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Mission - Theologisch-praktische Quartalschrift 3/2020

Mission - Theologisch-praktische Quartalschrift 3/2020

Linz Die Professoren Professorinnen der Fakultät für Theologie der Kath. Privat-Universität

 

Verlag Verlag Friedrich Pustet, 2020

ISBN 9783791761763 , 112 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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9,99 EUR

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Mission - Theologisch-praktische Quartalschrift 3/2020


 

Michael Zugmann

„Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8)


Grundlegendes zur Mission im Neuen Testament

 Wie konnte sich nach der grausamen Hinrichtung Jesu bei den Aposteln und bei den Jüngerinnen und Jüngern eine Missionstätigkeit entwickeln? Was war die Botschaft, die sie in ihrer Umgebung und schließlich im ganzen römischen Reich verkündigen wollten? Auf diese Frage gibt Michael Zugmann anhand einer detaillierten Analyse von einschlägigen Stellen in den Evangelien, der Apostelgeschichte und den paulinischen Briefen eine klare Antwort, indem er aufzeigt, dass schon Jesus selbst die Apostel aussandte, den Anbruch des Reiches Gottes zu verkünden. Jesu Tod bedeutete aber nicht das Ende der Verkündigung, sondern die Erfahrung der Auferweckung Jesu drängte die Apostel und Jünger vielmehr dazu, die so beglaubigte Botschaft vom Reich Gottes in die Welt hinauszutragen. (Redaktion)

Christ ist erstanden, / Aus der Verwesung Schoß. / Reißet von Banden / Freudig euch los! / Tätig ihn Preisenden, / Liebe Beweisenden, / Brüderlich Speisenden, / Predigend Reisenden, / Wonne Verheißenden / Euch ist der Meister nah, / Euch ist er da!

(Faust I, 797–807)

 

Der Chor der Engel, den Goethes Faust in der Osternacht vernimmt, bringt auf den Punkt, wo Mission im Neuen Testament ihren Ausgang nimmt: Im Bekenntnis, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt und damit seine Botschaft vom Reich Gottes bestätigt hat.

„Wenn die primäre Gottesaussage der nachösterlichen frühesten Gemeinde die war, daß sie Gott als den pries, der Jesus von den Toten auferweckte, dann identifizierte sie damit den von Jesus her ihr bekannten Gott nunmehr mit dem Gott, der den wegen seines Gottesbildes gekreuzigten Jesus auferweckt hatte. Auferweckung Jesu hieß in diesem Zusammenhang also: Der in Jesu Auferweckung erfahrene Gott sagt zu Jesu Gottesbild ja und läßt die Jünger sich verstehen als solche, die diesen Gott weitertragen sollen.“1

Was Jesus zu verkündigen begonnen hat, will weitergetragen und verkündigt werden. Dementsprechend ist „Mission“, obwohl kein biblischer Begriff,2 doch der Sache nach in vielfältiger Weise in den neutestamentlichen Schriften präsent.

1 Die Aussendung der Jünger vor Ostern


Dass die urchristliche Mission an Jesu Botschaft und Praxis anknüpft, führen zunächst die Überlieferungen von der vorösterlichen Aussendung der Jünger in den Evangelien vor Augen.3 Schon die Einsetzung der Zwölf durch Jesus erfolgt, „damit sie mit ihm seien und damit er sie aussende, zu verkünden und mit Vollmacht Dämonen auszutreiben.“ (Mk 3,14 f.) – Aus dem Mit-Sein mit Jesus und seinen Taten und Worten sollen sie lernen, um dann selbst seine Rolle übernehmen zu können. Noch deutlicher ist das in der Aussendung der Zwölf (Mk 6,6b–13; Mt 10,1.5–14; Lk 9,1–6) und der 72 Jünger (Lk 10,1–16)4, die drei Aufträge erhalten: (1) Verkünden: Die Jünger schließen sich Jesu Verkündigung an, dass die Zeit erfüllt und Gottes basileia nahe ist (Mk 1,14 f.). Am Anfang jeder Mission steht also Jesu Evangelium vom Reich Gottes: „[…] der Herr Jesus machte den Anfang seiner Kirche, indem er frohe Botschaft verkündete, nämlich die Ankunft des Reiches Gottes […].“5 (2) Dämonen austreiben: Dieser Auftrag ist verbunden mit der Zusage, dass die Jünger wie Jesus an der göttlichen Vollmacht bzw. Wirkkraft (exousia) partizipieren. (3) Kranke heilen (Mt 10,8: Tote erwecken!): Wie für Jesus sind für seine Jüngerinnen und Jünger Exorzismen und Heilungen, Erfahrungen des Heils und konkreter Heilung, Realsymbole des angebrochenen Gottesreiches.6 Die drei Aufträge sind mit dem Aufruf zu Mittellosigkeit und sozialer Wehrlosigkeit verbunden: Die Jünger sollen kein Geld und keine Vorräte mitnehmen und „wie Schafe unter Wölfen“ sein. Dadurch wird ihr Gottvertrauen offenbar und ihre Botschaft glaubwürdig. Das Bildwort von der Sendung der Arbeiter in die große Ernte (Mt 9,37 par. Lk 10,2) schließlich stellt die Aussendung der Jünger in einen hoffnungsvollen Horizont, ohne mögliche Ablehnung oder Verfolgung zu verschweigen.

