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Perry Rhodan Neo 243: Drei Tropfen Unendlichkeit

Perry Rhodan Neo 243: Drei Tropfen Unendlichkeit

Rainer Schorm

 

Verlag Perry Rhodan digital, 2021

ISBN 9783845354439 , 160 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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3,49 EUR

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Perry Rhodan Neo 243: Drei Tropfen Unendlichkeit


 

1.

Luna: Ruhe vor dem Sturm?

 

Es ist immer wieder etwas Besonderes, dachte Reginald Bull.

Er näherte sich dem Mond. Dort hatte alles begonnen, damals, im Juni 2036, als die STARDUST den Mond erreicht hatte und auf das havarierte Raumschiff der Arkoniden gestoßen war. Mit Perry Rhodan und dem Rest der Besatzung hatten sie die ersten Schritte in die Weiten des Alls getan.

Der Mond!

Er war für Reginald Bull etwas Einzigartiges geblieben, obwohl er seither Welten gesehen hatte, die in sehr viel weiterer Ferne lagen. Planeten, die merkwürdiger und fremdartiger waren als der kahle, weißgraue und staubige Trabant der Erde.

Die erste Liebe vergisst man nie, dachte er.

Mit seinen typisch harten Schatten hing der Mond unter der Space-Disk. Bull kannte das Oberflächenprofil in- und auswendig. Er überflog das Mare Imbrium, rechts von ihm glitt Sinus Iridum vorbei und das Raumboot näherte sich dem Mare Frigoris. Sein Ziel war die dunkle Seite des Monds.

Etwas war anders. Zunächst war es lediglich ein ungutes Gefühl. Selbstverständlich präsentierte sich der Mond nie zweimal auf dieselbe Weise. Luna war ein gefragter Umschlagplatz und Zwischenstation für viele Verbindungen im Sonnensystem. Als Sprungbrett zu anderen Planeten und Monden herrschte immer Betrieb, denn es entlastete die unmittelbare Umgebung der Erde.

Aber dieses Mal? Die Anzahl der startenden Raumschiffe kam Reginald Bull ungewöhnlich hoch vor. Außerdem glaubte er, eine gewisse Hektik zu spüren. Er hatte genügend Erfahrung im Weltraum, das war nicht erst so, seit er Protektor der Terranischen Union geworden war. Flottenbewegungen konnte er ausgezeichnet erfassen und einordnen.

Das ist kein Termindruck, wie er auf einem Handelshafen üblich ist, dachte er. Das ist etwas anderes! Aber es war nur ein Gefühl, eine Ahnung und damit nichts, worauf er sich verlassen wollte.

»Das ist merkwürdig; bilde ich mir das nur ein?«, fragte Bull die Schiffspositronik. »Stell fest, ob sich das Flugaufkommen verändert hat und ob es Schwerpunkte gibt.«

Als wolle das Schiff seinen Gedanken Nachdruck verleihen, blinkten etliche Warnlichter auf. Es war lediglich ein stummer Alarm, eine Vorstufe.

Kommunikationssperre?, dachte er verblüfft. Sind die verrückt geworden?

Ein Störfeld blockierte sämtliche Verbindungen, die über die Kommunikationssphäre des Monds hinausgingen. Ein direkter Kontakt zur Erde war damit ausgeschlossen.

Eine Reise zum Mond war längst weder gefährlich noch außergewöhnlich, vielmehr etwa so, als nehme man eine Vakuumbahn in einen wichtigen Vorort. Üblicherweise lief alles geordnet und vorhersehbar ab.

Aus einem diffusen Gefühl wurde Unruhe. Bull hatte im Laufe der Jahrzehnte ein Gespür für solche Situationen entwickelt.

