den Anklamer Kollegen bearbeitet. Damit haben wir in Heringsdorf nichts zu tun.« Aus den Augenwinkeln heraus sah er, dass ihnen der Mann, der mit der Frau gekommen war, in einigem Abstand folgte. »Gehe ich recht in der Annahme, dass der Mann zu Ihnen gehört?«

»Ja.«

»Und warum reden Sie dann allein mit mir?«

»Weil er mir davon abgeraten hat, mit Ihnen zu sprechen.«

Sie gingen langsam in Richtung des Maritim Hotels Kaiserhof, das nun nur noch wenige Meter entfernt vor ihnen lag.

»Haben Sie Zeit auf einen Kaffee?«, fragte die Frau.

»Ja, ich würde allerdings gern wissen«, sagte Larsson, »wer mit mir so unbedingt sprechen will.«

Die Frau lächelte ihn an. »Entschuldigen Sie bitte. Mein Name ist Inka Schröder.«

Sie gingen durch den Eingang in die Halle des Kaiserhofs. Die Tische im Foyer waren nur mäßig besetzt, sodass sie einen für sich allein hatten.

Kurze Zeit später kam ein Kellner an den Tisch.

»Nun, was für einen Kaffee möchten Sie, Frau Schröder«, fragte Larsson.

»Einen Cappuccino, bitte.«

Larsson gab die Bestellung auf. »Einen Cappuccino, bitte, und einen ganz normalen Kaffee.«

Der Direktor des Hotels ging durch das Foyer, sah zu Larsson herüber und nickte ihm grüßend zu. Die beiden Männer kannten und mochten sich.

»Sie hatten also ein Haus in der Nähe des Flughafens«, sagte Larsson, auf den Anfang ihres Gesprächs zurückkommend.

»In Zirchow, direkt am Haff. Eines dieser wunderschönen Reetdachhäuser. Wir haben es als Ferienhaus gekauft und für die Zeit, in der wir es nicht selbst bewohnten, zur Vermietung freigegeben.«

»Und das lohnt sich?«, fragte Larsson.

»Na ja. Wir hatten einen Teil der Kaufsumme finanziert. Und es reichte für die Zinsen und einen großen Teil der Abzahlung.«

Der Kellner kam und brachte den Kaffee.

Als er wieder weg war, sagte Larsson: »Diese Ferienhäuser kosten eine Menge Geld. Das kann sich nicht gleich jeder leisten.«

»Das Haus war versichert. Und wegen des Brandes will ich auch nicht mit Ihnen reden.«

»Wie ich schon sagte, für die Brandermittlung ist auch die Kriminalpolizei in Anklam zuständig«, betonte Larsson noch einmal.

»Damit hätte ich Sie auch nicht belästigt. Ich habe ein anderes Problem. Seit dem Brand ist meine Tochter Liisa verschwunden.«

Larsson dachte eine Sekunde nach. »Sie war nicht im Haus, als es brannte?«

»Nein, man sagte uns, im Haus waren zur Brandzeit allem Anschein nach keine Menschen.«

»Und das haben Ihnen die Ermittlungsbehörden gesagt?«

»Ja.«

»Wie hat man reagiert, als Sie sagten, dass Ihre Tochter seit dem Brand verschwunden ist?«

»Man hat gefragt, wie alt meine Tochter ist. Als ich sagte, dass sie gerade siebzehn geworden ist, hat man eine Vermisstenanzeige aufgenommen. Der Beamte meinte nur, dass Mädchen in diesem Alter sich des Öfteren selbstständig machen.«

»Hat Ihre Tochter einen Freund?«, fragte Larsson.

»Genau das hat Ihr Kollege Schubert auch gefragt.«

»Und, hatte sie?«

»Ja, aber der konnte nicht mit auf die Insel fliegen, weil er im Außenhandel arbeitet. Er ist zurzeit in den Staaten. Für Liisa ist das der erste Freund.«

»Und das wissen Sie sicher?«

»Ganz sicher«, sagte die Frau. »Wir haben vom Flughafen mit ihm in seinem Hotel in Boston telefoniert. Man hat uns auf sein Zimmer verbunden, und Liisa hat lange mit ihm gesprochen.«

»Ich kann ja in Anklam noch einmal nachfragen. Aber sonst kann ich leider nichts für Sie tun. Wo kann ich Sie denn erreichen?«

Die Frau nahm eine Visitenkarte aus der Tasche und sagte: »Über meine Handynummer erreichen Sie mich zu jeder Zeit. Wir haben uns eine Ferienwohnung in der alten Schule in Neu-Sallenthin genommen.«

Larsson winkte dem Kellner und verlangte die Rechnung. Obwohl sich die Frau dagegen wehrte, bezahlte Larsson die beiden Tassen Kaffee. Dann gingen sie gemeinsam zum Ausgang. Vor der Tür trafen sie auf ihren Mann, der sich in der Zwischenzeit wohl irgendwie die Zeit vertrieben hatte.

»Der Kommissar kann auch nichts machen«, sagte die Frau zu ihm.

»Das habe ich dir ja gleich gesagt. Du hättest den Mann damit nicht belästigen sollen. Schließlich haben die ja ihre Vorschriften.«

Mit einem »Einen angenehmen Aufenthalt noch!«, drehte sich Larsson um und ging die wenigen Meter zur Kriminalaußenstelle in der Seestraße. Kurz bevor er den Eingang zum Polizeirevier erreicht hatte, meldete sich sein Handy. Es war der Direktor des Heringsdorfer Flughafens.

»Weshalb ich dich anrufe, Lasse, ich habe dich einer Bekannten empfohlen, deren Tochter verschwunden ist. Vielleicht kannst du ja irgendetwas für sie tun.«

»Die Frau hat bereits mit mir gesprochen. Aber ich sehe eigentlich gar keine Möglichkeit, ihr zu helfen. Zuerst muss sie eine ordentliche Vermisstenanzeige aufgeben. Dann wird das von der zuständigen Fachabteilung in Anklam bearbeitet. Mehr kann ich dir gar nicht dazu sagen.« Larsson merkte, dass seine Antwort den Anrufer nicht richtig zufriedenstellte. Aber was sollte er machen? Nach einigen lapidaren belanglosen Sätzen über eine Flugvorführung des Clubs, die am Wochenende stattfinden sollte, beendeten sie das Gespräch.

In seinem Büro angekommen, wählte er die Telefonnummer Inge Mohaupts.

»Was machen die Urlaubsvorbereitungen«, fragte Larsson, nachdem sie sich gemeldet hatte.

»Sie laufen noch. Aber deshalb rufst du doch wohl nicht an«, lachte Inge.

Larsson fühlte sich ertappt. »Nein, nicht wirklich. Ist Schubert...