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SOS Krankenhaus - Strategien zur Zukunftssicherung

SOS Krankenhaus - Strategien zur Zukunftssicherung

Wolfgang Hellmann, Julia Schäfer, Gunda Ohm, Konrad Rippmann, Uta Rohrschneider

 

Verlag Kohlhammer Verlag, 2020

ISBN 9783170363786 , 367 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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52,99 EUR

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SOS Krankenhaus - Strategien zur Zukunftssicherung


 

2          Kooperatives Prozessmanagement in Zeiten des Fachkräftemangels – die Quadratur des Kreises?


Peter Stratmeyer, Knut Dahlgaard, Kirsten Kopke, Constanze Sörensen


Abstract


Der Beitrag greift die aktuellen Herausforderungen der Versorgung von Menschen mit komplexen gesundheitlichen Problemlagen auf, die an die Krankenhausorganisation und Kooperationen der Berufsgruppen erhöhte Anforderungen stellen. Das Modell des Kooperativen Prozessmanagements (KoPM®) bietet hierfür einen geeigneten Organisationsrahmen, der allerdings einen nicht unerheblichen Entwicklungsaufwand mit sich bringt. Die Erfahrungen zeigen, dass einzelne Maßnahmen des KoPM®-Ansatzes mit überschaubarem Aufwand die Patientenversorgung und die Leistungsprozesse verbessern sowie die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen.

Versorgungsanforderungen in Zeiten des demografischen Wandels


Erwartungen chronisch Kranker an die Krankenhausversorgung


Es lässt sich vermuten, dass sich die medizinische Versorgung in deutschen Krankenhäusern auf einem insgesamt zufriedenstellenden Qualitätsniveau befindet. Offensichtlich honorieren das auch die Patienten mit hohen Zufriedenheitswerten. Nur knapp 7 % befragter Patienten sahen ihre Erwartungen an das Krankenhaus als nicht erfüllt an. Dabei versteht sich von selbst, dass die Zufriedenheit umso höher ausfällt, je niedriger die Erwartungen an das Krankenhaus sind. Auffällig ist, dass die Erwartungen an die Qualität der Organisation und an das Management der Krankenhausversorgung deutlich geringer sind als an die fachliche Expertise und Kompetenz (Gehrlach und Güntert 2015). Es zeigt sich bei den zur fachlichen Qualitätsbewertung zugrunde gelegten Qualitätsindikatoren, dass sie derzeit mit der einzigen Ausnahme der Dekubitusinzidenz ausschließlich auf medizinische Outcomes orientiert sind (IQTIG).

Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Hinweisen, die eine differenziertere Qualitätsbeurteilung erforderlich machen. Aus dem Blickfeld geraten insbesondere diejenigen Patienten, die komplexe gesundheitliche Versorgungsprobleme aufweisen und sich nur zurückhaltend an Zufriedenheitsbefragungen beteiligen wollen oder sich aufgrund ihrer Einschränkungen gar nicht beteiligen können. Der Anteil älterer, multimorbider Patienten mit »multimodalen Versorgungsbedarfen« ist in den letzten 10 Jahren um 80 % gestiegen und hat mittlerweile die Zahl von zwei Millionen Patienten pro Jahr überschritten (Schönemann-Gieck et al. 2018). Es gibt Hinweise darauf, dass ein großer Teil dieser Gruppe in so instabilem Zustand aus Krankenhäusern entlassen wird, dass sich deren Selbständigkeit nach dem Krankenhausaufenthalt weiter verschlechtert und es in der Folge oftmals zu den sogenannten »Drehtüreffekten« kommt (Bauer et al. 2018). Offenbar werden die mit den gesundheitlichen Problemen assoziierten psychosozialen und lebenspraktischen Bewältigungsanforderungen systematisch vernachlässigt oder werden zu spät erkannt und bleiben in der Folge bei der Entlassplanung unberücksichtigt (Bauer et al. 2018).

Probleme der Unterversorgung werden durch ungeklärte Zuständigkeiten zwischen Sozialdiensten und Stationspflegepersonal verstärkt (Bauer et al. 2018). An der Überleitung in die Kurzzeitpflege lassen sich die Defizite beispielhaft charakterisieren (Bär et al. 2018):

•  Gerade in Anbetracht von immer kürzeren Krankenhausaufenthalten erfolgt die Initiierung der Überleitung viel zu spät.

•  Relevante Überleitungsinformationen werden unvollständig erhoben und sind für die Kurzzeitpflegeeinrichtungen dementsprechend lückenhaft.

•  Beratungen erfolgen bestenfalls reaktiv anstelle einer proaktiven aufsuchenden Unterstützung. Beispielsweise unterbleiben die für Patienten höchst wichtigen Informationen über ihren Selbstzahlungsanteil.

•  Die Therapie- und Medikamentenverordnungen der Patienten werden im Krankenhaus nicht ausgestellt, sodass die aufnehmenden Kurzzeitpflegeeinrichtungen eine geordnete Anschlussversorgung kaum oder nur mit sehr großem Aufwand und Kostenübernahmerisiko bewerkstelligen können.

