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Dein für eine heiße Nacht

Dein für eine heiße Nacht

Sarah M. Anderson

 

Verlag CORA Verlag, 2021

ISBN 9783751503471 , 144 Seiten

Format ePUB

Kopierschutz Wasserzeichen

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2,49 EUR

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Dein für eine heiße Nacht


 

1. KAPITEL

„Ganz schön voll heute“, sagte Kyle Morgan, als er den schmalen Flur betrat, der als Backstage-Bereich des Bluebird in Nashville, Tennessee, diente. Er zwinkerte Brooke Bonner zu. „Ich glaube aber, dass keiner von denen meinetwegen gekommen ist.“

Brooke lächelte den älteren Mann unsicher an, hörte aber nicht auf, vor sich hin zu summen. Das kleine Bluebird, wo Sänger und Songschreiber ihre Neuheiten vorstellten, war meistens voll. Sie kam schon seit zehn Jahren hierher, zuerst als Gast, später, um selbst aufzutreten. Allerdings war sie fast anderthalb Jahre nicht mehr hier gewesen. Seit sie Bean hatte. Dieser Abend würde ihr offizielles Comeback werden. Nach fast sieben Monaten, die sich wie Hausarrest angefühlt hatten, trat sie endlich wieder ins Rampenlicht.

Schluss mit dem Versteckspiel.

Zumindest ein bisschen. Nur wenige Leute wussten von James Frasier Bonner, den sie immer noch Bean nannte, obwohl er schon ordentlich gewachsen und längst keine Bohne mehr war. Jetzt, mit fast vier Monaten, lächelte und gurrte er sie bereits an.

Er hatte das Lächeln seines Vaters.

Kyle wusste nichts von Bean. Brooke hatte deswegen ein schlechtes Gewissen, denn er war fast wie ein Vater für sie. Er war bei ihrem ersten Auftritt dabei gewesen und hatte ihr mehr über das Songschreiben beigebracht als jeder andere. Bei jedem ihrer Schritte vom „Mädchen mit Gitarre“ bis zum „Country-Phänomen“ war Kyle ihr Cheerleader gewesen, hatte sie beraten und sie sanft in die richtige Richtung geschubst.

„Ich hab dich hier vermisst“, sagte er. „War still ohne dich.“

Hätte sie sich einen Vater aussuchen können, wäre es Kyle geworden. Traurigerweise hatte Crissy Bonner ihr nie verraten, wer sie geschwängert hatte. Und dass Brooke es ihrer Mutter gleichtat und den Namen von Beans Vater nicht preisgab, war ein Riesendilemma für Brooke. Aber was für eine Wahl hatte sie? Sie wollte nicht die Fehler ihrer Mutter wiederholen, sondern wollte es besser machen.

Aber erst einmal musste sie wieder zurück ins Musikgeschäft.

Beim Lächeln kräuselten sich die Falten um Kyles Mund. Es war eine verdammte Schande, dass der coole Silberfuchs nicht einmal mit ihrer Mom reden wollte. Sie würden ein tolles Paar abgeben. Außerdem würde ein Partner Crissy Bonner von Brooke ablenken. Doch der unverhohlene Hass zwischen Kyle und ihrer Mutter hatte alle Träume von einer glücklichen Familie im Keim erstickt.

Aber wenn sie ein Paar geworden wären, hätte Brooke jetzt vielleicht keinen Grammy und keine Titel in den Charts. Und vielleicht wäre sie auch nicht bei dem All-Stars-Rodeo aufgetreten, auf dem Flash Lawrence geritten war, und es gäbe keinen Bean.

„Ist deine Auszeit damit beendet?“, fragte Kyle, als er seine Gitarre einpackte.

„Yep. Bevor ich letztes Jahr groß rausgekommen bin, war ich fast vier Jahre lang auf Tour. Das hat mich ausgebrannt.“

Es war die offizielle Version, die ihre Plattenfirma und ihre Familie sich ausgedacht hatten. Dass Brooke eine Pause gebraucht hatte, um neue Songs zu schreiben. Oder um ihre Stimmbänder zu schonen? Sie konnte sich nicht erinnern. Es war alles Blödsinn gewesen.

