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Mein Leben als Sohn des Teufels von Gusen - Kinder- und Jugendjahre im KZ - Autobiografie

Mein Leben als Sohn des Teufels von Gusen - Kinder- und Jugendjahre im KZ - Autobiografie

Walter Chmielewski

 

Verlag Verlag DeBehr, 2020

ISBN 9783957537843 , 176 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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4,95 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Mein Leben als Sohn des Teufels von Gusen - Kinder- und Jugendjahre im KZ - Autobiografie


 

 

Mitzi

 

Sie war aus Wien, war charmant und ich war fest überzeugt, ich habe mich verliebt. Mein Gefühl sagte mir, auch sie fand mich ganz sympathisch, wie auch immer, ich wollte sie unbedingt wieder sehen, obwohl ich noch nicht wusste, wie das gehen könnte.

Um 17.30 Uhr kam die Durchsage, der Zug nach Freistadt steht bereit und werde planmäßig um 19 Uhr abfahren. Ich bewunderte wieder einmal, wie schnell Gleisschäden damals repariert werden konnten. Es wurde schon dunkel, der Zug war fast leer, sodass wir für uns, ein Abteil, ganz alleine hatten.

Ich streichelte ihre Hand, sie ließ es geschehen. Ich küsste ihre Hand, sie ließ es geschehen. Ich wurde mutig, streichelte ihre Wangen und küsste sie. Für mich ein aufwühlendes Erlebnis, mit knapp 16 Jahren, durfte ich ein Mädchen küssen, das mich offensichtlich als Mann akzeptierte. Wie ich später erfuhr, war sie immerhin schon 23 Jahre alt. Während der Fahrt tauschten wir noch viele Zärtlichkeiten aus und unterhielten uns prächtig. Wir benahmen uns so, als wenn wir uns schon eine Ewigkeit kennen würden. Es war einfach schön und beide bedauerten, dass meine Station, St. Georgen, bald erreicht wurde. Wir waren beide sicher, dass wir uns wieder sehen müssen und sie gab mir ihre Telefonnummer aus Wien und ich gab ihr die Nummer von St. Georgen. Wir verabschiedeten uns mit einem zarten Kuss und dem Versprechen, dass wir uns unbedingt wieder sehen müssen.

Glücklich und stolz ging ich nach Hause und erzählte meiner Mutter, warum ich so spät komme.

Die Hermann-Göring-Werke wurden nahezu täglich bombardiert und wieder war es einmal so weit, dass wir zu Fuß gehen mussten. Erich, Otto und ich waren kurz vor der alten Stahl-Donaubrücke, als wieder die Sirenen heulten. Erst vor einer halben Stunde gab es Entwarnung, aber der riesige Bomberverband hatte offensichtlich noch viel Bomben an Bord und drehte um, um die restliche Last abzuwerfen.

Wir begannen zu laufen, um noch vor den Bombern die Brücke zu überqueren. Die Brücke und die Werksanlagen waren immer Ziel von Angriffen. Wir hatten gerade die Hälfte der Brücke geschafft, da sahen wir schon über dem Pöstlingberg Unmengen von Bombern.

Kurz darauf hörten wir die singenden Pfeifgeräusche von fliegenden Bomben. Wir warfen uns auf den Brückenboden, um dem Luftdruck und den Bombensplittern zu entkommen. Es folgte Explosion auf Explosion und ein Orgelkonzert von Bombensplittern, die von allen Seiten auf die Stahlbrücke prasselten. Zahlreiche Brände im Werksgelände und stinkender, schwarzer Rauch verdunkelten den Himmel. Vorher sahen wir noch, wie die Flak drei Bomber traf. Sie flogen noch ein Stück weiter und viele weiße Punkte verließen die brennenden Maschinen. Es waren weiße Fallschirme, mit Soldaten, die um ihr Leben kämpften. Wir natürlich jubelten nach jedem Abschuss und freuten uns. Im Krieg werden die Menschen verroht und grausam, ohne groß nachzudenken. „Nie wieder Krieg."