2 Die „Missionsbefehle“ des Auferstandenen


Noch bedeutsamer als die Überlieferungen von der vorösterlichen Aussendung der Jünger sind für die Begründung der christlichen Mission die Missionsbefehle7, welche die Evangelien dem Auferstandenen zuschreiben. Ihnen liegt an der Kontinuität zwischen irdischem Jesus, Auferstandenem und dem Wirken der Jüngerinnen und Jünger.

2.1 Matthäus: Mission erweitert den Kreis der Jesus-Jüngerinnen und -jünger weltweit


Mit dem in die Zukunft weisenden Manifest Jesu Mt 28,16–208 stellt Matthäus Mission und Kirche in die Kontinuität des Handelns Gottes an seinem Volk und der Geschichte Jesu. Dies zeigen die Situierung der Szene in Galiläa und der Verweis auf Jesu Vollmacht (exousia: Mt 7,29; 9,6; vgl. 11,27). Die Adressaten der Mission sollen Schüler (mathetai) Jesu werden, wie auch vorösterlich seine Anhängerinnen und Anhänger genannt wurden. Durch die Mission wird der Kreis der Jesus-Jüngerinnen und -Jünger erweitert; es werden Kirche gebaut und Gemeinden geschaffen:9 „Wenn die Jünger die Menschen aus den Völkern ihrerseits zu Jüngern machen sollen, heißt das, dass sie in dieselbe Nähe zu Gott gelangen sollen wie sie selbst. Es gibt keine Jünger erster und zweiter Klasse. […] durch die Taufe erhalten alle Gläubigen vollen Anteil an der Gemeinschaft mit Gott […].“10 „Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ streicht die Weisungen des messianischen Lehrers Jesus heraus. „Mission heißt ‚lehren‘, also das weiterführen, was der einzige Lehrer Jesus für seine Jünger tat. Inhalt der Missionsverkündigung sind die Gebote Jesu.“11 Mt 28,20 schließt mit der Zusage des dauernden Mit-Seins Jesu. Der Irdische wie der Auferstandene ist Immanuel: „Gott mit uns“ (Mt 1,23). „Seine Hilfe, seine Macht, seine Gebote und seine Lehre sind fortwährend Grundlage des Lebens.“12 – Bei all den Kontinuitätsfaktoren ist die Diskontinuität umso auffälliger. Jesu Vollmacht ist nach seiner Auferstehung entschränkt über Himmel und Erde. Der Missionsbefehl ist eine Wende: Gegenüber der bisherigen Beschränkung der Mission auf Israel (Mt 10,5; 15,21–28; 19,28) ist nach Ostern die universale Sendung der Jünger zu den Weltvölkern Programm.13

2.2 Lukas: Gottes Heilsplan erfüllt sich in der Verkündigung des Heils an alle Völker


Wie Mt 28,16–20 betont auch das lukanische Doppelwerk mit den Scharnierstücken Lk 24,36–49 und Apg 1,1–11 die Kontinuität zwischen irdischem Jesus, Auferstandenem und dem Wirken der Jüngerinnen und Jünger und die Mission unter allen Völkern. Ein besonderer Aspekt ist bei Lukas die heilsgeschichtliche Sicht der Mission. In der Verkündigung des Heils an alle Völker kommt das Heilsgeschehen zu seiner Erfüllung.

 

2.2.1 Lk 24,36–49 hebt die Kontinuität zwischen irdischem und auferstandenem Jesus mit Hinweis auf seine „leibliche Identität“ (V. 36–43) und die Identität der Botschaft hervor (V. 44–49).14 Diese Kontinuität ist eingebettet in ein größeres Kontinuum: den Heilswillen Gottes, der in Israels Schriften zum Ausdruck kommt und sich in Leiden und Auferstehung Christi erfüllt. Mehr noch – und das ist für unseren Zusammenhang bemerkenswert: „Das Heilsgeschehen, von dem die Schrift spricht, kommt […] nicht etwa schon mit Tod und Auferstehung des Messias zum Abschluss, sondern erst mit der Verkündigung des Heils an alle Völker (V. 47).“15 Lukas ordnet Mission in einen heilsgeschichtlichen Zusammenhang ein: Gottes Heilswille kommt dadurch ans Ziel, dass das Evangelium alle Völker zur Umkehr (metanoia) ruft und durch solch umfassende Neuorientierung Vergebung der Sünden, d. h. ein intaktes Gottesverhältnis ermöglicht. Die Verse 44–47 sind kein expliziter Missionsbefehl – „alles muss in Erfüllung gehen“ (V. 44) weist auf das Entscheidende: die göttliche Initiative. Der eigentliche Missionsbefehl ist denn auch denkbar kurz (V. 48): „Ihr seid Zeugen dafür.“ Die Apostel waren „von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes“ (Lk 1,2), verlässliche Zeugen des christlichen Kerygmas.16 Sie „sollen jetzt Zeugnis ablegen für das in Jesus erschienene Heil und sollen es durch ihre Predigt allen Völkern zugänglich machen.“17 Das ist nur mit der Kraft aus der Höhe möglich, die Jesus ankündigt (V. 49). Die Gabe des Geistes (Apg 2) als Agens der Mission kommt in den Blick.

 

2.2.2 Apg 1,1–11 schließt an die heilsgeschichtliche Perspektive des Lukasevangeliums an und spannt räumlich und zeitlich den Horizont der Mission und Kirche auf. Das Vorwort Apg 1,1–3 verweist auf das erste Buch, auf alles, „was Jesus anfing zu tun und zu lehren“18. Damit wird deutlich, dass es auch im zweiten Buch – der Apostelgeschichte – darum geht, was Jesus als der Auferstandene tut und lehrt, dass er immer noch am Werk ist, und zwar durch...