Nicht zum ersten Mal wünschte Brooke sich, dass sie einfach bei der Wahrheit geblieben wären. Ja, die Presse wäre vielleicht über sie hergefallen, aber es gab eigentlich keine schlechte PR. Sie hatte sogar behauptet, dass die Schwangerschaft ihrem zweiten Album White Trash Wonder drei- statt zweimal Platin beschert hätte.

Doch es gab einen Grund, wieso sie letztlich zugestimmt hatte: Sie wollte niemandem verraten, wer Beans Vater war. Ihre Mutter hatte ihr diese Geheimniskrämerei immer noch nicht verziehen, obwohl sie sich Brooke gegenüber genauso verhielt. Brooke hasste es zu lügen.

Kyle legte ihr linkisch einen Arm um die Schultern. „Willkommen zurück.“ Er drückte sie herzlich, bevor er ging, um ihren Auftritt zu sehen. „Wenn du was brauchst, ruf mich an. Wirklich, Brooke, ganz egal, was es ist.“

Angesichts Kyles Aufmerksamkeit bekam Brooke feuchte Augen. Sie ließ die Schultern hängen und fing wieder an zu summen, um ihre Stimmbänder warm zu halten.

Alex Andrews, ihre Leibwächterin und Freundin, quetschte sich in den Backstage-Bereich und überreichte Brooke eine Tasse Tee. „Sie hatten doch Honig“, murrte sie.

Brooke nahm den Tee dankbar entgegen und nippte daran. Ah, perfekt temperiert. „Danke, du bist ein Schatz.“

Alex war groß und ruppig, aber hinter ihrem stahlharten Äußeren war sie ein Softie mit einem Herzen aus Gold. Sie waren schon zu Schulzeiten Freundinnen gewesen, als Brooke gerade anfing aufzutreten und Alex das erste Mädchen war, das im Footballteam als Offensive Lineman spielte. Lange bevor White Trash Wonder ein Hit wurde, hatte Alex in jeder Spelunke und auf jeder Kirmes bei Brookes Auftritten ihr Bestes gegeben, um ihr gierige, betrunkene Arschlöcher vom Hals zu halten.

Vor dreizehn Monaten hatte Alex wegen einer Grippe zu Hause bleiben müssen, statt Brooke nach Fort Worth zum All-Stars-Rodeo zu begleiten. Hätte sie die heiße Nacht verhindert, die Brooke und Flash miteinander verbracht hatten? Hätte Alex sie als Stimme der Vernunft von großspurigen Cowboys ferngehalten, die gut im Bett waren? Oder an der Wand? Oder auf dem Fußboden?

„Was?“, fragte Alex. Brooke musste wohl die Stirn gerunzelt haben.

Verdammt, es war schwierig, dieser Frau irgendetwas zu verheimlichen. Besonders weil Alex eine der wenigen war, die von Bean wussten. „Schon okay. Er ist zu Hause bei Mom“, sagte sie und lockerte ihre Gesichtsmuskeln.

„Sie werden super klarkommen. Crissy will nur das Beste für ihn“, erwiderte Alex. Dann wurde ihr klar, was sie da gesagt hatte. „Oh, Mist, ich hab’s nicht so gemeint.“

„Schon okay.“ Brooke lächelte gezwungen.

„Das ist nur zu deinem Besten“ war Crissy Bonners Lieblingssatz. Dass Brooke mit fünf Jahren Gesangsstunden nahm, war zu ihrem Besten. Gitarrenstunden mit sechs waren zu ihrem Besten. Tägliches, stundenlanges Üben war zu ihrem Besten. Pyjamapartys, Geburtstagspartys, Haustiere und Jungs dagegen waren gar nicht zu ihrem Besten.

Zu wissen, wer ihr Vater war? Das war definitiv nicht zu ihrem Besten.

