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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 687 - Die Gold-Karawane

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 687 - Die Gold-Karawane

Jan J. Moreno

 

Verlag Pabel eBooks, 2021

ISBN 9783966881012 , 115 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,49 EUR

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 687 - Die Gold-Karawane


 

1.


Samatrai war ein unbedeutender Ort zwischen Madras und Tirukkalikundram, leichter von See her als über Land zu erreichen. Drei Dutzend Hütten drängten sich auf engem Raum aneinander, umgeben von Dattelpalmen und an den Flußufern liegenden Feldern, auf denen Linsen und Senf angebaut wurden. Die übrige Fläche, erst vor kurzem gerodet und nun von hartem Gras bewachsen, gehörte den Schafen und Büffeln.

Nur zwei unbefestigte, zur Regenzeit unpassierbare Pfade verbanden Samatrai mit den größeren Orten. Kein Ochsenkarren hätte es je bis Madras geschafft.

Dennoch waren die Bewohner über vieles informiert, was entlang der Koromandelküste geschah. Sie kannten die schrecklichen Geschichten von Phoolan Devi und ihren Dacoits, die nur während der letzten Monate mehr Menschen getötet hatten, als ein einzelner an Fingern und Zehen abzählen konnte.

Phoolan, deren Name soviel bedeutete wie „Göttin der Blumen“, war etwa zwanzig Jahre alt, klein, aber kräftig gebaut, und mit üppigen Rundungen ausgestattet, die ihre auffällig blasse Hautfarbe überspielten.

Niemand in Samatrai ahnte, welche Gefahr drohte. Die Männer dösten oder reparierten Feldwerkzeuge, die Frauen saßen beieinander und palaverten beim Teigkneten oder der Läusejagd auf den Köpfen ihrer Kinder. Irgendwo bellte ein Hund, doch niemand achtete darauf.

Zu dem Zeitpunkt kreisten zehn Dacoits das Dorf ein. Niemand sollte Gelegenheit zur Flucht erhalten.

„Die anderen folgen mir!“ befahl Phoolan. „Durchsucht die Häuser und nehmt euch von mir aus, was ihr wollt, aber laßt die beiden Verräter nicht entrinnen. Erschlagt sie und jeden, der ihnen Unterschlupf gewährt.“

Sie standen vor dem geschnitzten Dorfaltar, der Schiwa, den Gott der Vernichtung darstellte, und berührten nacheinander und um Segen bittend, seinen Dreizack.

In der Rechten einen krummen Gurkhadolch, in der Linken eine von Portugiesen erbeutete Steinschloßpistole, stürmte Phoolan vor ihren Leuten her.

Die Bewohner Samatrais wurden völlig überrascht. Ein älterer Mann versuchte, sie mit einer Sense niederzustrecken – die Dacoit stieß ihm im Laufen den Dolch in die Seite, daß er lautlos zusammenbrach.

Sie schwang sich auf den gemauerten Rand des Dorfbrunnens, sich des Eindrucks bewußt, den sie bei den entsetzten Menschen hinterließ. In Situationen wie dieser, wenn ihr Gesicht fiebrig glühte, genoß sie ihre Macht. Es bedurfte nur eines Wortes von ihr, und Samatrai wurde niedergebrannt und seine Bewohner in den Dschungel getrieben oder verschleppt.

„Hört mich an, ihr lausiges Pack!“ schrie sie mit gellender Stimme. Früher – wie lange lag das schon zurück? – hatte sie leiser geredet, mit der gebotenen Zurückhaltung, doch der Umgang mit den Banditen, die in allen Frauen nur eine willfährige Beute sahen, hatte sie geprägt. „Wenn ihr morgen noch leben wollt, schafft alles Wertvolle herbei. Und bringt mir Kushwant Shankar und Vijay Nain – ich weiß, daß die Verräter in euer Dorf geflohen sind.“

Einer der Männer, wahrscheinlich der Älteste, faßte sich ein Herz. Die Arme in einer hilflosen Geste ausgebreitet, trat er, zwei Schritte vor.

„Wir kennen dich, Phoolan Devi, und wenn die beiden Männer, die du suchst, bei uns wären, würden wir sie unverzüglich ausliefern.“

„Sie sind bei euch! Seit Tagen folgen wir ihren Spuren.“

Der Alte schüttelte das weiße Haupt. „Nein“, sagte er bestimmt, „du irrst …“

Die Frau bewegte kaum die rechte Hand. Alles ging blitzschnell. Der Krummdolch sauste durch die Luft und bohrte sich zwischen die Rippen des Mannes. Niemand anderes als Phoolan hätte die Waffe so handhaben können.

Der Dorfälteste ließ ein ersticktes Ächzen vernehmen, seine Augen weiteten sich in ungläubigem Entsetzen.

„Du – suchst am – falschen Ort … Verschone die Menschen …“

Unmittelbar vor dem Brunnen brach er zusammen, versuchte noch einmal kraftlos, sich aufzurichten, und blieb dann reglos liegen. Phoolan hatte nur einen verächtlichen Blick für ihn.