»Wenn etwas nicht stimmt, wieso weiß ich nichts davon?«, sagte er leise zu sich selbst. Als Protektor wurde er über jede auftretende Schwierigkeit auf dem Laufenden gehalten, das gehörte zu seinem Job. Dass er ahnungslos war, beunruhigte ihn mehr als alles andere. Ein Problem, das eine Informationssperre erzwang, entstand nicht spontan. Es kündigte sich an.

 

»Parkposition«, verkündete die Hauptpositronik seiner Space-Disk. »Wir wurden auf einen Leitstrahl gesetzt. Die Eigensteuerung wurde durch einen Überrangcode desaktiviert.«

Reginald Bull war zwar Protektor, aber selbstverständlich hatte er für einen eher privaten Flug zum Mond nicht die TERRANIA benutzt, das Flaggschiff der Terranischen Flotte. In diesem Moment bedauerte er das. Die TERRANIA war nicht so einfach zu übernehmen oder zu ignorieren wie eine schlichte Space-Disk .

»Parkposition?«, fragte Bull. »Wieso das denn?«

»Der Zugang zum Mond wurde von NATHAN vor zwei Minuten eingeschränkt«, gab die Positronik Antwort. »Ich habe bei der Leitstelle nachgefragt. Reaktionen oder eine Erklärung liegen bislang nicht vor. Was auch immer vorgeht, es wurde von NATHAN allein initiiert.«

Als ob mich das beruhigen würde!, dachte Bull. Er starrte auf eine polierte Chromfläche seitlich vor ihm und schnitt eine Grimasse. Durch die leicht gewölbte Oberfläche verzerrte sich sein eher rundes Gesicht zu einer Clownsmaske. Die roten Haare verstärkten diesen Eindruck noch.

Hübscher Kerl, kommentierte er das groteske Bild.

Unter dem Raumboot bewegte sich die Mondoberfläche unaufhaltsam weiter. Denn der Begriff »Parkposition« bedeutete keineswegs, dass die Space-Disk reglos an einem Ort verharrte, sondern lediglich, dass sie in einen festen Orbit um Luna eingeschwenkt war. Der Kurs führte über die erdabgewandte Mondseite und würde in ein paar Minuten die Position des Korolevkraters kreuzen. Der lag ganz in der Nähe des Asmodeuskraters und damit von NATHAN.

Immer mehr Lichtsignale an der Instrumentenkonsole heischten um Aufmerksamkeit. Bisher war all das kein offizieller Alarmzustand, aber das konnte sich schnell ändern. Sorgen bereitete Bull, dass er den Grund nicht erfuhr – noch immer nicht. Als Protektor war er eine zentrale Person innerhalb der Systemverteidigung. Er hätte also zumindest eine kurze Benachrichtigung von NATHAN erwartet.

Hier stimmt etwas ganz und gar nicht!, dachte er. Auf dem Mond? Direkt neben der Erde? Hier müsste alles aufheulen!

Er stellte sich die aufgeregten Reaktionen auf der Erde vor. Sobald in der Reichweite NATHANS sonderbare Dinge geschahen, führte das zu einer Panik. Für viele war die Hyperinpotronik auf dem Mond ohnehin eine Zumutung; nicht nur politisch.

Bull sichtete die Kurzmeldungen, die ihn über die Geschehnisse auf dem diplomatischen Parkett auf dem Laufenden hielten. Erwartungsgemäß konnte er normale politische Krisen schnell als Problemursache ausschließen. Über einen akuten Eklat hätte man ihn längst informiert. Nun war das wegen der Isolierung des Monds unmöglich geworden. Die Situation erinnerte ihn besorgniserregend an eine Evakuierung.

»Die Flugdichte hat um dreiundzwanzig Prozent zugenommen«, bestätigte die Positronik seine Vermutung. Das war ein beachtlicher Anstieg und passte nicht im Mindesten zu den üblichen Flug- und Terminplänen. Der Raumschiffsverkehr im Umfeld von Erde und Mond war streng reguliert. Sogar der Chinesische Block hielt sich peinlich genau an die Zeiten und Routen. An einem Verkehrschaos war niemandem gelegen, zumal es beinahe immer zu Verletzten oder Toten kam, wenn sich ein Unfall im freien Raum ereignete.