Brooke summte weiter. Sie war heute Abend als Letzte dran. Überrascht stellte sie fest, dass sie nervös war. Seit ihrem letzten Auftritt waren fast sieben Monate vergangen. Damals hatten raffiniert geschnittene Kleider und lange, weite Strickjacken ihren Babybauch nicht mehr verbergen können. Sieben Monate, in denen sie nicht in der Öffentlichkeit gesungen hatte.

Die Jahre des ständigen Tourens in Bars in Nashville bis hin zu Gigs als Vorgruppe der bekanntesten Country-Bands hatten sich im letzten Jahr endlich ausgezahlt. Über Nacht war sie plötzlich zur angesagtesten Newcomerin geworden und hatte vor ausverkauften Stadien gespielt.

Und dann war alles vorbei gewesen, als sie von Flash Lawrence schwanger wurde. Verdammt, sie hatte sogar die Grammys verpasst! Als sie zur besten neuen Künstlerin gekürt wurde, hatte sie in den Wehen gelegen.

Plötzlich wollte sie nur noch zu Hause bei ihrem Sohn sein. Sie wollte das alles nicht schon wieder: die langen, einsamen Nächte, die Verhandlungen, das Reisen und besonders die ständige Aufmerksamkeit der Presse. Aber sie hatte keine Wahl. Ihr Onkel und ehemaliger Manager Brantley Gibbons hatte ihr Geld veruntreut, wie auch das seiner anderen Kunden, und zwar gerade als Brooke den Durchbruch schaffte.

Sie und ihre Mutter waren zwar nicht mittellos, da die Tantiemen ihrer beiden Alben weiterflossen. Auch den Großteil ihrer Einnahmen aus den letzten paar Tour-Monaten hatte sie retten können, nachdem Onkel Brantley nach Mexiko „umgezogen“ war, um sich einer Strafverfolgung zu entziehen. Aber sie konnte es sich nicht länger leisten, das Rampenlicht zu meiden.

Jetzt wieder aufzutreten wäre zu ihrem Besten, hatte ihre Mutter gesagt. Natürlich.

„Ladies und Gentlemen“, begann der Ansager. „Unser letzter Gast heute Abend ist niemand Geringeres als die Grammy-Gewinnerin Brooke Bonner!“

Brooke nahm einen letzten Schluck Tee und setzte ein Lächeln auf. Unter tosendem Applaus betrat sie den Zuschauerraum. Lächelnd und nickend versuchte sie, sich so durch die Menge zu winden, dass ihr niemand an den Hintern grapschen konnte, während sie sich auf die Mitte des Bluebirds zubewegte, wo Stühle und Mikrofone aufgebaut worden waren.

Als sie sich hinsetzte, stellten sich ihr die Nackenhaare auf, und sie hatte plötzlich das merkwürdige Gefühl, dass er hier war.

Flash Lawrence. Was natürlich Blödsinn war. Seit ihrem One-Night-Stand vor dreizehn Monaten hatte sie nichts mehr von ihm gehört, und sie hatte sich auch nicht bei ihm gemeldet. Als sie sicher war, schwanger zu sein, war sie kurz davor gewesen. Doch als sie ihn googelte, sah sie all die schrecklichen Schlagzeilen über Kneipenschlägereien und Prozesse und … ließ es bleiben.

Bei ihrem Beruf war ihr Leben schon verrückt genug. Ein Baby würde es noch verrückter machen. Aber ein gewalttätiger, unreifer Cowboy? Brooke wollte, dass ihr Sohn seinen Vater kennenlernte, aber nicht, wenn dabei seine Gesundheit in Gefahr geriet. Oder ihre.

Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Jetzt hatte sie schon Halluzinationen. Flash war nie und nimmer heute hier. Es war einfach unmöglich. Zur Sicherheit drehte sie sich auf ihrem Stuhl herum, um den Leuten hinter ihr zuzuwinken, die immer noch applaudierten.

...