Der Verband flog weiter und wir setzten unseren Heimmarsch weiter fort. Wir hatten immer noch weiche Knie, aber wir schafften es.

Es war Anfang März 1945, wir kamen in die Klasse und sahen erstaunt, dass ein langer Tisch mit vier Stühlen aufgebaut war. Prof. Metz kam rein und klärte uns auf: Vier Offiziere aller Waffengattungen kämen zu Besuch. Marine, Luftwaffe, Heer und Waffen-SS. Sie werden um Freiwillige werben, in Verbindung mit vielen Vorteilen für euer weiteres Leben. Wir waren gespannt, was man uns bieten würde. Die vier kamen, grüßten laut mit Heil Hitler und nahmen Platz.

Was dann folgte, waren Lobeshymnen auf das Deutsche Reich, die Partei und unseren Führer. Dann folgte ein Lob auf die tapferen deutschen Soldaten, die dringend Verstärkungen von tapferen, jungen, freiwilligen Kämpfern benötigen, um den Endsieg zu erringen. Die Alliierten standen zu diesem Zeitpunkt schon überall an den Reichsgrenzen, hatten diese zum Teil schon überschritten und dieser Hauptmann faselte noch von einem Endsieg.

Aber jetzt folgte das Unglaubliche, nachdem uns diese vier Offiziere das Blaue vom Himmel versprochen hatten, wie durch eine vorgezogene Notmatura (Notabitur) uns die Studienreife garantiert wurde. Außerdem kämen wir in eine Sondereinheit als ROBs (Reserve Offiziersbewerber). Dies garantiere einen silbernen Fahnenjunkerstreifen auf dem Schulterblatt.

Ebenso eine schnelle Beförderung und somit eine hervorragende Karriere als Berufsoffizier. Alles unrealistische Luftblasen, ohne jeden Wert, denn nur noch wenige glaubten an einen Endsieg. Und dann folgte das Unglaubliche, 80 % aller Schüler meldeten sich freiwillig zum Kriegsdienst. Wir waren 16-18 Jahre alt und nur mit unserer Naivität, unserer jugendlichen Dummheit und der permanenten Gehirnwäsche kann dieses Ergebnis zustande gekommen sein. Auch Erich Brunnhofer, Otto Friedinger und ich waren unter diesen geblendeten 80 %.

Es dauerte nicht lange, da bekamen der Otto und ich eine Einladung in ein Wehrertüchtigungslager. Wir mussten nach Perg, um dort eine vormilitärische Ausbildung zu erhalten. Man verpasste uns eine Uniform und in Ermangelung von Wehrmachtskleidungen, bekamen wir Uniformen, die im bereits verlorenen Afrika-Feldzug nicht mehr benötigt wurden. Wir fanden Gefallen daran, hatte doch das Afrika-Chor, unter General Rommel, einen sehr guten Ruf. Am Ende der Ausbildung bekamen wir einen Heimaturlaub, den wir nur in der Uniform verbrachten. Heute kann ich mich darüber nur wundern.

Otto und ich spazierten stolz durch St. Georgen, da begegnete uns der Erich. Auch er trug stolz eine Uniform. Er war in der Zwischenzeit in einer Ausbildung als Luftwaffenhelfer, war in einer Flak-Stellung in Linz stationiert und hatte, wie wir, Heimaturlaub.

Wir freuten uns über das Wiedersehen, hatten viel zu erzählen und beschlossen, im Gasthaus Hager ein Bierchen zu trinken. Frau Hager begrüßte uns herzlich und war froh, dass ihre beiden Söhne bisher verschont blieben. „Ich hätte eine schöne gefüllte Kalbsbrust, darf ich euch die bringen?“

„Ja schon, aber wir haben keine Lebensmittelmarken.“

„Ja, is scho recht“, sagte sie, „des kon i scho verkraften, is ja ein besonderer Anlass.“ Für uns Hungrigen war dies natürlich ein Festessen, denn Frau Hager war bekannt, dass sie die mit Abstand beste gefüllte Kalbsbrust auf den Tisch zauberte. Es schmeckte absolut köstlich.