Die Erwartungen von chronisch kranken Patienten an ihren Krankenhausaufenthalt und ihre Entlassung stehen zur Krankenhauspraxis im deutlichen Widerspruch. Die Patienten wollen Vertrauen in die Behandlung aufbauen können, da sie sich auf die fachliche Expertise der Akteure verlassen müssen. Sie wünschen sich einen achtungsvollen Umgang und ungeteilte Zuwendung. Die Patienten wollen keinen Zeitdruck spüren, keine Störungen und Unterbrechungen während des Kontakts mit ihnen. Sie wollen nicht, dass ihre Versorgung einseitig auf die Ausführung technischer Verrichtungen reduziert wird. Sie erwarten personelle Kontinuität und keine ständig wechselnden Ansprechpartner. Das Management der Krankenhausversorgung soll reibungslose Abläufe gewährleisten und unnötige Wartezeiten reduzieren. In der Gestaltung der Abläufe möchten Patienten ihre individuellen Bedürfnisse berücksichtigt sehen. Zu guter Letzt wollen sie eine Entlassung aus dem Krankenhaus, die eine kontinuierliche Weiterversorgung gewährleistet. Alle diese Erwartungen vermitteln den Patienten das Gefühl der Sicherheit (Prinzen 2008). Prinzen mahnt daher einen Wechsel von der anbieter- zur nutzerorientierten Qualitätsperspektive an, damit es gelingt, die Bedürfnisse chronisch Kranker besser zu erfassen.

Nutzung des Pflegepotentials für die Menschen mit komplexen Versorgungsproblemen


Die Pflegenden sind grundsätzlich auf die Wahrnehmung von komplexen Versorgungsproblemen zur Unterstützung der Patienten im Prozess der Krankheitsbewältigung orientiert ( Abb. 2.1).

Abb. 2.1: Pflegeoptionen bei der Unterstützung der Krankheitsbewältigung von Patienten

Die Krankenhausrealität wird diesem Anspruch einer bedarfsgerechten, qualitativ hochwertigen und für Mitarbeiter zufriedenstellenden Versorgung nicht gerecht. Zwar ist in das Zentrum der öffentlichen und politischen Aufmerksamkeit gerückt, dass aktuell immer mehr Pflegepersonal fehlt. Kaum debattiert wird leider über den Bedarf an Pflege-, Organisations- und Personalkonzepten, die das pflegerische Potenzial für Patienten mit intensiven und komplexen Pflegebedarfen angemessen nutzen. Auf diese Weise können weder engagierte Pflegende an die Krankenhäuser gebunden noch hochqualifizierte, zunehmend akademisch ausgebildete Pflegende für die Versorgung »am Bett« gewonnen werden, wenn sie kein attraktives, eigenverantwortliches und herausforderndes Tätigkeitsfeld vorfinden. Es können auch keine Pflegeassistentinnen ohne Überforderung sinnvoll eingesetzt werden (Rieder-Hintze 2018).

Obwohl in den Jahren 1997 bis 2007 nach massivem Stellenabbau von knapp 50.000 Vollkräften in der Krankenhauspflege seit einigen Jahren wieder Stellen aufgebaut werden, sehen sich die Krankenhäuser zunehmend in eine prekäre Situation hineinmanövriert: Sie können die vorhandenen Stellen mangels Angebot vielerorts gar nicht mehr besetzen. Angesichts drohender Unterversorgung sieht sich die Politik aufgerufen, in die Selbstverwaltung und Selbstorganisation von Krankenhäusern und Krankenkassen einzugreifen.

Nach Pflegestellenförderprogrammen der vergangenen Jahre, aktuellen kurzfristigen Maßnahmen der Finanzierungszusage für eingestellte Pflegekräfte und angekündigten Personaluntergrenzen in sogenannten pflegesensitiven Bereichen ist der weitreichendste Systemeingriff die Herauslösung der Pflegeleistungen aus dem G-DRG-System ab dem Jahre 2020 (Wieteck 2018). Genau genommen handelt es sich bei diesem Vorhaben um das Eingeständnis, das Versprechen nicht eingelöst zu haben, mit dem DRG-System fallgruppenbezogen alle am Bedarf orientierten patientenbezogenen Leistungen in einem integrierten Versorgungsprozess zu bündeln.

Mit diesem Schritt wird die Chance vertan, das Fallgruppensystem so weiterzuentwickeln, dass bedarfsgerechte Pflegeleistungen Eingang finden. Zwei miteinander sehr eng verwobene Leistungsprozesse, die sich nicht unerheblich überschneiden, werden zukünftig wieder nach unterschiedlichen Personalbedarfsermittlungsverfahren berechnet. Damit droht die Gefahr, in alte, langsam überwundene berufsständische Abgrenzungsscharmützel zurück zu verfallen (Diemer 2019).

Sicherlich ist die Kritik am DRG-System durchaus berechtigt. Dennoch bietet die Grundidee einer alle Leistungen umfassenden Finanzierungspauschale auch die Chance, bedarfsorientierte interprofessionelle Versorgungsprozesse zu modellieren und sie als Ausgangspunkt für Prozess- und Strukturentwicklungen zu nehmen.

Internationale Studien belegen eindrucksvoll, dass ein Mehr an Personal nicht automatisch den Pflegeoutcome erhöht...