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Psychotherapie der Alkoholabhängigkeit - Ambulante und stationäre Therapie im Einzel- und Gruppensetting - Ein integratives Manual

Psychotherapie der Alkoholabhängigkeit - Ambulante und stationäre Therapie im Einzel- und Gruppensetting - Ein integratives Manual

Serge K. D. Sulz, Julia Antoni, Richard Hagleitner

 

Verlag Kohlhammer Verlag, 2020

ISBN 9783170368354 , 119 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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25,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Mehr zum Inhalt

Psychotherapie der Alkoholabhängigkeit - Ambulante und stationäre Therapie im Einzel- und Gruppensetting - Ein integratives Manual


 

Einführung in das Thema Alkohol – zuerst etwas Hintergrundwissen


 

 

 

Wir greifen auf die Informationen des Alkohol Atlas Deutschland 2017 zurück. Er wurde vom Deutschen Krebsforschungszentrum herausgegeben (Schaller et al. 2017).

Wir beginnen mit der Alkoholwerbung. Anders als in anderen Bereichen wird nicht mit der Qualität und den guten Eigenschaften der Produkte, also der Getränke geworben. Vielmehr handelt es sich um Image-Werbung. Es werden Fotos und Videos gezeigt, auf/in denen Menschen sich sehr wohl fühlen und der Betrachter sich identifizierend auf gleiche Weise wohl fühlen kann.

Es werden so viele Werbekanäle wie möglich benutzt: Sportveranstaltungen, Film und Fernsehen, soziale Medien. Über 500 Mio. Euro werden jährlich dafür ausgegeben.

Betrachten wir zuerst, was bei der Aufnahme von Alkohol im Körper des Menschen geschieht. Er wird zu 80 % vom Darm und zu 20 % vom Magen aufgenommen. Wo am meisten Blut hinfließt, entfaltet sich am schnellsten die Wirkung des Alkohols: im Gehirn. Die maximale Wirkung erreicht er nach einer Stunde. Wer gut gegessen hat, spürt den Alkohol nicht so schnell. Kohlensäurehaltige Alkohol-Getränke gelangen schneller in den Blutkreislauf (Sekt). Aspirin beschleunigt ebenfalls die Alkoholaufnahme. Da der Wasseranteil im Körper von Frauen geringer ist, kommt es bei Ihnen zu höheren Alkoholkonzentrationen. Dies trifft auch auf ältere Menschen und übergewichtige Menschen zu.

5 % des Alkohols werden unverändert ausgeatmet (Alkoholfahne) oder über Nieren und Haut ausgeschieden. 5 % werden schon im Magen abgebaut, die restlichen 90 % in der Leber. Zuerst entsteht das giftige Acetaldehyd, das krebserregend sein kann. Daraus entsteht Essigsäure und Acetyl-Coenzym A als Abbauprodukte.

Viele wollen wissen, wie schnell Alkohol abgebaut wird. Das sind 0,15 Promille pro Stunde. Die Rechnungen sind nicht ganz einfach, weil im Handel der Alkoholgehalt eines Getränks in Volumen Prozent angegeben wird, während in der Medizin in Gramm und Kilogramm gemessen wird. Ein Promille ist 1 g Alkohol pro Kilogramm Blut. Bei Männern ist der Blut-Alkoholgehalt die in Gramm aufgenommene Alkoholmenge geteilt durch das 0,7-fache des Körpergewichts. Im Internet gibt Angebote zur schnellen Berechnung. Eine kleine Flasche Bier (330 ml) enthält 12,3 g Alkohol. Ein Glas Wein (100 ml) enthält 8,8 g und ein Gläschen Weinbrand (20 ml) enthält 6 g. Ein Alcopop (275 ml) enthält 12,8 g. Die angegebene Menge Bier ergibt 0,2 Promille, der Wein 0,14 Promille und der Schnaps 0,1 Promille.

Wie wirkt Alkohol im Gehirn? Das Wohlgefühl entsteht über die Bindung an Rezeptoren wie GABA-, Glutamat-, Serotonin- und Acetylcholinrezeptoren. Der Dopaminspiegel wird erhöht, wodurch vermehrt Endorphine verfügbar sind. So tritt gleichzeitig Entspannung, Stressabbau und Stimulierung ein.

Ein leichter Rauschzustand besteht ab 0,5 Promille (Sehen und Hören sind dabei schon schlechter, Risikobereitschaft und Reizbarkeit können erhöht sein).

Ein mittlerer Rauschzustand besteht ab 1,0 Promille (lustig oder niedergeschlagen; Sprache, Gleichgewicht, Reaktionsfähigkeit und Orientierung sind schlechter).

Ein starker Rausch (ab 2,5 Promille) zeigt mangelnde Ansprechbarkeit, Erbrechen, fehlende Bewegungskoordination = starkes Torkeln).

Wir unterscheiden vier Vergiftungsstadien:

•  Erregung (0,2 bis 2,0 Promille = wohl gelaunt, enthemmt)

•  Hypnose (über 2,0 bis 2,5 Promille = müde, schlaff, auch aggressiv)

•  Narkose (über 2,5 bis 4,0 Promille = bewusstlos)

•  Asphyxie (über 4,0 Promille = Koma, meist tödliche Vergiftung).

