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Drogen - Vorurteile, Mythen, Fakten

Drogen - Vorurteile, Mythen, Fakten

Barbara Gegenhuber

 

Verlag Falter Verlag, 2020

ISBN 9783854396567 , 312 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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19,99 EUR

Für Firmen: Nutzung über Internet und Intranet (ab 2 Exemplaren) freigegeben

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Drogen - Vorurteile, Mythen, Fakten


 

DIE FOLGEN DER ABHÄNGIGKEIT


Der abhängige Konsum von legalen oder illegalisierten Substanzen führt über kurz oder lang zu Beeinträchtigungen der psychischen und physischen Gesundheit sowie der sozialen Integration. Die Abhängigkeitserkrankung ist wie keine andere Erkrankung eng mit Kriminalität und damit auch mit dem Strafrecht verbunden. Obwohl man hierbei vermutlich zuerst an die Beschaffungskriminalität beim Konsum illegalisierter Substanzen denkt, spielen auch Delikte im Rahmen des Alkoholkonsums eine nicht unwesentliche Rolle. Man denke hier nur an das alkoholisierte Autofahren oder Gewalttaten im berauschten Zustand. In den folgenden Kapiteln findet sich ein Überblick über die justiziellen, körperlichen, sozialen und psychischen Folgewirkungen des süchtigen Substanzkonsums.

DROGENABHÄNGIGKEIT UND KRIMINALITÄT


Der Zusammenhang zwischen Drogenkonsum und Kriminalität scheint simpel. Der Konsum bestimmter Substanzen ist verboten, insofern sind bereits Besitz, Erwerb und Weitergabe strafbar. Die Illegalisierung der Substanzen macht es unmöglich, in den nächsten Supermarkt zu gehen und sich die Substanz, nach der der Körper oder die Psyche verlangt, zu kaufen. Sie muss am Schwarzmarkt besorgt werden; somit begibt man sich bereits in die Kriminalität. Doch ist dieser Zusammenhang wirklich so simpel? Dieser kurz umrissene Vorgang von Drogenbesitz, -erwerb oder -weitergabe ist eine strafbare Handlung für sich, aber bei weitem nicht die einzige, die im Zusammenhang mit illegalisierten, aber auch legalen Substanzen existiert. Die Verknüpfung von Drogen und Kriminalität ist weit komplexer, die sogenannte Drogendelinquenz ist nicht nur auf Erwerb und Besitz von illegalisierten Substanzen herunterzubrechen. Das würde Menschen, die für die Beschaffung von Drogen Einbrüche begehen, genauso wenig einschließen wie solche, die im Rausch jemanden verletzen oder gar töten.

zurückkommen, werden kontrolliert, Taschen untersucht, die körperliche Visitierung reicht manchmal bis zu menschenunwürdigen Vorgehensweisen wie Kontrollen aller Körperöffnungen. Und dennoch gibt es in jedem Gefängnis dieser Welt vermutlich so ziemlich alles zu kaufen, was man haben möchte. Der Aufenthalt in einem totalen System, wie es das Gefängnis ist, führt auch dazu, sich zu überlegen, wie man das System am besten austricksen kann. Zeit genug für solche Überlegungen haben die Inhaftierten ja. So ist der Schmuggel von verbotenen Gegenständen und das Auffinden derselben ein ständiges Katz-und-Maus-Spiel zwischen Justizwache und Inhaftierten. Mit Kontrollen allein ist dem Problem nicht beizukommen.

SOZIALE FOLGEWIRKUNGEN


Neben diesen massiven Folgewirkungen auf der Ebene der Kriminalität gibt es eine Reihe von sozialen Problemen, die die Suchterkrankung mit sich bringt. Ein Aspekt der Suchterkrankung ist, dass sich der Großteil des Lebens nur mehr um die Droge dreht. Die Betroffenen sind damit beschäftigt, Drogen zu beschaffen, zu konsumieren, Geld für die Sucht zu organisieren, Drogen zu beschaffen, zu konsumieren und so weiter. Ein ständiger Kreislauf, häufig dreht sich der ganze Tagesablauf nur mehr um die Sucht. Das hat selbstverständlich Auswirkungen auf das restliche Leben, Vernachlässigung von Arbeit und sozialen Beziehungen, Aufgeben von Hobbys, so es denn je welche gegeben hat. Über kurz oder lang bestehen die einzigen sozialen Beziehungen nur noch innerhalb der Drogenszene. Diese soziale Vereinsamung ist spätestens beim Ausstieg aus der Sucht ein ernsthaftes Problem für viele Betroffene. Wenn der Drogenkonsum wegfällt, fallen auch die damit einhergehenden sozialen Beziehungen weg. Viele Betroffene wissen selbst, dass es besser wäre, den Kontakt zu Freunden und Bekannten aus der Drogenszene nicht weiter zu pflegen, zu groß ist die Gefahr, wieder rückfällig zu werden oder nicht Nein sagen zu können, wenn die anderen konsumieren. Das Problem ist nur, dass es häufig keine anderen Beziehungen gibt und der Aufbau neuer Beziehungen für Menschen, die eine langjährige Drogenabhängigkeit hinter sich haben, oft schwierig ist. Nicht selten sieht man diesen Personen die Geschichte an, die Vorurteile, mit denen ihnen begegnet wird, sind oft unüberwindbar.

