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Bianca Exklusiv Band 325

Bianca Exklusiv Band 325

Victoria Pade, Laura Marie Altom, Allison Leigh

 

Verlag CORA Verlag, 2020

ISBN 9783733748784 , 384 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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5,49 EUR

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Bianca Exklusiv Band 325


 

2. KAPITEL

Ben war eine ganze Weile nicht gejoggt. Er hatte zu viel zu tun gehabt, damit seine Schule rechtzeitig fertig wurde. Aber heute Morgen ging es nicht anders, er musste unbedingt seinen Stress abbauen. Sein Kopf war voller Fragen über die Dinge, die er noch zu tun hatte – und über Clair Cabot.

Clair Cabot.

Sie war der eigentliche Grund, weshalb er jetzt in kurzen Jeans und seinem ausgeleierten grauen T-Shirt in die aufgehende Sonne lief.

Seine Schwester hatte ihm nicht erzählt, dass Clair frisch geschieden war. Dabei wusste sie, dass er nichts mehr hasste, als der „erste Mann danach“ zu sein. Er hatte auf die harte Tour gelernt, sich mindestens hundert Meter von jeder Frau fern zu halten, deren Trennung nicht schon sehr, sehr lange zurücklag.

Hätte er geahnt, dass Clairs trübe Stimmung mit ihrem Exmann zu tun hatte, hätte er sich bei dem Klassentreffen niemals bereit erklärt, ihr Gesellschaft zu leisten.

Und er hätte erst recht nicht mit ihr geschlafen.

Clair war ihm schon auf dem Parkplatz der Schule aufgefallen. Cassie hatte ihr Jahrbuch vergessen und ihn zu ihrem Wagen geschickt, um es zu holen. Während er sich durch die offene Beifahrertür ins Innere beugte, war Clair auf den freien Platz davor eingebogen.

Er hatte sie nicht wiedererkannt und keine Ahnung gehabt, dass dies die Freundin war, auf die seine Schwester sich so freute. In dem letzten Jahr vor Abschluss der High School, das er zu Hause verbringen durfte, hatte er eine Menge aufholen müssen. Deshalb hatten sich ihre Wege wahrscheinlich nicht oft gekreuzt. Außerdem war das zehn Jahre her. Oder Clair hatte damals anders ausgesehen. Jedenfalls war sie ihm nicht aufgefallen.

Im Juni war das anders gewesen. Clair hatte ihm auf Anhieb gefallen, obwohl er normalerweise auf dunkelhaarige Frauen stand.

Die Sonne hatte durch das Seitenfenster geschienen und sich in ihren blonden Strähnen gefangen. Plötzlich hatte er glänzendes Blondhaar ausgesprochen hübsch gefunden.

So hübsch, dass er nicht sicher war, ob ihm ihre jetzige kurze Frisur gefiel.

Er erinnerte sich an ihre makellose Haut mit dem gesunden rosa Hauch auf den hohen Wangenknochen, die ihr damals wie jetzt etwas exotisch Unschuldiges verliehen – falls es so etwas gab.

Nicht nur ihr blondes Haar, ihre feinen Gesichtszüge und ihre Porzellanhaut waren der Grund gewesen, weshalb er an jenem Juniabend einen zweiten Blick zu ihr hinübergeworfen hatte.

Sie hatte die Fahrertür geöffnet, und ihre langen wohlgeformten Beine waren zum Vorschein gekommen. Als sie die Tür wieder schloss, hatte er auch ihren wohlproportionierten Körper mit genau den richtigen Rundungen vorn und hinten zu Gesicht bekommen.

Clair hatte die hintere Tür geöffnet, um etwas von der Rückbank zu nehmen, und er hatte sich auf die Suche nach Cassies Jahrbuch gemacht. Beinahe gleichzeitig hatten sie die Wagentüren wieder geschlossen, und er hatte einen dritten Blick hinüber gewagt.