Nervös trommelte er mit den Fingern auf der nutzlos gewordenen Hauptkonsole. Die Holos wurden unverändert bereitgestellt, aber er hatte keinen Zugriff mehr auf die Steuersysteme. Diese Art von Hilflosigkeit hasste er.

»Ich fresse einen Besen, wenn du damit nichts zu tun hast.« Bull knirschte mit den Zähnen und starrte wütend auf eine Wiedergabe des großen Areals, das von NATHAN beherrscht wurde. Sein Misstrauen gegen die Hyperinpotronik war nie verschwunden, auch wenn sein Bild sehr viel differenzierter war als das des durchschnittlichen Politikers.

Eins hatte er immerhin begriffen: dass NATHAN die Erde und die Menschheit schützte. Viele Menschen verwechselten die anorganische Intelligenz, die im Asmodeuskrater entstanden war, mit einem normalen, wenn auch riesigen Rechner. Eine krasse Fehleinschätzung, denn NATHAN war sehr viel mehr. Eine Intelligenz aus eigenem Recht. Ein echter Bewohner des Monds – eine eigene Lebensform. Für die politische Klasse war die bloße Existenz der Hyperinpotronik eine Zumutung. Denn NATHAN unterwarf sich der menschlichen Autorität nicht, hatte eigene Absichten, Pläne und leider auch eigene Mittel, wozu nicht zuletzt die Posbis zählten. Seit die positronisch-biologischen Roboter die Hyperinpotronik gefunden hatten, hatten sie NATHAN zu ihrem Idol auserkoren. Sie waren selbst eher Intelligenzen als schlichte Maschinen. Immer wieder erreichten Posbipilger den Mond und unterstellten sich NATHAN aus freien Stücken. NATHAN war für sie die Spitze der eigenen Entwicklung, Inbegriff und Sinn eines Posbilebens. Ein noch halb im Hyperraum befindlicher Posbiwürfel, der auf dem Mond abstürzte, war so etwas wie die Initialzündung für NATHAN gewesen. Die Posbis betrachteten sich deshalb auf gewisse Art als NATHANS Eltern.

»Damit liegen sie nicht mal falsch, die Blechköpfe«, murmelte Bull, während er die Oberfläche unter dem Raumboot beobachtete. Sie näherten sich gerade der ehemaligen Moon Area X. Sie lag bereits auf der dunklen Seite des Monds

Bull hatte den Impakt seinerzeit nicht selbst erlebt, aber ohne Zweifel hatte dieses Ereignis eine neue Ära eingeleitet. Die Menschheit war seither gezwungen, sich das Sonnensystem wieder mit einer anderen Intelligenz zu teilen. Dazu kamen die Marsianer, die so etwas wie die allererste Kolonie der Erde waren. Er dachte an Farouq, den Sohn, den Perry Rhodan und Thora da Zoltral adoptiert hatten. Seit vor vielen Tausend Jahren der Neandertaler und der Denisova-Mensch ausgestorben waren, gab es neuerdings wieder unterschiedliche Zweige der Menschheit. Der Homo sapiens marsianis war einer davon.

»Wer verliert schon gern ein Monopol?«, sinnierte er. »Das macht alles nur komplizierter. Aber ich schweife ab ...«

Er aktivierte das Funkgerät, sendete seinen Prioritätscode und erhielt tatsächlich ein Freizeichen. Trotz seiner Vorbehalte wusste er, dass NATHAN ihn schätzte. Das hatte sich verstärkt, nachdem seine beiden Töchter Laura und Sophie Bull-Legacy NATHAN-Interpreterinnen geworden waren. Er war stolz auf die Leistung der beiden, aber ein gewisses ambivalentes Gefühl war nie verschwunden, gleichgültig wie...