Sie gab ihren Männern einen befehlenden Wink.

„Ich will die Verräter! Sofort!“

Die Dacoit blieb beim Brunnen und beschränkte sich aufs Beobachten, während ihre Kerle die Häuser durchsuchten und plünderten.

Den Frauen wurden die Ohrringe und die silbernen Arm- und Fußreifen abgenommen. Auch ein bißchen Geld fand sich in den absonderlichsten Verstecken. Frauen, deren Männer sich zur Wehr setzten, spürten die Wut der Räuber besonders.

Nach einer Stunde gab es wohl keinen Stein in Samatrai, der nicht umgedreht worden wäre. Mit bebender Stimme fragte Phoolan Devi noch einmal nach den Gesuchten, die bis vor kurzem zu ihrer Bande gehört hatten, aber die Dörfler behaupteten, seit Wochen keine Fremden gesehen zu haben.

Phoolan war höchst unzufrieden, und in ihrem Zorn wurde sie stets unberechenbar.

„Ihr lügt!“ schrie sie mit sich überschlagender Stimme. „Kushwant Shankar und Vijay Nain sind hier! Gebt sie heraus, dann geschieht euch nichts mehr.“

„Wie können wir etwas herausgeben, was wir nie gesehen haben, Herrin?“

Phoolan Devi vollführte eine unmißverständliche Bewegung mit dem noch blutigen Gurkhadolch.

„Nehmt die jungen Burschen mit!“ herrschte sie ihre Dacoits an. „Ich werde dieses Pack lehren, die Wahrheit zu sagen.“

Johlend zerrten die Bandenmitglieder neun junge Männer auf den Dorfplatz. Sie gingen alles andere als sanft mit ihnen um.

„Hab Erbarmen, Herrin! Mein einziger Sohn …“ Jammernd sank ein altes Weib auf die Knie und drückte die Stirn in den Staub. „Wir haben nichts Unrechtes getan.“

Phoolan verzog das Gesicht und spuckte verächtlich aus.

„Ich kann dir nicht helfen, meine Sorgen sind bestimmt größer als die deinen. Hör also auf zu jammern, davon wird nichts besser.“

„Herrin …!“

Die Dacoit und ihre Leute verließen das Dorf und schleppten die jungen Männer mit sich. Niemand wagte, sich ihnen entgegenzustellen.

„Na, los doch!“ schrie Phoolan, als sie das letzte Haus vor sich sah. „Greift an, tötet uns! Ich weiß, wie gern ihr jetzt über uns herfallen würdet. Aber selbst dazu seid ihr zu feige.“ Sie brach in schallendes Gelächter aus, das noch eine Weile zu vernehmen war.

Die beginnende Nacht verschluckte die Räuberbande, die den Pfad zum nahen Fluß nahm. Es dauerte lange, bis einige Dörfler das lähmende Entsetzen überwanden.

„Das Weib ist schlimmer als ein reißender Tiger. Phoolan Devi wird unsere Söhne töten und bald nach neuen Opfern suchen. Sie ist unersättlich.“

„Was können wir tun? Allein sind wir zu schwach. Wollt ihr es mit Dreschflegeln, Sensen und Mistgabeln mit der Bande aufnehmen?“

„Sie ist der Teufel in Menschengestalt. Niemand hat sie je im Kampf besiegt.“

„Dann müssen wir beten, damit uns die Götter beistehen und Phoolan verderben.“

Vom Fluß her peitschte ein Schuß durch die Nacht. Für einige Augenblicke herrschte entsetzte, atemlose Stille. Jeder fürchtete, gleich weitere Schüsse zu hören.

„Wollt ihr das?“ keuchte die alte Frau, die sich vor der Dacoit erniedrigt und in den Staub geworfen hatte. „Wenn wir Ohren und Augen verschließen und uns verkriechen, statt uns zur Wehr zu setzen, haben wir es allerdings nicht besser verdient. Was soll aus Samatrai werden ohne unsere Söhne?“

Sie hatte Mühe, ihr Zittern zu verbergen, als sie nach einer dreizackigen hölzernen Forke griff, die an einer Hauswand lehnte.

„Den Mist kann ich damit aufspießen – warum nicht auch dieses verfluchte Mordweib?“

Sie hatte nichts zu verlieren außer ihrem Leben. Die anderen schon, sie versuchten sogar, die Alte zurückzuhalten.

„Du wirst uns alle ans Messer liefern, Ramkali. Du bist verrückt. Geh nicht weiter!“

„Ich weiß, was ich tue – im Gegensatz zu euch.“ Mit der Mistgabel stieß die Frau nach zwei Männern, die ihr den Weg vertraten. Sie entwickelte plötzlich Kräfte, die ihr niemand zugetraut hätte. „Dein Sohn ist auch dabei, Shri Ram Singh, und deiner, Gurh Datta. Wollt ihr euch später vorwerfen, sie in den Tod geschickt zu haben?“

Ein zweiter Schuß fiel....