Insgesamt nennt der Alkoholatlas Minderung bis Verlust von Kritikfähigkeit, Selbstkontrolle, Gedächtnis, Reaktionsfähigkeit, Sehfähigkeit, Motorik, Gleichgewichtssinn, Orientierungssinn, Sprechfähigkeit, Enthemmung, Stimmungsschwankungen, Aggressivität, Euphorie, Betäubung, Erregung, Angst, unangemessenes Sexualverhalten (ungewollte Schwangerschaften), Unfälle, Verge-waltigungen, Straftaten, Gewalttaten.

Es gibt Krankheiten, die direkt durch Alkohol verursacht werden:

•  Alkoholkrankheit

•  Pellagra

•  Pseudo-Cushing

•  Polyneuropathie

•  Myopathie

•  Kardiomyopathie

•  Gastritis

•  Lebererkrankung (Fettleber, Leberzirrhose)

•  Pankreatitis

•  Embryopathie

•  Abhängigkeit

•  Entzugssyndrom.

Bei über 200 weiteren Erkrankungen erhöht Alkohol das Erkrankungsrisiko erheblich.

13.000 Krebs-Neuerkrankungen waren im Jahr 2010 auf Alkoholkonsum zurückzuführen (deutscher Alkoholatlas 2017). Vor allem besteht ein erhöhtes Risiko, an Krebs der Speiseröhre, der Leber und des Darms zu erkranken. Dies kann durch fehlerhafte DNA-Methylierung geschehen. Auf die krebserregende Wirkung des Alkoholabbauprodukts Acetaldehyd wurde bereits hingewiesen. Indirekt über eine Beeinflussung der Hormonwirkung erhöht sich die Gefahr, an Brustkrebs zu erkranken (1,4-faches Risiko).

Hoher Alkoholkonsum der Schwangeren führt zum Fetalen Alkoholsyndrom mit lebenslangen körperlichen und psychischen Störungen für das Kind.

Bei Jugendlichen kommt es zu einer Abnahme des Gehirnvolumens und einer Verminderung der grauen Substanz (Anteriorer Cingulärer Cortex, Präfrontaler Cortex, Hippocampus, Nucleus accumbens, Kleinhirn). »Wer vor dem 15. Lebensjahr mit dem Trinken von Alkohol beginnt, hat eine viermal so hohe Wahrscheinlichkeit, abhängig zu werden als diejenigen, die erst ab 20 Jahren mit dem Trinken beginnen« (Alkoholatlas 2017, darin: Kapitel 2.6).

Somatische, psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol sind nach der Herzinsuffizienz die zweithäufigste Diagnose in der Bevölkerung. 2,3 % aller Todesfälle wurden im Jahr 2012 auf Alkoholkonsum zurückgeführt.

ICD 10 definiert Alkoholabhängigkeit so:

1.  Ein starkes Verlangen oder ein Zwang, Alkohol zu konsumieren

2.  Schwierigkeit, Beginn, Beendigung und Menge des Konsums zu kontrollieren

3.  Es sind zunehmend größere Mengen Alkohol erforderlich, um eine Wirkung zu erreichen

4.  Entzugserscheinungen, wenn weniger oder kein Alkohol mehr getrunken wird

5.  Trotz Folgeschäden wird der Alkoholkonsum fortgesetzt

6.  Andere Interessen werden immer mehr zugunsten des Alkohols vernachlässigt.

Das abhängige Verhalten wird erlernt

a)  durch die direkten positiven wohltuenden Wirkungen (positive Verstärkung)

b)  durch das Beenden von negativen Gefühlszuständen (negative Verstärkung).

Genetische, körperliche und soziale Faktoren begünstigen die Entstehung einer Alkoholabhängigkeit. Wenn ein Elternteil alkoholabhängig ist, ist das Risiko eines Kindes um das 4–5-fache erhöht.

Mäßiger und regelmäßiger Alkoholkonsum an sich macht aber nicht süchtig.

Junge Menschen und Männer allgemein werden häufiger alkoholabhängig. Die Statistik von 2012 ergab, dass es in Deutschland 1,7 Millionen Alkoholabhängige gibt. Zwei Drittel sind Männer.

Rauschtrinken (binge drinking), d. h. fünf oder mehr Gläser Alkohol pro Tag, wird für den Zeitraum der letzten 30 Tage von 37 % der erwachsenen Männer angegeben. Bei Frauen sind es 16 %. Einmal im Monat haben 20 % Frauen und 28 % der Männer einen Rausch, einmal pro Woche sind es 6 % der Frauen und 14 % der Männer. Alkohol im Straßenverkehr bleibt bis 0,5 Promille straffrei, wenn keine Fahrunsicherheit festgestellt wird. Wer mit 0,3 Promille Fahrunsicherheit aufweist, wird bestraft. Dies gilt auch für Radfahrer. Bei 20 % der Bevölkerung liegt ein problematischer Alkoholkonsum vor. Wegen der noch anhaltenden Gehirnentwicklung sollten Jugendliche überhaupt keinen Alkohol trinken.

Unser Gesundheitssystem wird jährlich mit 40 Mrd. Euro Kosten wegen schädlichen Alkoholkonsums belastet. Hinzu kommen dreimal so hohe Kosten für die Wirtschaft wegen alkoholbedingten Produktionsausfalls (120 Mrd.). Dagegen nimmt der Staat jährlich nur drei Mrd. Euro durch Alkoholsteuern ein.

Alkoholprävention kann durch Verhältnis-Prävention geschehen (Änderung der Alkoholkonsum begünstigenden gesellschaftlichen Verhältnisse wie die Einschränkung von Alkoholwerbung, Abgabeverbote und Steuererhöhungen) oder Verhaltensprävention (Veränderung des Trinkverhaltens durch...