Diesmal hatte Clair ihn mit ihren ungewöhnlich großen dunkelblauen Augen direkt angesehen. Sie hatte ihn einen Moment mit ihrem Blick gefesselt und ihre weichen rosa Lippen zu einem sanften Lächeln verzogen. Zögernd. Unsicher. Als fragte sie sich, ob sie sich an ihn erinnern müsste. Und das mit einer Wärme, dass er plötzlich froh war, zu dem Klassentreffen gefahren zu sein.

Dann waren zwei Frauen herbeigeeilt und hatten sie mit ihrem Namen begrüßt.

So hatte er erfahren, wer sie war.

Clair Cabot.

Cassies beste Freundin.

Ben erhöhte die Geschwindigkeit auf dem letzten Abschnitt seiner Laufstrecke bis an die Schmerzgrenze. Dann kam das Schulgebäude in Sicht, seine derzeit wichtigste Aufgabe. Daran hatte er sich jedes Mal erinnert, wenn Clair Cabot und ihre überstürzte Flucht an jenem Morgen vor über zwei Monaten ihm in den Sinn gekommen waren.

So eine eigene Schule hatte er sich seit seiner Entlassung aus der Erziehungsanstalt in Arizona immer gewünscht. Es war sein Traum gewesen, sein Ziel, mit schwer erziehbaren Kindern zu arbeiten, wie er eines gewesen war, und zwar so, wie es seiner Ansicht nach geschehen sollte.

Inzwischen hatte er sein Ziel erreicht und war bereit, sich seiner neuen Aufgabe und den Jungen, die er in sein Programm aufgenommen hatte, voll und ganz zu widmen. So etwas ließ sich nicht halbherzig erledigen. Bevor die Schule nicht durchorganisiert war und fast wie von allein lief, würde er sich nicht ablenken lassen. Von nichts und niemandem.

Und schon gar nicht von Clair Cabot. Trotz ihrer dunkelblauen Augen, ihres blonden Haars und ihres süßen kleinen Körpers … Nein! Das durfte nur eine strikt berufliche Beziehung sein. Basta.

Clair war gekommen, um ihm zu zeigen, wie ihr Vater die Schule geleitet hatte: wie man die Bücher führte, welche amtlichen Papiere erforderlich waren und was er tun musste, um die Genehmigung durch das Jugendamt zu erhalten.

Alles rein beruflich.

Deshalb hatte er den Vorschlag gemacht, die gemeinsame Nacht zu vergessen und noch einmal von vorn zu beginnen.

Nachdem alles Berufliche erledigt war, würde Clair dorthin zurückkehren, woher sie gekommen war – und wohin sie an dem Morgen nach dem Klassentreffen geflohen war. Und er konnte sie vergessen.

Außer, dass ihm das bisher nicht gelungen war.

Und damit war er wieder am Anfang.

Wenn ich Clair Cabot bisher nicht vergessen konnte, überlegte Ben, während er die letzten Meter im langsamen Laufschritt zurücklegte, um sich abzukühlen, wie soll es mir dann jetzt gelingen?

Er hatte keine Ahnung.

Vor allem, weil er mit ihr eine der unglaublichsten Nächte verbracht hatte, die er jemals erlebt hatte …

Clair hatte am Montagabend lange nicht einschlafen können. Die unterschiedlichsten Empfindungen über ihre erneute Begegnung mit Ben hatten sie bis nach ein Uhr nachts wach gehalten.

Deshalb verschlief sie am Dienstagmorgen. Obwohl sie nur kurz duschte und anschließend rasch in ihre Jeans und ein kurzärmeliges T-Shirt mit rundem Ausschnitt schlüpfte, traf sie nach Ben und Cassie in der Küche des Haupthauses ein.