Zufrieden und satt verabschiedeten wir uns und gingen nach Hause. Ich machte noch einen Verdauungsspaziergang bis zum Gasthaus Böhm. Oben aus dem Fenster winkten Blitzmädchen, ich winkte zurück. Ich traute meinen Augen nicht, ich sah Mitzi.

„Mitzi“, rief ich laut, sie schaute, erkannte mich aber nicht. Sie sah mich ja noch nie in Uniform mit Schirmmütze. Dann plötzlich ein Schrei und nach Sekunden stand sie vor mir. Die Begrüßung war stürmisch und wir entschlossen uns, einen abendlichen Spaziergang zu machen. Wir gingen den Kirchberg hoch, vorbei an der Kirche und der Schule, nach dem Friedhof bogen wir rechts ab und hinter der Friedhofsmauer lag vor uns, in der Abenddämmerung, eine wunderschöne Blumenwiese. Wir ließen uns nieder und genossen den beruhigenden Blick, auf die weit unten fließende Gusen, das Schwimmbad und die Heindl-Mühle. Wir hatten uns so viel zu erzählen und kamen uns immer näher, der Wunsch sich alles zu geben, war von beiden Seiten zu spüren und so wurden wir ein glückliches Paar und sprachen schon über die Zukunft. Zur Sicherheit tauschten wir noch einmal die Telefonnummern aus, mit dem Versprechen, nach dem Krieg wieder Kontakt aufzunehmen.

Es war schon dunkel, der Mond spendete ein blasses Licht und zwei Liebende bummelten in Richtung Schwimmbad. Zu meinem Erstaunen war die Türe nicht abgesperrt und ich sagte: „Komm, ich zeig dir unser hübsches Bad.“ Vor uns war der Naturkanal, der das Wasser für die Heindl-Mühle lieferte. Wir gingen nach links und kamen zur Liegewiese, mit Einstieg in die Gusen. Auch die Ruderkähne waren hier angekettet. Stolz zeigte ich Mitzi mein Boot. „Weißt du was“, sagte ich spontan, „hast du Lust auf eine nächtliche Mondscheinfahrt, wäre doch romantisch?“ Auch ihre Zusage kam spontan, ja gerne. Ich holte meinen Schlüssel hervor, sperrte die Kette auf und schon begann eine romantische Schiffsreise.

Man muss wissen, damals war die Gusen noch ein zauberhaftes Flüsschen mit vielen Windungen, Schleifen und Buchten, begrünt mit altem Baumbestand und riesigen Sträuchern.

Unsere Fahrt dauerte so ungefähr eine Stunde, wurde immer wieder mit Zärtlichkeiten unterbrochen, die das Boot gefährlich schwanken ließen, aber wir kamen unfallfrei im Heimathafen an. Das Boot war wieder angekettet und wir machten uns auf den Weg in Richtung Marktplatz. Der Abschied tat unendlich weh, keiner wusste, wie alles enden würde, aber wir waren uns einig, wir hatten uns lieb und werden uns sicher bald wieder sehen.

Das Wiedersehen mit Mitzi war ein kleines Wunder. Nur weil die Blitzmädchen von Freistadt nach Linz verlegt werden sollte, in Linz aber noch kein Quartier zur Verfügung stand, wurden sie für einige Tage in St. Georgen einquartiert. Wir glaubten natürlich, das war eine göttliche Eingebung, das musste einfach so sein.

Schon zwei Tage später flatterte mir die Einberufung auf den Tisch. Ich habe mich bereitzuhalten und mich in 2 Tagen auf dem Marktplatz einzufinden, und zwar um 7 Uhr. Ein Sammeltransporter in Form eines Mannschaftswagens der Wehrmacht sammle alle Rekruten aus...