KÖRPERLICHE FOLGEWIRKUNGEN


Die Bilder der „Crystal-Meth-Gesichter“, die im Internet kursieren und vor dem Konsum der Substanz abschrecken sollen, sind sicher vielen Leser*innen bekannt. Abgemagert, zahnlos, leere Augen, so schaut man, glaubt man dem Internet, aus, wenn man diese Substanz konsumiert. Auch die Bilder der verwahrlosten und abgemagerten Christiane F. aus dem Antidrogenklassiker „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ sind geläufig. Aber wie viel davon stimmt wirklich? Machen Drogen dermaßen körperlich kaputt, dass man es den Konsument*innen schon auf die Entfernung ansieht? Welche Auswirkungen hat der Konsum von psychoaktiven Substanzen auf die körperliche Gesundheit?

Der chronische Missbrauch von Alkohol hat massive und zum Teil lebensbedrohliche Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit. Vergleicht man dies mit den Schädigungen durch den Missbrauch von illegalisierten Substanzen, bemerkt man zwei deutliche Unterschiede gegenüber dem Alkohol. Zum einen sind die Folgen viel differenzierter, da es sich um eine Vielzahl unterschiedlicher Substanzen handelt, zum anderen leiden viele Abhängige nicht primär unter den Auswirkungen der Droge an sich, sondern indirekt an den Folgen der Kriminalisierung. Diese bringt es mit sich, dass Drogen am Schwarzmarkt verkauft werden und die Konsument*innen häufig nicht wissen, wie hoch der Reingehalt einer Substanz in der gekauften Ware ist, und vor allem, mit welchen anderen Mitteln diese gestreckt wurde. Im besten Fall handelt es sich dabei um recht harmlose und unwirksame Substanzen wie Milchzucker oder Eiweißpräparate, im schlechteren Fall pharmakologisch wirksame Zusätze wie Paracetamol oder Lidococain, die in Kombination wesentlich stärkere Nebenwirkungen haben können als die Droge an sich. Auch Waschmittel, Gips, Milchpulver oder Levamisol, ein Entwurmungsmittel, sind den Substanzen häufig beigemengt. Der Reinheitsgehalt beträgt so oft nur fünf bis zwanzig Prozent, welche Stoffe sonst noch enthalten sind, wissen die Konsument*innen, so sie es nicht testen lassen (mehr dazu im Kapitel „Schadensminimierung und Safer Use“), nicht. Die mit dem Konsum von verschnittenen Drogen einhergehende Gefahr ist also, dass man nicht weiß, was genau man konsumiert, und so auch Substanzen mit zum Teil beträchtlichen Nebenwirkungen zu sich nimmt. Manchmal kommen aber auch sehr reine Substanzen auf den Markt, was wiederum problematisch ist, weil es zu Überdosierungen kommen kann, wenn man Substanzen mit weniger Wirkstoffgehalt gewohnt ist.

PSYCHISCHE FOLGEWIRKUNGEN


Die Auswirkungen einer Abhängigkeitserkrankung auf die Psyche sind vielfältig, sie reichen von Depressionen über Angstzustände bis zu Psychosen und wahnhaften Zuständen. Die Folgen, die der Konsum der einzelnen Substanzen nach sich zieht, sind sehr unterschiedlich, Kokain oder Amphetamine können zu Depressionen und Ängsten führen, halluzinogene Drogen psychoseähnliche Zustände auslösen. Es spielt jedoch auch eine Rolle, wie stabil die psychische Grundkonstitution ist und ob es bereits andere psychiatrische Vor- oder Begleiterkrankungen gibt. Oft ist es nur nach einer gründlichen Erörterung der Lebensgeschichte und Vorerfahrungen der Betroffenen möglich festzustellen, ob gewisse psychische Probleme Ursache oder Folge des Drogenkonsums sind. Zum einen kann eine chronische Abhängigkeitserkrankung zu weiteren psychischen Störungen wie etwa Depressionen oder Psychosen führen, zum anderen gibt es Personen, die eine vorhandene psychische Störung mit dem Konsum von Substanzen zu „behandeln“ versuchen. In diesem Zusammenhang spricht man von einer Selbstmedikation der psychischen Erkrankung. Die Substanz ist das von den Betroffenen selbst gewählte Heilmittel, das später zum eigenständigen Problem wird. Was zuerst war, ob Droge oder psychische Erkrankung, ist nicht immer leicht nachvollziehbar, klar ist aber, dass Abhängigkeitserkrankungen häufig mit anderen psychischen Störungen einhergehen. In der Fachsprache spricht man dabei von der Komorbidität, die von der WHO als das „gleichzeitige Auftreten von Störungen durch den Gebrauch psychoaktiver Substanzen und einer anderen psychiatrischen Störung“ [23] definiert ist. Bei einem Teil der Erkrankten steht die Substanzabhängigkeit im Vordergrund, bei einem anderen Teil die psychiatrische Erkrankung. Es ist davon auszugehen, dass etwa achtzig Prozent der drogenabhängigen Patient*innen zumindest eine zusätzliche komorbide Störung haben, dabei handelt es sich hauptsächlich um Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen sowie psychotische Störungen. Obgleich es nicht das Ergebnis einer diagnostischen Abklärung ist, geben die Zahlen einer Selbsteinschätzung einer Gruppe von langjährig Drogenabhängigen einen guten Einblick in die Größenordnung: Von 150 befragten unbehandelten schwer Drogenabhängigen gaben etwa sechzig Prozent an, einmal an einer schweren Depression gelitten zu haben, fünfzig Prozent an schweren Angst- oder...