„Tut mir leid, dass ihr warten musstet“, entschuldigte sich Clair. „Ich habe glatt verschlafen.“

„Mich hast du nicht warten lassen“, versicherte Cassie ihr. „Ich bin selber gerade erst gekommen.“

„Okay, dann entschuldige ich mich wenigstens bei dir“, erklärte Clair und sah Ben an, der an einem Ende des langen rechteckigen Tisches saß.

„Passt auf, dass das nicht noch einmal geschieht. Oder ich gebe euch eine Strafarbeit und drei Tage Hausarrest“, scherzte er. Er hob seine Tasse auf und deutete zu der Kaffeemaschine auf der Anrichte. „Bedient euch, Ladies. Der Kaffee ist frisch aufgebrüht, und im Backofen findet ihr warmes Rührei, Speck und Toast. Ich habe bereits gefrühstückt und werde schon mal nach unten gehen, um mit der Arbeit zu beginnen.“ Er stand auf, nahm sein Geschirr und stellte es in die Spülmaschine.

Clair staunte, dass er ihnen über ihre Verspätung nicht böse war.

„Wir sehen uns unten“, sagte er und verschwand durch eine Tür, hinter der sich die Treppe zum Untergeschoss verbarg.

Die nächsten Stunden vergingen mit einer Art Inventur. Ben, Clair und Cassie stellten Listen der vorhandenen Bettwäsche, der Handtücher und der anderen Dinge auf, die bei der Schließung der Schule nach dem Tod von Clairs Vater in Kisten verpackt und im Erdgeschoss gelagert worden waren. Den ganzen Tag ging es treppauf und treppab. Sie zählten, sortierten und entfernten, was zu verschlissen war, und ordneten alles Brauchbare in Schränke, Regale und Schubläden.

Clair erzählte Ben, wie ihr Vater die Schule organisiert hatte. Doch letzten Endes war es seine Entscheidung. Sie nahm ihm nicht übel, dass er einiges verändern wollte.

Sie arbeiteten bis weit nach Anbruch der Dunkelheit und waren anschließend ziemlich erschöpft. Es war zu spät, um ein ausgiebiges Abendessen zu bereiten. Deshalb ließen sie sich Pizza und Salat bringen.

Sie aßen am Couchtisch im Wohnzimmer und saßen auf dem Boden. Schließlich erklärte Cassie, dass sie restlos erledigt wäre, und fuhr nach Hause. Clair lehnte mit dem Rücken an der Vorderseite eines Ledersessels. Ben saß neben ihr, einen Arm auf das Sofakissen gestreckt.

Ben hatte tagsüber nicht viel gesagt. Cassie und Clair hatten die ganze Zeit geredet, während er vor allem mit schwerem Heben und sonstiger körperlicher Schwerarbeit beschäftigt gewesen war. Vielleicht wollte er jetzt lieber allein sein, um sich auszuruhen?

Doch zu ihrer Freude machte er keine Anstalten, den Abend zu beenden, sondern deutete mit dem Kinn auf einen alten verwitterten Pappkarton, den sie vorhin heraufgeholt hatten. Er enthielt Erinnerungsstücke an Clairs Kindheit.

„Hast du irgendwelche Schätze darin gefunden?“, fragte Ben.

„Du meinst, eine lange verschollene Antiquität, die ich zu einer dieser ‚Kunst und Krempel‘-Shows bringen könnte, die im Fernsehen stattfinden, um ihren Wert feststellen zu lassen?“

„Zum Beispiel.“

„Leider nicht. Der Karton enthält nur ein paar Puppen und Puppenkleider, einen Plüschhund mit abgekautem Ohr und meine ersten richtigen Schuhe. Nichts von Wert.“

„Wer hat dem Hund das Ohr abgekaut?“, fragte Ben lächelnd inmitten seines Tagesbarts, den er wie gestern wegen der vielen Arbeit nicht hatte rasieren können.

„Na ja, das war wohl ich. Ich habe den Hund überall mitgeschleppt und auf dem Ohr...